SILVERSHIPS – Kingdom Of Decay
2024 (Tonzonen Records/Cargo Records) - Stil: Stoner Rock
Mal sehen, was die Hamburger können. Ich arbeite da, zuweilen sogar in der Markthalle. Meist auf Baustellen als Pförtner, Kontrolletti und Wachmuckel. Vorher als Bandbooker. Ab und an geh ich meinen Freund Tunc besuchen, einen Kraningenieur aus Istanbul, der 21 Jahre jünger ist und mit seinem norddeutschen Humor doch ganz auf meiner Wellenlänge surft. Platt muss man ihm noch beibringen. Oder ich sehe meine Tochter, wenn ihre missratene Mutter mich lässt. Und ab und zu verleitet mich eine Kapelle dazu, ein Konzert zu besuchen. Am liebsten kleine Schuppen, Hafenklang oder Bambi Galore.
Was hat das mit SILVERSHIPS zu tun? Nun, meine Liebe zu dieser hässlichen Halbkloake von Großstadt ist eher schizophrener Natur. Aber sie speit zuweilen Musik aus, die einen recht leicht in ihre Fänge bekommt und einwickelt. Die genannte Kapelle hat da doch etwas, das mich verführt. Bei aller Liebe höre ich täglich sehr viel Musik und das seit 35 Jahren als Sammler. 1989. Jetzt bin ich 50 und hab 6.000 Alben als Platte und CD daheim. So einfach mache ich es Euch nicht. So grau wie mein Bart ist doch sämtliche Rockmusik, wenn sie denn noch auf meiner Wellenlänge reitet. Und die Boys hier, sicher im Alter potentieller Söhne meinerseits, erfinden einfach mal GAR NICHTS neu. Aber, wie mein noch älterer Kamerad E.D. Schu auf Facebook mal zu mir sagte, das müssen sie nicht. Sie müssen ein Genuss sein, dann sind sie gut.
Die vier Songs der Mini LP haben für mich dieses Kriterium erfüllt. Die Stimmung ist sehnsuchtsvoll, dunkel, verwegen, mystisch. Im Beipackzettel stand was vom Soundtrack zum nie gedrehten Film. Das kommt hin. Uma Thurman als jüngere Frau, irgendwo in einer Bar in der Wüste, komplett verlebt und verwohnt, dennoch mit einer glühenden Lebensliebe im Blick, das wäre ein sich mir aufprägendes Bild. Und so lausche ich aggressiven Riffs, melancholischen Vocals, wabernden cleanen Gitarrenläufen, tosenden Rhythmen. Ekstase, Hingabe, was fällt mir noch ein? Sie sind 90er US Nordwestgrunge und sie sind Wüstenrock, etwas zackiger, bissiger als die 70er Vorbilder und in den Gesangsmelodien eindringlicher als die Grungehelden. Sogar ein finsterer Mellotronpart ist dabei. Für die Band ginge ich sogar abends nach getaner Arbeit noch ins Hafenklang und rockte lustvoll zu dem Brodelsound. Besonders ihr ´Nevermore´ Song hat mich mit einigen tief berührenden Melodien und Gesangslinien.
Das ist fantastische Musik, die einmal die komplette US Westküste beackert. Auch wenn die Kapelle in der Elbemetropole unweit der Elbphilharmonie verbleibt.
(8,5 Punkte)