
EVERON – Shells
2025 (Music Theories Recordings/Mascot Label Group) - Stil: Prog Rock
EVERON kehren nach sechzehn Jahren Pause tatsächlich mit einem neuen Album zurück ins leicht flackernde Rampenlicht.
Die Ausnahmeband war zwanzig Jahre lang für ihre komplexen Songstrukturen, ihre eingängigen Melodien und ihre tiefgründigen, oft höchst emotionalen Texte bekannt. Ihr Sound kombinierte immerzu kraftvolle Gitarrenriffs und anspruchsvolle Keyboardarrangements mit einem starken Augenmerk auf Atmosphäre und Stimmung.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1989 hatten sich EVERON eine treue Fanbase erspielt. Doch in den vergangenen sechzehn Jahren fand bei EVERON schlichtweg kein kreativer Prozess mehr statt. Gleichwohl war es eine natürliche und persönliche Entwicklung. Allerdings hatten sie in dieser Zeit nie die Auflösung der Gruppe bekannt gegeben. Sie legten schlicht und einfach eine ausgedehnte Pause ein, in der Mastermind Oliver Philipps als Musiker und Produzent mit anderen Künstlern zusammenarbeitete.
Erst als die Zeit reif schien, begann Oliver Philipps wieder mit dem kreativen Prozess. Er begann, Musik und Texte für EVERON zu schreiben. Doch der plötzliche Tod von Christian „Moschus“ Moos überschattete die anstehenden Aufnahmen. Da Moschus die Schlagzeugaufnahmen für acht Songs bereits abgeschlossen hatte, entschied sich die Band, das Album trotzdem fertigzustellen, und engagierte für die restlichen Songs den US-Schlagzeuger Jason Gianni.
Insbesondere der Song ´Until We Meet Again´ besitzt die stärkste Verbindung zu diesem unfassbar tragischen Verlust, da Oliver Philipps das Lied schrieb, während er gerade die schreckliche Nachricht über Moschus’ plötzlichen Tod erhielt. Ohnehin finden wieder die dunkleren und intensiveren Emotionen wie Schmerz oder Verlust, Hoffnung und der Umgang mit inneren und äußeren Konflikten ihren Platz auf dem neuesten Album. Auch der unverkennbare Album-Opener ´No Embrace´ handelt von einem schmerzhaften Beziehungsende, mit all seinen Gefühlen in solchen Tagen der Zerrissenheit.
Meist finden die Kompositionen über einen sanften Einstieg mit einer leichten Piano-Melodie zu ihren episch und hymnisch klingenden Höhepunkten sowie überraschenden Ausbrüchen, das sich langsam aufbauende ´Broken Angels´ über ein Leben in Schmerz und Dunkelheit gar mit sinfonischen Streichern. Das Album weiß dementsprechend von Grund auf mit seiner vielschichtigen Orchestrierung, mit seinem gefühlvollen Gesang, mit seinen kraftvollen Gitarrenmomenten und ebenso mit seinem prägnanten Klavierspiel zu begeistern. Die Kompositionen wechseln bei aller Dynamik geschickt zwischen schweren und leichteren Passagen.
In dem Duett zwischen Oliver Philipps und der kanadischen Sängerin/Songwriterin Leah McHenry mit dem Titel ´Pinocchio’s Nose´ über Heuchelei und falsche Versprechungen kommen sogar keltische Einflüsse zum Vorschein. Im balladesken Song ´Monster´, über die offenen Wunden gegenüber einem schändlichen Vater, erschallen obendrein Shouts des Titels aus dem Hintergrund und nicht nur in ´Grace´ oder ´Children Of The Earth´ singt die Ehefrau von Oliver Philipps, die Sängerin Helena Iren Michaelsen (TRIAL OF TEARS, IMPERIA) mit.
Bisweilen dürften bei dem einen oder anderen aus der Fanbase bei dem einen oder anderen Song auch Erinnerungen an die eine oder andere Periode der Bandgeschichte geweckt werden. Leichte metallische Anzeichen zeigen sich jedenfalls in ´Guilty As Charged´, über die eigene schweren Last der Sünde, oder in dem Instrumental ´OCD´. Zum Abschluss, nachdem solch Großtaten wie ´No Embrace´, ´Pinocchio’s Nose´, ´Shells´ oder ´Grace´ die Rückkehr von EVERON der ganzen Welt verkündet haben, tönt dann wahrhaftig noch eine Neuauflage des Titelsongs von ihrem 2002er Album ´Flesh´ aus den Lautsprechern.
Oliver Philipps, Christian “Moschus” Moos, Originalbassist Schymy und ihr langjähriger Gitarrist Ulli Hoever haben das Unmögliche möglich gemacht und ein weiteres EVERON-Album vollendet.
(9 Punkte)
https://www.facebook.com/profile.php?id=61569245158083
Pic: Axel Jusseit
(VÖ: 28.02.2025)