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RAINER BRÜNINGHAUS – Freigeweht

1981/2025 (ECM Records) - Stil: Jazz/Fusion

Der Pianist und Komponist Rainer Brüninghaus prägte die deutsche Jazz-Szene als echter Innovator. Mit 16 Jahren gründete er sein erstes Jazz-Trio, mit 21 Jahren die experimentelle Krautrock-Band EILIFF. Bald stand er mit den bedeutendsten Jazzmusikern aus Deutschland, Europa und den USA auf der Bühne, formierte immer wieder eigene Bands und tourte wie kaum ein anderer deutscher Jazzpianist durch die ganze Welt.

Spätestens in der Band COLOURS erlangte Rainer Brüninghaus zusammen mit Eberhard Weber und Charlie Mariano bei Einspielung der Alben ´The Colours Of Chloë´ (1973), ´Yellow Fields´ (1975), ´The Following Morning´ (1976) und ´Silent Feet´ (1977) weltweit Beachtung. Er spielte jedoch auch jahrelang bei Volker Kriegel und auf dessen Alben ´Mild Maniac´ (1974) und ´Topical Harvest´(1976).

Anfang der Achtzigerjahre nahm er schließlich für das Label “ECM” zwei hochgelobte Studioalben als Bandleader auf – ´Freigeweht´ (1981) sowie ´Continuum´ (1983) – und zeigte, über welch tiefes Gespür er bei der Klanggestaltung verfügte. Ersteres nahm Rainer Brüninghaus im August 1980 mit Kenny Wheeler am Flügelhorn, Brynjar Hoff an der Oboe und Jon Christensen am Schlagzeug in den “Talent Studios” von Oslo auf.

Aktuell erscheint ´Freigeweht´ in der audiophilen Vinyl-Wiederveröffentlichungsreihe “Luminessence” des Münchner Labels “ECM”, das bereits in den Siebzigerjahren den Standard für Klang und Pressung setzte.

Die Vinyl-Serie präsentiert auf eigene Art und Weise in eleganten und hochwertigen Ausgaben die herausragenden Juwelen des umfangreichen Backkatalogs der Plattenfirma, wobei das Vinyl immer von den originalen Masterbändern geschnitten wird.

Der Klangästhet Rainer Brüninghaus bewegt sich auf seinem Debüt als Bandleader zwischen Jazz, Klassik und Avantgarde. Sein einmaliger Modus Operandi eint bei aller Improvisationsfreude die klassischen Strukturen mit modernen elektronischen Klängen. Die neben dem Piano von ihm eingesetzten Synthesizer nutzt er nämlich nicht als Klangflächen, sondern bringt sie ebenso im musikalischen Geschehen aktiv ein. Diese unverwechselbare Klangästhetik muss selbst nach über vier Jahrzehnten weiterhin als zeitlos betrachtet werden.

Rainer Brüninghaus’ Spielweise ist dabei äußerst präzise sowie von großem Ausdruck und echter Emotion geprägt. Der Norweger Jon Christensen fesselt mit seinem farbenreichen Schlagzeugspiel und der Kanadier Kenny Wheeler mit einem ebenso emotionalen und melodischen am Flügelhorn, während sich eine gewisse kammermusikalische Aura durch die Integration des Norwegers Brynjar Hoff mit Oboe und Englischhorn einschleicht.

Faszinierender Weise leben sich die vielschichtigen Arrangements zwischen freier und strukturierter Klangwelt naturgegeben aus. Raffiniert entsteht in dieser ersten von sechs Klanglandschaften der Melodienreigen aus einem rhythmischen Klavieransatz. Rainer Brüninghaus und Kenny Wheeler nehmen über acht Minuten lang, Schritt für Schritt mit einer derartigen Eleganz die ´Stufen´ gen Himmel.

Im Wolkennebel des Synthesizers erhält erst Brynjar Hoff mehr ´Spielraum´, später auch Kenny Wheeler, derweil Jon Christensen die Schrittzahl vorgibt und die Tasten von Rainer Brüninghaus hoch und runter perlen. Wiederum entsteht eine durch Jon Christensen erzeugte rhythmische Finesse, zumal Rainer Brüninghaus sowie Kenny Wheeler über zehn Minuten ihre dynamischen Runden drehen und reichlich ´Radspuren´ hinterlassen.

Und nochmals geht es acht Minuten lang ´Die Flüsse hinauf´, so dass Brynjar Hoff und Rainer Brüninghaus genügend Zeit für ein musikalisches Zwiegespräch finden. In einer abgeschiedenen Klanglandschaft angekommen, sorgt insbesondere bei dieser surrealen und schwebenden Atmosphäre die Oboe von Brynjar Hoff für etwas Leben oder sogar für eine ´Täuschung der Luft´.

Zu guter Letzt zeigt dieses famose Quartett, Rainer Brüninghaus und Kenny Wheeler, Brynjar Hoff und Jon Christensen, im heraufziehenden Titelstück über faszinierende zwölf Minuten innerhalb dieses musikalischen Ortes der Schönheit eine gesamtmögliche Darbietung an Struktur und Harmonie.

´Freigeweht´ ist so detailreich und so atmosphärisch. Es ist schlicht ein zeitloses Meisterwerk zum Verlieben, das sich jeder einfachen Kategorisierung entzieht.

 

https://www.facebook.com/ecmrecords

Rainer Brüninghaus – Klavier, Synthesizer
Kenny Wheeler – Flügelhorn
Brynjar Hoff – Oboe, Englischhorn
Jon Christensen – Schlagzeug

 

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