WILCO-Leader Jeff Tweedy sammelte insbesondere im Jahr 2019 reichlich aufgenommene Demos mit Songideen. Dementsprechend fanden daraufhin seit langem wieder einmal alle sechs Bandmitglieder zusammen und nahmen überwiegend aus Live-Aufnahmen ihr zwölftes und 2022er Studioalbum ´Cruel Country´ sowie gleichzeitig, über einen längeren Zeitraum, gänzlich konträr und hochkonzentriert für ihr dreizehntes und 2023er Studioalbum ´Cousin´ jedes Instrument einzeln auf.
Dass mit der Veröffentlichung dieser beiden Werke der Vorrat an Songideen seit 2019 immer noch nicht verbraucht war, beweist die aktuelle Veröffentlichung einer EP. WILCO holten nochmals die Kiste mit dem unvollendeten Material dieser Sessions aus dem Keller und zauberten sechs Tracks hervor, die ansonsten nie das Licht der Öffentlichkeit erblickt hätten.
Rechtzeitig zu ihrem “Solid Sound Festival” ließen WILCO Ende Juni 2024 die ersten Exemplare von ´Hot Sun Cool Shroud´ pressen, in Europa kamen die ersten Vinyl-Scheiben allerdings erst Monate später an.
Die EP ´Hot Sun Cool Shroud´ besitzt jedoch trotz ihrer Kürze die Vision einer Langspielplatte und einige herausragende Höhepunkte. Endlich tragen WILCO die Brillanz ihrer Full-Length-Scheiben ebenso über die Länge einer EP hinweg zur Schau.
Die einzelnen Kompositionen sollen dabei einen schwül heißen Sommertag in Töne setzen, von der Morgenröte über die drückende Hitze zur Mittagszeit bis zur Abenddämmerung.
Die Sonne ist umgehend in ´Hot Sun´ gegenwärtig, wenn der hektische Rock im 60s Pop mit mal verzerrtem Gitarren-Getöse, aber ebenso mit Cello, Viola und Synthesizer langsam dahinschmelzt und wiederholt eine Oase des Wohlklangs aufspürt.
Vor dem ersten Liebeslied zum Dahinschmelzen in der Sonne, dem langsam fließenden ´Ice Cream´, das abermals die Brillanz des Songwriters Jeff Tweedy offenbart, finden sie noch die Zeit für einen kurzen und exakten, geradezu wilden Gitarren-Ausritt unter dem Namen ´Livid´ samt digitalem Feuer.
Der durch die Wärme erzeugte Rausch nimmt mit ´Annihilation´ keinesfalls ab, sondern eher noch zu (“We’re boiling angels, let’s kiss for hours … let’s make it art, this kiss is ours.”), denn Jeff Tweedy, John Stirratt, Glenn Kotche, Nels Cline, Mikael Jorgensen und Patrick Sansone präsentieren sich in absoluter Hochform.
Nach einem weiteren, kurzen instrumentalen Ausflug namens ´Inside The Bell Bones´, der experimenteller mit Percussions und Akustikgitarre vonstatten geht, beendet die niemals kitschige und scheinbare John Lennon/Paul McCartney-Verbeugung ´Say You Love Me´ mit Klavier und Streichern dieses außergewöhnliche Mini-Album.
Somit kommen in letzter Zeit immer mehr Songideen von WILCO ans Tageslicht und selbst diese kleine EP macht dem Gesamtwerk einer der bedeutendsten Rockbands der Gegenwart alle Ehre. Denn welche andere Gruppe hat zuletzt in Folge so viele Meisterwerke vollbracht wie WILCO mit den LPs ´Being There´, ´Summerteeth´, ´Yankee Hotel Foxtrot´, ´A Ghost Is Born´ und ´Sky Blue Sky´? Die EP ´Hot Sun Cool Shroud´ braucht sich selbst als kleine Schwester nicht hinter diesen im Schatten verstecken.
(8,5 Punkte)
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