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ALICE COOPER BAND – Love It To Death

1971/2025 (Rhino Records/Warner Records) - Stil: Hard/Glam Rock

In den Sechzigerjahren, irgendwo zwischen der Hitze von Phoenix und den Träumen von Ruhm, starteten einige Halbstarke ihre Reise in die Geschichte, die nicht ohne einige verrückte Momente und viel Eyeliner abging. Anfangs waren sie die EARWIGS, dann THE SPIDERS und kurzzeitig hießen sie noch NAZZ. Als sie merkten, dass auch dieser Name schon vergeben war, unter anderem durch Todd Rundgren, musste ein neuer, einprägsamer Name her: ALICE COOPER.

Vincent Furnier, der Sänger, der später offiziell Alice Cooper werden sollte, hielt das für einen seiner besten Schachzüge. Wer hätte bei Alice Cooper auch an eine Band mit langhaarigen, schwarzgeschminkten Typen gedacht, die auf der Bühne alles zerlegen?

Ihr erster Auftritt als ALICE COOPER fand am 16. März 1968 in Santa Barbara statt. Ihre Musik war eine wilde Mischung aus psychedelischem Chaos und Krach, was beim Auftritt im “Cheetah Club” in Venice, Kalifornien, viele Besucher schnell das Weite suchen ließ. Nicht so Shep Gordon, der ihnen ein Vorspielen bei Frank Zappa ermöglichte. Dieser wiederum nahm sie gleich für drei Alben bei seinem Label “Straight Records” unter Vertrag.

Ihr erstes Album ´Pretties For You´ (1969) war allerdings kein Hit, aber ein charmanter Mix aus schrägen Tönen. Das zweite Album ´Easy Action´ (1970) war hernach immerhin etwas gezügelter. Doch das sonnige Gemüt Kaliforniens war nicht wirklich hilfreich für die Band. Also packten sie ihre Sachen und kehrten nach Detroit zurück, wo sie auf MC5, Iggy Pop und Proto-Punk trafen. Dort begegneten sie dem jungen Produzenten Bob Ezrin, der sie nach anfänglichem Zögern seinem strengen Drill unterwarf. Innerhalb weniger Monate verwandelte er das Chaos in harte Rockhymnen.

Dann kam der Durchbruch mit ´I’m Eighteen´. Bob Ezrin modelte einen anfangs eher verworrenen Jam von acht Minuten in einen knackigen drei Minuten langen Hit um, in eine drei-Akkorde-Hymne für verwirrte Teenager zwischen Kindheit und Erwachsensein. Doch sie hatten sich auch eines Tricks bedient. Um den Song im Radio bekannt zu machen, riefen sie bei vielen Stationen unter falschem Namen an, forderten ihren eigenen Song an und sorgten dementsprechend für eine Nachfrage, die landesweit rasch wuchs. Plötzlich sahen “Warner Bros.” echtes Potenzial und investierten in dieses alles entscheidende dritte Album.

Denn hier wurde Geschichte geschrieben. Glen Buxton und Michael Bruce spielten doppelte Gitarrenlinien auf Gibson SGs, die leicht versetzt waren, um einen vollen Sound zu erzeugen. Dennis Dunaway, der Bassist, folgte nicht immer brav dem Grundton, er fügte wilde Melodien hinzu. Das klang aufregend und ganz anders. Das war der Sound, auf den alle gewartet hatten: roh, frech und faszinierend. Die Band und ihr Erfolg waren nicht mehr aufzuhalten. Hits wie ´Ballad Of Dwight Fry´, auf der Bühne mit Zwangsjacke und im Studio umgeben von zusammengeketteten Metallstühlen als ein improvisierter Käfig, sowie ´Black Juju´, zu dem sich Alice auf der Bühne in einer riesigen Kiste einsperrte, während die Band weiterspielte, machten ihre Live-Shows legendär. In diesen Tagen wurde der Shock Rock geboren.

Heute, mehr als 50 Jahre später, klingt ´Love It To Death´ vielleicht etwas rauer und weniger poliert als moderne Produktionen – aber gerade diese rohe Energie, die Mischung aus theatralischem Stil und echtem Hard Rock, macht es unsterblich.

