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FINAL GRAVITY – Stormchaser

2024 (Inebriated Music) – Stil: Modern Classic Rock

Puh, da haben mich meine Lieblinge aus Kalifornien drei lange Jahre warten lassen. Spätestens seit dem Vorgänger ´Surviving Humanity´ dürfte jedem von euch kleinen Struwwelpeterinnen klar sein, dass man im Hause FINAL GRAVITY auf zwei der schönsten Dinge mit vier Buchstaben steht, die es auf diesem Planeten zu geniessen gibt: RUSH und Bier.

Somit erklärt sich augenblicklich, weshalb ich mal wieder so aufgedreht bin. Schon das fantastische Coverartwork stimmt den Sci-Fi Fan in mir wohlig auf eine Runde gepflegten Rocks ein, der nicht verleugnen kann, welche Liebe die Musiker hinter FINAL GRAVITY für Kanadas Finest hegen. Unheimlicher Weise klingt Melissa hier und da wahrhaft wie Geddys stimmliche Schwester – was sehr cool ist, denn bei einem Kerl am Mikro würden Lästermäuler bereits wieder von einer RUSH-Epigone sprechen.

Doch dafür haben sich FINAL GRAVITY über die Jahre zu einer viel zu eigenständigen Band mit individuellem Songwriting entwickelt, lediglich die Gesamtstimmung der Songs erinnert an das unerreichte Trio in der Phase ab den 90ern, sprich ab ´Roll The Bones´. Wie ihr wisst, sind für die 70er ausschliesslich die CROWN LANDS zuständig und einen Tribut an die synthsoundigen 80er wird es später im Jahr von unseren Meistern LORD VIGO geben – unglaublich, aber wahr.

Doch back to FINAL GRAVITY: Die Lyrics des Openers ´The Deep´ lassen mich augenblicklich an den Ausruf von Paul Atreides auf Dune denken: “Vater! Vater! Der Schläfer ist erwacht!” – während Feeling und speziell die Rhythmik als auch die Breaks im Songs an die wirklich guten 90er RUSH erinnern und deren erstes Album des aktuellen Jahrtausends ´Vapor Trails´ noch enttäuschender erscheinen lassen, als es für mich ohnehin ist. Sorry Alex, Geddy & Neil, aber das hier RUSHt richtig!

Wie auch zuvor drehen sich die Texte von ´Far Away´ um Ängste, Ungewissheit, sich verloren fühlen und letztendlich jedoch den Weg heraus als positive Erfahrung. Manifestiert in einen gefühlvollen, getragenen Titel, dessen latent traurige Atmosphäre im sonnigen Refrain aufgelöst wird und einen fetzigen Instrumentalpart beinhaltet, der niemanden ruhig sitzen lässt.

It can’t take me over
Taking back my ashes
As I’m getting older
I found myself and now I fly away

I will not surrender
I will live forever
Now I’m getting older
I found myself and now I fly away

Nun schalten wir den ´Automatic Pilot´ an und lassen uns treiben mit herrlichen Cleangitarren und einem flotten Refrain, der mächtig Hitpotenzial liefert und Melissa ihre emotionalste Performance abverlangt. Alte Hardrock und AOR-Jünger fühlen sich dabei besonders wohlig. Dabei hören wir die Worte, die uns mahnen, weiterzudenken und auf keinen Fall das Hirn ebenfalls auf Standby zu schalten.

„Who wants to live forever?“ hat sich neben Freddie auch Flash Gordons alter Falkenmannkumpel Vultan gefragt und ´The Story Of Forever´ behandelt diesen menschlichen Wunschgedanken. Abermals ein unwiderstehlicher Refrain und dazu ein unerwarteter atmosphärisch dichter Mittelpart, der beinahe schon progressiv daherkommt.

Ha! Erwischt! Nun wird das Faible für RUSH doch noch mal vollends ausgelebt, mit dem starken Cover von ´Entre Nous´ (Permanent Waves – 1980), dessen wunderbarer Text vom unvergessenen Neil Peart perfekt zu den eigenen Themen passt, wie auch der Song selbst. Endlich mal jemand, der tief in die Trickkiste greift und einen ganz anderen Song herausholt als die üblichen zwei, die im Radio gespielt werden… wenn überhaupt.

Falsch geraten. Mit ´Planet Earth´ gibt’s danach kein DURAN DURAN-Cover, sondern wir begeben uns balladesk auf die letzte große Reise ins Unbekannte, da wir das Leben auf unserem wunderschönen Planeten trotz aller Warnungen ruiniert haben und wir unseren Fortbestand woanders sichern müssen. Die Erde wird sich erholen, doch werden wir irgendwann, irgendwo fähig sein, aus unseren Fehlern zu lernen?

Fortsetzung folgt… hoffentlich auch bald bei FINAL GRAVITY, da dieses Album mit fünf Stücken und einer Coverversionen in 30 Minuten doch viel zu schnell rum war. Auf der anderen Seite entscheiden sich in diesen schnelllebigen Streaming-Zeiten mit kurzen Aufmerksamkeitsspannen immer mehr Künstler dazu, statt Quantität auf Qualität zu setzen und lieber in kürzeren Abständen mal eine EP zu veröffentlichen. Wobei ´Reign In Blood´ ja auch als Album gilt – und diese Schlachtplatte riss noch nicht mal die 30er-Marke.

Meine Empfehlung nicht nur an aller RUSHer oder diejenigen, die die Idee von LINKIN PARK mit Sängerin weiterzumachen ebenfalls endgeil finden, sondern an alle, die auf packenden Rock stehen, der klassische Elemente beinhaltet, aber genug Eigenständigkeit mitbringt, dieser Musikrichtung einen Platz in der Zukunft zu sichern.

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