MeilensteineVergessene Juwelen

SOUNDGARDEN – Superunknown

1994 (A&M Records) - Stil: Grunge/Hardrock/Alternative Metal/Psychedelic Rock

~ 30th Anniversary ~


Als ´Superunknown´ im März 1994 veröffentlicht wurde, war es nicht nur ein mit Spannung erwartetes Album einer von der Kritik gefeierten Rockband – die Grammy-Gewinne und der mehrfache Platin-Erfolg schienen geradezu vorherbestimmt.

Obwohl SOUNDGARDEN der erste Spross der Seattle-Szene der späten 80er Jahre gewesen war, der bei einem Major-Label unterschrieben hatte, wurden sie von ihren Stadtkollegen PEARL JAM und NIRVANA deutlich überholt, und ihre metallischen Sonaten waren den meisten offenbar einfach viel zu knorrig und viel zu verdreht.

SOUNDGARDEN waren bis dato jedenfalls sowas wie der ewige Bronzemedaillengewinner der Grunger Games.

Ich kenne das Seattle-Quartett bereits seit seinen Anfangstagen, genauer gesagt seit Erscheinen ihres für mich damals epochalen Debütalbums ´Ultramega OK´, und das Konzert als Vorband von GIANT SAND am 24. Mai 1989 im heimischen „Schwimmbad Musikclub“, Heidelberg ist für mich nach wie vor der beste Beweis für den Pioniergeist, den die Band in der damaligen Zeit ausstrahlte.

Ich hatte damals für unser Fanzine „No Trend Press“ mein erstes Künstler-Interview überhaupt durchgeführt, und wie geil war es einfach gewesen, mit dem Gitarristen Kim Thayil und Bassist Hiro Yamamoto draußen vor dem Clubeingang zu sitzen und sich nett über Grunge, Gott und die Welt zu unterhalten.

Wir begegneten uns dann ein Jahr später wieder auf ihrer ´Louder Than Love´-Tournee in der Frankfurter „Batschkapp“ und ein paar Monate darauf sogar noch einmal bei SOUNDGARDEN im Package mit DANZIG und C.O.C. im „Civic Auditorium“ in Santa Monica, Los Angeles.

Mit dem völlig verdrehten Psychedelic-Grunge-Meisterwerk ´Badmotorfinger´ von 1991 hatten sie für mich schließlich musikalisch ihren absoluten Höhepunkt erreicht, aber es sollte ein paar Jahre später sogar noch besser kommen.

Normalerweise ist es ja eigentlich ein schlechtes Zeichen, wenn der wilde Frontmann seine Haare schneidet und anfängt, Hemden zu tragen, aber der sich optisch wandelnde Chris Cornell war auch sinnbildlich für die Mission des Albums – nämlich eine maximale Wirkung mit der minimalsten Theatralik zu erzielen.

Dank seiner immer noch beeindruckenden Balance aus Hooklines und Heavyness repräsentiert das Album auch 30 Jahre später immer noch das platonische Ideal dessen, was ein Mainstream Hardrock-Album sein sollte, und ´Superunknown´ bleibt somit ein nützliches Modell für jeden Künstler, der sich links von der Mitte befindet und darauf hofft, Zugänglichkeit zu erreichen, ohne seine Identität zu opfern.

Kim Thayil war in der Form seines Lebens, und seine chamäleonartigen Verschiebungen und ungewöhnlichen Stimmungen zeichneten ihn einmal mehr als einen wirklich innovativen Gitarristen aus. ´4th Of July´ beispielsweise beginnt mit einem wütenden, trägen Riffdonner und steigert sich erst im Laufe seiner fünfminütigen Laufzeit zu einem der dichtesten und härtesten SOUNDGARDEN-Songs überhaupt.

Auch Bassist Ben Shepherd liefert hier eine erstklassige Leistung ab, und trägt als Songwriter gleich zwei eigene Stücke solo bei, darunter ´Head Down´, ein percussiongetriebener, surrealer Wüter, der durch Cornells repetitives, dröhnendes Falsett und seine Texte in einen psychedelischen Zustand versetzt wird.

Matt Cameron, einer der für mich am meisten unterschätzten Drummer überhaupt, ist hier ebenfalls umwerfend gut und der perfekte Kitt von SOUNDGARDEN, der die Band in Schach hält und dafür sorgt, dass ihre verrückten musikalischen Ideen äußerst natürlich klingen.

´The Day I Tried To Live´ oder vor allem ´She Likes Surprises´ zeigen, wie beständig Cameron ist, indem er jeden Beat genau klingen lässt und die Grenzen der Songs nie allzu sehr ausreizt. Sein Schlagzeug ist perfekt gestimmt, die Toms klingen hohl und düster, und die Snare zeigt sich merklich härter als auf ´Badmotorfinger´, was besonders bei der Punk-Raserei von ´Kickstand´ bewiesen wird.

Für SOUNDGARDEN war der Vorstoß in Richtung Pop eher das Ergebnis schrittweiser Entwicklungen als ein spektakulärer Sprung. Wo ´Badmotorfinger´ in Thayils pulverisierendem Riffing immer wieder psychedelische Blitze und Melodien einfügte, werden diese Elemente hier reduziert, wie bei ´Black Hole Sun´ etwa, bei dem die psychedelischen BEATLES auf den Kopf gestellt und in einen Haufen aus Ruß und Schutt geworfen werden.

Der Opener ´Let Me Drown´ ist hingegen äußerst aggressiv und druckvoll, und ´Like Suicide´ oder ´Mailman´ vermitteln ein unbestreitbares und spürbares Gefühl von Verlust und Sehnsucht.

´Fresh Tendrils´ und eben ´Black Hole Sun“ sind dann ganz klar die psychedelischen Juwelen des Albums, musikalisch hell und farbenprächtig verzerrt.

Als eine Band, die einen steinigeren Aufstieg erlebte als ihre lokale Konkurrenz in Flanellhemden, und deren Alben nach dem Wechsel zum Major sogar immer besser wurden, galt für SOUNDGARDEN jedenfalls nie der Erfolg um jeden Preis.

Inmitten einer Musiklandschaft, die mittlerweile in unendlich viele Subgenres zersplittert ist und in der Musik in ihrer Reinheit kaum noch identifizierbar ist, bleibt ´Superunknown´ für mich auch anno 2024 der Inbegriff des High End Rock!

(Klassiker)

Favorites: ´My Wave´, ´Fell On Black Days´, ´Black Hole Sun´, ´Limo Wreck´, ´Fresh Tendrils´

https://www.facebook.com/Soundgarden

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