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JON IRABAGON – Server Farm

2025 (Irabbagast Records) - Stil: Jazz

Der Filipino-Amerikaner Jon Irabagon ist ein mit Auszeichnungen überhäufter Saxophonist und Komponist. Er gewann den Thelonious-Monk-Wettbewerb, erhielt den “Rising Star Award” sowie den “Philippine Presidential Award” und wurde von “Time Out New York” zu den 25 Jazz-Ikonen New Yorks erkoren.

Bislang komponierte er für sein Ensemble Outright!, für sein Trio und Quartett. Nun hat der in Chicago lebende Jazz-Musiker sein bislang größtes Ensemble zusammengestellt, ein zehnköpfiges elektroakustisches Ensemble.

Im Kern besteht es aus seinem Quartett mit dem Pianisten und Keyboarder Matt Mitchell, dem E-Bassisten Chris Lightcap und dem Schlagzeuger Dan Weiss. Zum Dezett kommen noch der Geiger und Sänger Mazz Swift, der Trompeter Peter Evans, die Gitarristen Miles Okazaki und Wendy Eisenberg, der Akustikbassist Michael Formanek sowie der Perkussionist und Elektromusiker Levy Lorenzo hinzu.

Jon Irabagon engagierte einige der besten, ihm persönlich bekannten Musiker und Improvisatoren New Yorks. Daher besaßen sie die Freiheit, eigene Texturen und Harmonien zu erschaffen. Außerdem experimentierte Jon Irabagon erstmals mit Effektpedalen und der Nachbearbeitung seiner Saxophone. Da er mit all seinen Mitmusikern schon aufgetreten ist, konnte er auch in ihrem Sinne die Kompositionen entwickeln. Inspiration fand er in dieser Hinsicht bei Carla Bleys Kompositionen für große Ensembles, Charlie Hadens Liberation Music Orchestra und John Coltranes ´Ascension´.

Thematisch greift er die Bedrohung der Menschheit durch die Künstliche Intelligenz auf und zeigt in einer Erzählebene über die fünf Kompositionen den Fortschritt vom Natürlichen und Menschlichen zum Künstlichen und Hybriden auf. Unter Spannung erzählt er die Geschichte zwischen dem Menschlichen und dem Virtuellen und hofft aufgrund der fortlaufenden Entwicklung von Künstlicher Intelligenz auf eine baldige Fortsetzung von ´Server Farm´.

Dieses am Puls der Zeit aufspielende Werk beginnt erst einmal mit dem 13-minüter ´Colocation´ und dem Klang von traditionell horizontal in Reihe angeordneten Gongs von den Philippinen. Selbst ´Routers´ ist noch in fröhlicher und vergnüglicher Stimmung, da es die Anfänge der Mensch-Computer-Vereinigung aufzeigen soll. Melodie und Harmonie kommen im Laufe der Komposition langsam ans Licht, während Jon Irabagon ein mit Effekten bearbeitetes Tenorsolo über die gesamten sieben Minuten hinzufügt und so die anschwellende Hysterie verstärkt.

Der 14-minüter ´Singularities´ beginnt im Gleichklang und Wirrwarr aller Instrumente, doch Jon Irabagons Tenorsolo stellt in der Mitte der Komposition den Wendepunkt der Entwicklung und die Übernahme durch die Künstliche Intelligenz dar. Die 9-minütige Ballade ´Graceful Exit´ setzt hingegen mit einem Arco-Bass-Solo ein und erfährt eine elektronische Untermalung. Das vorläufige Ende stellt der 15-minüter ´Spy´ dar. Mazz Swift trägt ein Gedicht vor, während die Melodie hektische Verläufe vollführt, weil der Mensch in seiner Paranoia mittlerweile hinter allem eine Künstliche Intelligenz wittert.

Komplexe Kompositionen, organisiert und improvisiert, in stetiger musikalischer Unterhaltung aller Musiker, mit einem großen weltlichen Bewusstsein, bilden den humanen Schöpfungsakt ´Server Farm´. Wieviel Liter Wasser die zehn Musiker dabei getrunken haben, ist nicht überliefert, doch allein ein Rechenzentrum von einer Internetsuchmaschine benötigt 1,7 Millionen Liter Wasser pro Tag. Dieser immense Verbrauch sollte doch bereits vor der Begegnung mit Künstlicher Intelligenz eine Bedrohung für den Fortbestand der Menschheit darstellen.

Kills the server farms?!

(9 Punkte)

jonirabagon.bandcamp.com
https://www.facebook.com/jonirabagonmusic


(VÖ: 21.02.2025)

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