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MEAN MISTREATER – Do Or Die

2025 (Dying Victims Productions) - Stil: Heavy Metal

Viele von Euch, wenn nicht komplett digital verwahrlost und nur noch auf Streaming aus, werden es noch kennen. Ihr wühlt Euch in einem muffeligen Plattenladen mit kauzigem Besitzer am Tresen (ca. kurz vor der Rente, Raucher, immer einen überheblichen Blick aufgesetzt) durch Kisten mit hoffnungslosen Vinylschallplatten noch hoffnungsloserer und von der Zeit gnadenlos aufgefressener Künstler im Bereich Rock, wenn Ihr Glück habt im gesondert abgeteilten “Hard’n’Heavy”-Fach. Zwischen tonnenweise unnützer Glamrockplatten der 80er, die kaum die Hälfte der 5 Euro auf dem Cover wert sind, seht Ihr sie. Cover schwarz, durch den schwarzen Hintergrund kratzt und wühlt sich ein Skelett, nur der Schädel mit einem fiesen Glühen im linken Auge und zum Kampfschrei aufgerissenen Maul, sowie eine Knochenklaue springen Dir entgegen.

MEAN MISTREATER? Das Cover sieht so herrlich klischeehaft kitschig aus, aber anders als die ganze AOR- und Glitterrock-Ware. Rausgepflückt, ab zum Vorspieltresen. Die Nadel tanzt in der Rille den Mussolini, aus den Kopfhörern donnern die ersten Noten, YESSS! Du hast es geschafft, Deine Geduld hat sich ausgezahlt. Eine echte, unbekannt obskure Heavy Metal-Platte bietet sich Dir feil.

1982 oder 1983 müsste das sein. Vielleicht 1984. Die Lady am Gesang hat eine schön angeraute, leicht schrille Stimme, passend zum erdigen Heavy Metal, der sich in verschiedenen Geschwindigkeitslagen aus den Hörern in Deine Ohren zwirbelt. Das könnten Belgier sein, vielleicht auch Niederländer. Weiss man nicht genau, mal gucken. Das Label, so schätzt man, dürfte bestimmt “Mausoleum Records” aus Belgien sein. Oder ist das hier gar eine bislang unbekannte Eigenproduktion?

Es öffnet sich mir beim Anhören eine Welt des ehrlichen, erdigen Heavy Metal, bei dem der Charme der Gassen und Hinterhöfe herrlich mitschwingt, gleich einer Woge des Duftes von überfüllten Müllcontainern und vergammelten Pissecken dort hausender Verlorener. Die ganz frischen und großen Melodien findest Du hier nicht, aber auch die vertraut bodenständigen Gesangslinien werden Dir in ihrer Einfachheit mit gewissem hymnenhaften Geist ins Blut fahren. Hör nur genau hin. Okay, geil, gekauft.

Ich habe sicher Platten von BLACKLACE, ACID, sogar WARLOCK aus eben jenen frühen und mittleren 80ern, die genau in die Kerbe hauen, aber MEAN MISTREATER reihen sich qualitativ da ein. Acht Songs ohne Ausfall, dafür mit kernigen, fetzigen Riffs und eruptiven Gitarrensoli, einfach und unkompliziert, aber umso herzlicher und leidenschaftlicher inszeniert, sind schon ein guter Schnitt. Knapp unter 40 Minuten dauert das Vergnügen. Und dann kommt die Erkenntnis. 1984 für den Bobbes. Hinten steht “Dying Victims Productions” drauf, dazu 2025.

Und irgendwie kommt einem das Cover auch bekannt vor, zumindest das Motiv. Daheim wühlt man sich durch die eigene Sammlung und bitte sehr, man zieht das selbstbetitelte 2024er Debüt einer kleinen jungen Band aus Texas hervor. Also keine Belgier, die ja ein gutes Händchen für solche direkte Heavy Metal-Musik hatten, damals.

Diese junge Amiband um WAR CLOUD-Leader Alex Wein an der Gitarre besorgt es uns innerhalb eines Jahres zum zweiten Mal. Und kann sich qualitativ auch noch dezent steigern. Die große Formel für das Album bleibt, der erdige Heavy Metal bleibt. Aber die Stücke wirken reifer und weniger spröde. Ein Jahr auf den Bühnen hat viel gebracht. So läuft Heavy Metal für meine Ohren bestens ins sechste Jahrzehnt (ich zähle die Heavy Rocker der 60er noch nicht dazu. Gewisse Stilistiken müssen gegeben sein).

Dass dieser Sound auch 48 Jahre nach ´Sin After Sin´ und ´Rock City´ noch so frisch sein kann, lässt mich hoffen. Auch wenn ich nie mehr jede neue Old School Heavy Metal Platte haben müssen werde, die eine oder andere Kapelle ist mein Geld noch wert.

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/meanmistreatertx


(VÖ: 21.02.2025)

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