MARILYN MANSON – Holy Wood (In The Shadow Of The Valley Of Death)
2000 (Interscope) - Stil: Industrial Rock/Alternative Metal/Gothic Rock/Noise Rock/Experimental
Ich muss gestehen, dass ich bis vor kurzem kein allzu großer Freund von MARILYN MANSON gewesen bin. Sein viel zu dick aufgetragenes Shocker-Image in den 90ern wirkte auf mich einfach nur lächerlich, und von seiner Musik waren mir lediglich ein paar Stücke aus David Lynchs ´Lost-Highway´-Soundtrack bekannt, und natürlich die ganzen Hit-Singles, die in seiner Blütephase vor allem auf MTV eine hohe Präsenz hatten.
Seine Musik war für mich eine bloße Randnotiz, die ich jedenfalls nicht mehr weiterverfolgt hatte, bis ich mich im letzten Monat im Zusammenhang mit der Review seines aktuellen Studioalbums zum ersten Mal auch etwas genauer mit ihm befasste.
Die für mich höchst fragwürdige Me Too-Abrechnungslawine, die da in den letzten Jahren auf den Künstler eingebrochen ist, interessiert mich jedenfalls bei der Analyse seines musikalischen Schaffens überhaupt nicht, und der Review-Boykott seitens der etablierten Presse für ´One Assassination Under God´ hat mich sogar ein gutes stückweit sprachlos gemacht, etwas derartiges hatte ich jedenfalls bis dahin noch nicht erlebt.
Marilyn Manson sind Kontroversen sicherlich nicht fremd, und es war zweifellos einer der einschneidendsten Momente seiner Karriere, als die Medien seine Musik mit dem Massaker an der “Columbine High School” 1999 in Verbindung brachten.
Tatsächlich mochten die Teenager die Musik der Band aber gar nicht, und sie waren sicherlich viel eher von der Massenunterhaltung und der generell dysfunktionalen Kultur in den U.S.A. beeinflusst, als von einem vermeintlich diabolischen Rockerverbund – mit Manson war ein Sündenbock gefunden, genauso wie heute eben auch.
Manson (mit bürgerlichem Namen übrigens Brian Hugh Warner) nahm sich die Prüfung zu Herzen, schloss sich drei Monate lang in seinem Haus ein und verfasste eines der wohl bedeutendsten Konzeptalben des neuen Jahrtausends, nämlich den dritten Teil seiner in umgekehrter Reihenfolge veröffentlichten Trilogie, zu der auch ´Antichrist Superstar´ (1996) und ´Mechanical Animals´ (1998) gehören, und er übernimmt auf ´Holy Wood (In The Shadow Of The Valley Of Death)´ die Figur des Adam als hedonistische Berühmtheit, die Gewalt, Märtyrertum und Heldenverehrung fördert.
Oftmals entsteht die bedeutungsvollste Kunst aus dem größten Schmerz, und die extrem finstere, grüblerische, raue Qualität von ´Holy Wood´ spiegelt genau dies zweifellos auch wider!
Dunkle, düstere Sepiabilder von Manson als christusähnlicher Figur zieren das Albumcover und natürlich waren eine der Stärken von Manson schon immer seine zum Nachdenken anregenden Texte, wobei ´Lamb Of God´ beispielsweise die Rolle der Märtyrerfigur in den U.S.-amerikanischen Medien am Beispiel von John Lennon, Jesus und John F. Kennedy untersucht.
Musikalisch kombiniert das Album meisterhaft die Selbstbeobachtung und den Groove vom glamourösen ´Mechanical Animals´ mit dem rauen Industrial-Sound von ´Antichrist Superstar´.
Stücke wie ´Born Again´, ´Disposable Teens´ oder ´The Death Song´ bieten eine geradezu hymnische Qualität, wohingegen ´Burning Flag´ und ´Cruci-Fiction In Space´, mit den verzerrten Gitarren und methodischen Industrial-Drums, die charakteristische Schwere von ´Antichrist Superstar´ transportieren.
´Holy Wood´ signalisierte auch eine entscheidende Weiterentwicklung im Sound von MARILYN MANSON und enthielt mehr akustisch geprägte Rock´n´Roll-Songs sowie Gothic Rock, was in seinem folgenden Katalog mit ´The Pale Emperor´ oder eben dem aktuellen Album eine noch größere Soundfläche einnehmen sollte. Gute Beispiele sind hierauf ´In The Shadow Of The Valley Of Death´, ´Coma Black´ und ´The Fall Of Adam´.
Obwohl die Chancen schlecht standen, kehrte Manson anno 2000 mit ´Holy Wood´ in starker Verfassung zurück, und es ist vor allem auch voll an sozialen Botschaften, die selbst die konservativsten Christen zum Nachdenken hätten anregen sollen.
Wenn man sich das Album nun fast 25 Jahre später anhört, hat es den Test der Zeit jedenfalls definitiv bestanden, da seine Themen immer noch aktuell sind und seine musikalische Darbietung genauso kraftvoll ist wie eh und je!
(Klassiker)
Favorites: ´The Love Song´, ´The Fight Song´, ´Cruci-Fiction in Space´, ´A Place In The Dirt´, ´Burning Flag´