MARILYN MANSON – One Assassination Under God – Chapter 1
2024 (Nuclear Blast) - Stil: Alternative Metal/Gothic Rock/Industrial/Dark Wave
Marilyn Manson war schon von jeher ein Widerspruch in sich, und ein Künstler, dessen größte Stärke sich durch seine Unberechenbarkeit zeigte. Er lebte viele Jahre lang vom und im Chaos, sowohl auf und auch jenseits der Bühne, und seine Drogenexzesse, seine turbulenten Beziehungen und die zunehmend inkonsistenten Live-Auftritte wurden ebenso Teil des Mythos wie seine Musik selbst.
Manson lebte seine Kunst im Guten wie im Schlechten in Echtzeit, wobei die letzten Jahre allerdings anders waren, und nach den schweren persönlichen Anschuldigungen und öffentlichen Kontroversen, verschwand er schließlich in einer scheinbar karrierebeendenden Pause – der Vorhang für den “Antichrist-Superstar” schien gefallen.
Der ursprünglich aus Ohio stammende Singer/Songwriter, Schauspieler, Maler und Autor gibt nun mit seinem mittlerweile 12. Studioalbum sein Debüt bei „Nuclear Blast“, und es wirkt so, als wolle er sich als Figur neu interpretieren, wesentlich konzentrierter und nüchterner.
Jüngere Werke wie ´The Pale Emperor´ und ´Heaven Upside Down´ deuteten zwar bereits auf eine Art neue Reife hin, verfielen aber oft in bekannte Schocktaktiken, die nicht mehr ganz dem Alter des Künstlers und der sich verändernden Kulturlandschaft entsprachen.
´One Assassination Under God´ fühlt sich nun an wie der Höhepunkt all dessen, womit er sich seit Jahrzehnten auseinandersetzt, ein Album, das Dunkelheit und Schönheit eben mit dieser Reife in Einklang bringt, von der wir bisher nur flüchtige Einblicke hatten – und es ist eine nahtlose Mischung aus den filmischen Dark Wave-Anleihen des vorangegangenen Materials mit der rohen, emotional aufgeladenen Energie seiner Frühwerke.
Die Produktion von Manson und Tyler Bates schöpft dabei vor allem aus dem Alternative Rock/Metal, Industrial, Dark Wave und Gothic, wobei das Songwriting uns sowohl qualitativ wie stilistisch größtenteils in die 90er zurückversetzt.
Im Gegensatz zum ungleichen Flickenteppich vieler anderer Werke des Künstlers wirkt ´One Assassination Under God´ sorgfältig konstruiert, der Gesamtsound ist reichhaltig und vielschichtig und tendiert oftmals in die grüblerische Melancholie des Dark Wave, behält aber genug von seinem typischen Knurren bei.
Für all diejenigen unter uns – und hier gehöre ich zweifellos dazu – die Manson hauptsächlich von der Seitenlinie aus betrachtet haben, bietet ´One Assassination Under God´ etwas, womit man sicherlich nicht mehr gerechnet hätte, nämlich eine Rückkehr zur alten Form.
Das Album strahlt eine neue Klarheit und Energie aus, die zweifellos von einer neu gewonnenen Nüchternheit getragen wird – wie das Abstreifen einer alten Haut, um etwas Dunkleres, Schärferes und überraschenderweise auch etwas Menschlicheres zu offenbaren.
(8 Punkte)