ANDREW HILL – A Beautiful Day, Revisited
2002/2024 (Palmetto Records) - Stil: Jazz
Der in Chicago, Illinois, geborene Pianist Andrew Hill veröffentlichte seine großen Meisterwerke in den Sechzigerjahren – ´Black Fire´ (1964) und ´Point Of Departure´ (1965) – während seiner Zeit bei “Blue Note Records”. Mitte der Siebzigerjahre zog er sich zurück und kümmerte sich um seine kranke Ehefrau. Erst zwanzig Jahre später unterschrieb er wieder einen Plattenvertrag bei “Palmetto Records” und erlangte mit den Alben ´Dusk´ (2000) und ´A Beautiful Day´ (2002) späten Ruhm.
´A Beautiful Day´ war eine Live-Bigband-Aufnahme aus dem “Birdland” in New York City. Andrew Hill trat mit seinem Sextett, erweitert als Big Band auf und stand mit seinem Klavierspiel dennoch nie im Schatten des großen Bläseraufgebots.
Andrew Hill hatte in jenen Tagen anerkannte Koryphäen an seiner Seite: den Tenorsaxophonisten Greg Tardy, den Mehrrohrblattspieler Marty Ehrlich und den Trompeter Ron Horton, Bassist Scott Colley und Schlagzeuger Nasheet Waits sowie in der Big Band den Tenorsaxophonisten Aaron Stewart, den Baritonsaxophonisten J.D. Parron, die Posaunisten Charley Gordon, Mike Fahn und Joe Fielder, die Trompeter Laurie Frink, Dave Ballou und Bruce Staelens, John Savage an Flöte und Alt sowie Jose Davila an der Tuba.
“Es war eine wirklich epische Reise”, schwärmt “Palmetto Records”-Gründer und -Produzent Matt Balitsaris heute noch. “Normalerweise sind die Arrangements umso strukturierter, je größer ein Ensemble ist. Aber so ging Andrew nicht an die Dinge heran. Vor den Aufnahmen hatte die Band viele kurze Ensemblestücke geprobt, aber niemand wusste, wie sie zusammenpassen.” Trompeter Ron Horton und musikalischer Leiter des Ensembles fügt aus seiner Erinnerung noch hinzu: “Die meisten Stücke hatten keinen Titel oder nur Arbeitstitel. Niemand hatte über einen Plan gesprochen. Es war einfach nur so: ‚Was passiert hier?‘ Und doch, als die Band zu spielen begann, entstand aus all dieser Verwirrung heraus jede Menge absolut großartige Musik.” Eben diese Spontanität, ohne vollends vorgefertigte Muster, hatte der Visionär Andrew Hill im Sinn.
Dieses Live-Zeugnis veröffentlicht Matt Balitsaris in diesen Tagen in einem frischen Mix und Remaster, bei dem die Fortschritte in der Produktions- und Bearbeitungstechnologie angewandt wurden.
´A Beautiful Day, Revisited´ überrascht einerseits mit ausgedehnteren Vorführungen. Das ursprünglich einminütige ´11/8´ wird inklusive der Bandvorstellung auf sechs Minuten ausgedehnt. Zudem ist der Titelsong ´A Beautiful Day´ jetzt nicht nur in seiner 12-minütigen Version, sondern ebenso in einer 16-minütigen vom ersten Auftrittstag als ´A Beautiful Day (Thursday)´ zu hören. Der Unterschied ergibt sich aus der jeweiligen musikalischen Abfolge sowie einer Ausweitung des Themas. Dementsprechend dehnt sich das ursprüngliche Einzelalbum auf zwei LPs/CDs aus.
Entscheidend ist allerdings zum Anderen der klare und gleichmäßige Klang, der dieser Live-Aufnahme nunmehr eine natürliche Atmosphäre verleiht. Endlich konnten alle solistische Darbietungen im entscheidenden Moment in den Vordergrund rücken, obwohl sich die Instrumente zum Zeitpunkt der Aufnahme womöglich von den Aufnahmemikrofonen wegbewegt hatten.
Gebannt horcht der Jazz-Connaisseur demzufolge bis zum verlängerten Schlussstück ´11/8´ zu, in dem Andrew Hill legitimerweise seine Musik anpreist: “Ich hoffe, Sie haben etwas gehört, das Ihnen gefallen hat. Wenn ja, erzählen Sie der Welt von uns.”