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NEIL YOUNG – On The Beach

1974/2024 (Reprise Records) - Stil: Folk/Blues/Country Rock

Mitte der Siebzigerjahre war Neil Young vom kalifornischen Lebensstil desillusioniert. Die einstigen Ideale des Folk gingen verloren und die Schattenseiten des Lebens traten immer öfter hervor. Sein Gitarrist Danny Whitten starb an einer Überdosis Alkohol und Valium, sein Roadie Bruce Berry an einer Überdosis Heroin und Kokain.

Die in jenen Tagen veröffentlichten Alben ´Time Fades Away´ (1973), ´On The Beach´ (1974) und ´Tonight’s The Night´ (1975) waren zudem nicht besonders beliebt und ein kommerzieller Misserfolg.

´Tonight’s The Night´ wurde eigentlich direkt nach ´Time Fades Away´ aufgenommen, aber erst einmal zurückgestellt und nach ´On The Beach´ veröffentlicht, als das eigentlich frisch aufgenommene ´Homegrown´ Neil Young zu persönlich ausfiel und sich dessen Veröffentlichung wiederum bis in das Jahr 2020 verschob.

Die drei Alben wurden auch als „Ditch Trilogy“ bekannt, da Neil Youngs Erfolgslied ´Heart Of Gold´ ihn teilweise wie ein Fluch belastete: “Dieses Lied hat mich mitten auf die Straße gebracht. Die Fahrt dorthin wurde bald langweilig, also steuerte ich auf den Straßengraben zu [so I headed for the ditch]. Eine holprigere Fahrt, aber ich sah dort interessantere Leute.”

Neil Young nahm die Alben weitestgehend planlos mit Session-Musikern auf und behielt die Monitor-Mixe, war aber aufgrund des durchgehenden Konsums von „Honey Slides“, einer von seinem Produzenten Rusty Kershaw empfohlenen Mischung aus Marihuana und Honig, immer wohlgestimmt: “Ein paar Löffel davon und man war bis Mitte nächster Woche entspannt.”

Dementsprechend war auch die Stimmung von ´On The Beach´, das er erst auf seiner Ranch und im Anschluss Ende März und Anfang April 1974 in Hollywood bei “Sunset Sound” mit Mitgliedern von CRAZY HORSE, CSNY und THE BAND aufnahm, eher sanft und melancholisch.

Für das wundervolle Cover am Strand von Santa Monica besorgten sie auf einem Schrottplatz die Heckflosse und den Kotflügel eines 1959er Cadillacs sowie für Neil Young eine gelbe Polyesterjacke und weiße Hosen in einem heruntergekommenen Herrenladen.

Entgegen aller Leichtigkeit, Sanftheit und Melancholie befasst sich das Album auch mit Themen wie Wut und Entfremdung. Immerhin verbreitet der melancholische Opener ´Walk On´ sogleich einen Hauch von Optimismus. Denn Neil Young will trotz aller Schwierigkeiten seine Steherqualitäten im Leben als auch im Musikgeschäft beweisen, so wie er es in dem wehmütigen Kommentar zur Gesellschaft der Siebzigerjahre mit dem schönen Titel ´See The Sky About To Rain´ besingt, samt einmaligem E-Piano und Slide-Gitarre.

Der Song ´For The Turnstiles´, zu dem Neil Young Banjo und Ben Keith Dobro spielen, geht mit der Musikindustrie hart ins Gericht. Im ´Vampire Blues´ nimmt er sogar die Ölkrise und die Politiker ins Visier. Der flottere ´Revolution Blues´ behandelt obendrein noch ganz nebenbei seine Bekanntschaft zu Charles Manson während seiner Tage in Topanga.

In aller Melancholie sinniert ´On The Beach´ über die Schattenseiten des Ruhms und ´Motion Pictures´ über die Trennung von seiner Lebenspartnerin, der Schauspielerin Carrie Snodgress. Der finale ´Ambulance Blues´ klagt hingegen mit einer bei Bert Janschs ´Needle Of Death´ entlehnten Melodie Richard Nixon und die eigene Untätigkeit von CSNY an. Die Leichtigkeit des Seins war und ist schließlich auch einem Rockstar nicht vergönnt.

Mit den Kompositionen von ´On The Beach´ kann allerdings jeder auf das Meer hinausblicken oder unendlich lange in das Nichts starren.

(Klassiker)

https://www.facebook.com/NeilYoungRepriseRecords

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