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DR. JOHN – Gris-Gris

1968/2024 (Analogue Productions/Atlantic 75 Series) – Stil: Psychedelic Funk, Swamp Rock, New Orleans R&B

Malcolm John Rebennack entwarf in den Sechzigerjahren ein Bühnenkonzept mit dem Hauptcharakter “Dr. John”, beruhend auf einem angeblich senegalesischen Prinzen und Kräuterdoktor namens Dr. John Montaine aus New Orleans mit 15 Frauen und über 50 Kindern.

Das Vorhaben war eng mit dem Leben in New Orleans verbunden, vor allem mit den Mythen des “New Orleans Voodoo”. Die “Voodoo-Szene” von New Orleans, die Gris-Gris hieß, versuchte er mit diesem Bühnenkonzept zu bewahren.

Letztlich schlüpfte Malcolm John Rebennack selbst in die Rolle des “Dr. John, The Night Tripper”, da der New Orleanser Sänger Ronnie Barron diese nicht annehmen wollte, und feierte den Voodoo-Zauber mit Kostümen und Rhythm & Blues samt Psychedelic Rock á la New Orleans.

Alle Musiker und Mitwirkende des Debüts ´Gris-Gris´ kamen aus New Orleans, das sie in der von Sonny & Cher nicht genutzten Aufnahmezeit in den “Gold Star Studios” von Los Angeles aufnahmen. Er fragte sogar die Voodoo praktizierenden Reverend-Mothers um Erlaubnis für seine musikalischen Beschwörungen und Rituale. Darüberhinaus wiesen sie ihn ein, mit Pflanzen zu heilen, und er half ihnen, ihre Kirche im Bundesstaat zu legalisieren.

Dr. John brachte echte Voodoo-Zeremonien in das Showgeschäft und ließ seine gesegneten Mitmusiker in Indianer-Pelzanzügen auftreten. Ein großer Erfolg war ihm anfangs nicht beschieden, doch im Laufe der Jahre und Jahrzehnte fand der Kult um Dr. John eine immer größere Anerkennung.

Daher erscheint ´Gris-Gris´ auch derzeit zum 75-jährigen Jubiläum von „Atlantic Records“ wieder auf Vinyl.

Dem haben sich „Analogue Productions“ angeschlossen und veröffentlichen die Scheibe ihrerseits auf einem 180g schweren Doppel-Vinyl mit 45 rpm, natürlich gepresst bei „Quality Record Pressings“, vom analogen Original-Masterband von Ryan K. Smith gemastert, in einem wunderbar dicken Tip-on Gatefold Double-Pocket Jacket.

Die bekannte Zusammenarbeit von „Acoustic Sounds“, „Analogue Productions“ und „Quality Record Pressings“ führt zu diesem legendären Sound, der die Pressung besser als jede andere zuvor klingen lässt und den Zuhörer unverfälscht und authentisch direkt in den Voodoo-Zauber hineinversetzt.

Mitternacht, die Turmuhr schlägt. Inmitten des Sumpfgebiets ist Dr. John ein Hohepriester und Wegelagerer zugleich. Die Atmosphäre ist rauchig, sie ist unheilvoll und makaber. Der König des Sumpfgebietes setzt mit mystischen Klängen zur Rundum-Hypnose an. Dr. John stellt sich in ´Gris-Gris Gumbo Ya Ya´ als “Night Tripper“ vor, der Drachenblut und geheimen Sand für alle Eventualitäten dabei hat. Der Voodoo-Zauberer prahlt mit seinen Begabungen und Kräften. Zu bedrohlichen Trommeln, Mandolinen, Blues-Mundharmonika singt ein wogender Chor aus dem Sumpfgebiet.

Nicht mehr gar so schaurig ist die Atmosphäre, wenn die Formation zum Tanz aufspielt. ´Danse Kalinda Ba Doom´ tönt südländisch oder beinahe orientalisch. Die Frauenstimmen singen zur Mandoline, Gitarre und Flöte, zu Glocken, Congas und Trommeln. Ein unwahrscheinlich mitreißender Groove entwickelt sich hingegen im luftigen ´Mama Roux´ von einem Cajun zu einem Nola-Rhythm and Blues, um die Medizinfrau zu begrüßen. Sogleich versetzen die Mandoline und die Hintergrundgesänge den Zuhörer in ´Danse Fambeaux´ gemächlich in Trance.

Zu später Stunde tanzen bereits die Tiere und Geister im Bayou. Die Musik flieht in ´Croker Courtbullion´ durch barocke als auch jazzige Tonfolgen. Beschwörungen und Gesänge ertönen zu Cembalo, Gitarrensaiten, Flöten und Klarinetten. Plötzlich schwenkt die Stimmung in ´Jump Sturdy´ zu einer fröhlichen und aufgedrehten um, da Dr. John von einer Närrin mit eben jenem Namen erzählt.

Bis hierher entwickelten sich alle Kompositionen auf den großen Abschluss ´I Walk On Guilded Splinters´ zu. Von aller Welt nachgespielt, kommt der “Night Tripper” in dieser finalen Komposition samt seiner Voodoo-Königinnen zurück. Dr. John hat zur schamanischen Stimmung mit Congas und Tomtoms einige Zaubersprüche mitgebracht, spricht englisch und französisch. Geister, Tiere und Menschen stehen mitten im Bayou dabei und hören den Blues, Funk und durchgeknallten R&B, werden von einem Lied gefangen genommen, das schon Cher, Humble Pie, Allman Brothers Band, Paul Weller und Jello Biafra in ihr Repertoire aufgenommen hatten und einen zentralen Einfluss auf ´Sympathy For The Devil´ der Stones hinterließ.

Das ist Voodoo, das ist Gris Gris.

(Klassiker)

https://www.facebook.com/DrJohn

 

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