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CHARLES MINGUS – Pithecanthropus Erectus

1956/2024 (Analogue Productions/Atlantic 75 Series) – Stil: Jazz

Dem US-amerikanischen Jazz-Kontrabassisten Charles Mingus gelang 1956 mit seinen innovationsfreudigen Mitmusikern der Durchbruch. ´Pithecanthropus Erectus´ war das erste Werk, bei dem seine Mitmusiker, Altsaxophonist Jackie McLean, Tenorsaxophonist JR Monterose, Pianist Mal Waldron und Schlagzeuger Willie Jones, die Kompositionen von ihm nach Gehör einstudierten.

Die “Jazz Composers Workshops” hatten Charles Mingus drei Jahre zuvor bereits gelehrt, dass sich insbesondere der Jazz gänzlich von ausgearbeiteten Partituren lösen müsste. Er suchte mit seinem ersten Album für das Label “Atlantic Records” den Jazz als Kunstform zu erheben, er suchte trotz jeglicher Jazztradition, neue Wege und Ausdrucksformen zu beschreiten und war als Avantgardist seiner Zeit voraus. Ebenso versuchte er sich fortan auch an langen Kompositionen, wie die Lieder ´Pithecanthropus Erectus´ über zehn und ´Love Chant´ über fünfzehn Minuten bezeugen.

´Pithecanthropus Erectus´ erscheint derzeit zum 75-jährigen Jubiläum von „Atlantic Records“ im echten Goldstandard auf Vinyl.

Denn „Analogue Productions“ haben sich dem Jubiläum angeschlossen und veröffentlichen die Scheibe ihrerseits auf einem 180g schweren Doppel-Vinyl mit 45 rpm, natürlich gepresst bei „Quality Record Pressings“, vom analogen Original-Masterband von Kevin Gray gemastert, in einem aufklappbaren, massiven und glänzenden Gatefold Pocket Jacket.

Die bekannte Zusammenarbeit von „Acoustic Sounds“, „Analogue Productions“ und „Quality Record Pressings“ führt zu diesem fantastischen Sound, der diese Pressung gegenüber den bislang bekannten zweifellos herausragend cool tönen lässt. Schließlich klang ´Pithecanthropus Erectus´ noch nie so aussagekräftig und sah in seinem Gatefold Double Pocket Jacket noch nie so hochwertig aus. 

Der Titelsong ´Pithecanthropus Erectus´ soll auf Seite A die Evolution des Menschen darstellen, von der „evolution“ zum „superiority complex“ sowie dem heutigen „decline“ und „destruction“. Die zehnminütige Komposition wirkt hypnotisch und wird vom düsteren Bass getrieben. Erste Saxophon-Klänge durchbrechen allerdings die friedvolle Landschaft. Altsaxophon und Tenorsaxophon wechseln sich im Vorspielen ab oder konterkarieren sich gegenseitig auf Free-Jazz-Art. Die Intensität des musikalischen Ausdrucks ist spürbar.

Die Seite B heißt ´A Foggy Day´ und zeigt sich auf den Spuren von George Gershwins ´A Foggy Day (In London Town)´ aus dem 1937er Film “A Damsel in Distress” äußerst verspielt. Denn der Sound des auch ´A Foggy Day (In San Francisco)´ betitelbaren Stückes wird von Hupen und Klingeln, Pfeifen und Geklimper ausgefüllt. Aus diesem Nebel und somit aus einer dröhnenden Klanglandschaft, natürlich von Charles Mingus’ grollendem Bass angeführt, kommen trotz aller, mit der Zeit nachlassenden Soundeffekte einige erquickliche Momente zum Vorschein. Das Hupen und Krachen formiert sich dann ein letztes Mal zum Finale.

Die kürzeste Komposition des Werkes ist die dreiminütige Ballade ´Profile Of Jackie´ auf Seite C, die von Mal Waldrons Piano und den beiden Saxophonen durch erlesene Melodienfolgen geführt wird. Saxophonist Jackie McLean zelebriert geradezu sein Solo, während sich Charles Mingus selbstverständlich durchgehend am Bass verlustiert.

Die längste Komposition ist hingegen das beinahe fünfzehnminütige ´Love Chant´ auf Seite D, wobei in jenen Tagen des Jazz noch gar noch so viele solcher Epen existierten. Die Klaviermelodie führt die Komposition übergangslos von einer Etappe zur nächsten. Erst agiert das Quintett in ruhigeren und perkussiven Soundlandschaften, die immer wieder von den Saxophonen angehimmelt werden. Dann lassen sie schwungvoll immer mehr Temperament einfließen, um letztlich ohne großen Schlussakt Instrument für Instrument von der Komposition abzulassen.

Von dem avantgardistischen Wegbereiter, dem Titelsong ´Pithecanthropus Erectus´ bis zum meisterhaften Epos ´Love Chant´, Charles Mingus schuf mit diesem 1956er Geniestreich einen echten Meilenstein.

(Klassiker)

Charles Mingus – Bass
Jackie McLean – Altsaxophon
JR Monterose – Tenorsaxophon
Mal Waldron – Klavier
Willie Jones – Schlagzeug

https://www.facebook.com/charlesmingus

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