Nach den ersten drei überragenden Songs ´Caught In A Dream´, ´I’m Eighteen´ und ´Long Way To Go´ folgt als Finale der A-Seite das düstere, verspielte und wilde ´Black Juju´.

Dabei schwankt der gleichzeitig sarkastisch und selbstironische Beginn mit dem Hardrock-Song ´Caught In A Dream´ zwischen britischem Rock und dem starken Detroit-Sound. Auch das dreiminütige Stück ´I’m Eighteen´ gibt keine Beteuerung über die jugendliche Verwirrung ab, sondern klingt mit seinem Riff in E-Moll und der Stimme von Alice so als wäre es schon immer da gewesen, während die wilde Rocknummer ´Long Way To Go´ endlich eine Rebellion gegen jegliche Erwartungen und den Wunsch nach Freiheit ausspricht. Der fast zehnminütige psychedelische Jam ´Black Juju´ ist dann das experimentelle Gegenstück. Hypnotische Basslinien, tribalartige Trommeln und atmosphärische Orgelklänge machen aus dem Song ein düsteres und okkultes Ritual.

Im Anschluss machen Songs wie ´Hallowed Be My Name´ und die großartige Kombination aus ´Second Coming´ und ´Ballad Of Dwight Fry´ auf der B-Seite Themen wie Wahnsinn und Verzweiflung noch spannender, bevor die Platte mit einem Cover von ´Sun Arise´ endet.

Zur Eröffnung der B-Seite tönt aber erst einmal die coole und rotzige Nummer ´Is It My Body´ über die sexuelle Anziehungskraft mit einer Prise Zynismus. Der Groove dieser dreckigen Hardrock-Komposition ist unwiderstehlich und passt perfekt zur sarkastischen Performance. Dennoch ist das anschließend aggressiv gegen Religion vorgehende ´Hallowed Be My Name´ nochmal eine überragende Wutsteigerung, dem sich die ironische Messias-Persiflage ´Second Coming´ anschließt. ´The Ballad Of Dwight Fry´ ist hernach vielmehr eine Hommage an den Schauspieler Dwight Frye. Alice Cooper übernimmt die Wahnsinnsrolle als Insasse einer Anstalt und zeigt sich als echter Showman zwischen zarten, verstörenden Akustikpassagen und wütenden Ausbrüchen. Aus Rolf Harris’ fröhlichem, eher folkloristischem Lied ´Sun Arise´ zieht sich Alice Coopers Version letztlich in eine merkwürdige Düsternis zurück. Ein verrückter Sonnenaufgang nach einer düsteren Nacht, der genauso verrückt wie Alice Cooper ist.

Wenn es je ein Album gab, das wie aus einer Reihe von Zufällen und Schicksal entstanden ist, dann ist es ´Love It To Death´. Ohne Bob Ezrin. Ohne Shep Gordon. Ohne die Plattenfirma. Ohne Detroit. Und ohne die Stühle – wäre alles nicht passiert – und doch ist es geschehen. Dafür dürfen wir ewig dankbar sein. ´Love It To Death´ ist eine Platte, die die Welt verändert hat – mit viel Leidenschaft, Wahnsinn und einer guten Portion Humor.

Aktuell erscheint ´Love It To Death´ in der “Rhino High Fidelity”-Serie.

Denn auch “Rhino Records” bieten nunmehr unter “Rhino High Fidelity” eine Premium-Vinyl-Serie an, die klassische Alben mit einer hochwertigen Verpackung (Hochglanzcover und „Tip-on“-Hüllen) sowie einem hervorragenden Klang (Kevin Gray schneidet die Lacke und “Optimal” presst die 180g-Vinylplatten) in limitierter Auflage an Mann und Frau bringen will.

Dementsprechend wurde auch die limitierte 5.000er Auflage von ´Love It To Death´ durch Kevin Gray von den analogen Original-Mastertapes geschnitten – und ihr Klang übertrifft viele frühere Pressungen, selbst die US-Originale, und macht sie zur wohl am besten klingenden Version.

(Klassiker)

Alice Cooper – Leadgesang, Mundharmonika
Glen Buxton – Leadgitarre
Michael Bruce – Rhythmusgitarre, Keyboards, Hintergrundgesang
Dennis Dunaway – Bass, Hintergrundgesang
Neal Smith – Schlagzeug, Hintergrundgesang

https://www.facebook.com/AliceCooper

 

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