PlattenkritikenPressfrisch

FARO – Nu-Man

2024 (Andromeda Relix) – Stil: Dark Emotional Progressive Rock / Metal

Pescara an der wunderbaren Adria – etwa in der Wadenmitte des italienischen Stiefels gelegen – hat nach einer turbulenten Geschichte über die Jahrhunderte aufgrund seiner strategisch günstigen Lage auch heute noch Einiges zu bieten – von seiner Bedeutung als Bade- und Winterkurort über die mehr als 20 km langen Strände, Fischerbootstourismus, das Fischerfest im Hafen bis hin zum alljährlichen, internationalen Jazz (jawoll, Chef!) Festival.
Da stellt sich nur eine Frage: warum machen FARO diese fantastische, aber tieftraurige Musik?

Lie, your life is a lie
Your house is a jail
Away from your paradise
Time, you look for more time
Your brain is a cage
You wish another life

FARO konnten mich schon 2020 mit dem Vorgänger ´Luminance´ vollends überzeugen und bestehen im Kern aus Gitarrist Angelo Troiano und Sänger Rocco De Simone, die auch beide die Keys bedienen und auf ihrem dritten Longplayer durch Giacomo Pasquali am Bass und Andrea Giovannoli am Schlagzeug unterstützt werden.

Glücklicherweise hat sich beim Material von FARO so gut wie nichts geändert, was ausnahmsweise zur absoluten Freude Anlass gibt, denn das letzte Album war dermaßen perfekt, dass glücklicherweise nur minimal an den Setzschräubchen gedreht wurde, was bedeutet, dass wir auch 2024 ein perfektes Herbstalbum für die sentimentalen Momente im Leben goutieren dürfen.

Unknown love
Separated but inseparable
We will meet in another life
Under a velvet sky

Daher wiederhole ich mich nicht und verweise bei den beliebten Bandvergleichen dieser kaum vergleichbaren Band auf das 2020er Review, damit können wir uns die Bombardierung mit Gruppennamen sparen, die lediglich die Geschmacksknospen öffnen sollen. Denn FARO spielen wieder einmal in ihrer eigenen Liga, die zumindest von der Qualität her auf dem dramaturgischen Level von KATATONIA, PAIN OF SALVATION oder ANATHEMA angesiedelt ist.

War das einzige Manko von ´Luminance´ lediglich die Tatsache, dass nach 8 Songs Feierabend war, nehmen FARO dich dieses Jahr 14 mal mit in die düsteren Sphären der wunderschön-harmonischen, dramatischen Melancholie. Dafür muss erneut mein geliebtes Bild herhalten: Das ist feinster Honig für die Ohren, egal ob nackt mit Kaia auf dem Bärenfell vorm heimischen Kaminofen oder alleine im Wald mit der Stereoanlage deiner Träume, die das Rattern des Dieselgenerators vergessen lässt.

We believed in a perfect world
When they swore they wold save us all
But no one thought for themselves
We are Pharaoh’s new slaves

Someone is deciding for us
What is good and what is the bad
The new Humanism

Der Stimme von Rocco wohnt eine unheimlich angenehme, weiche Art Wohlfühlfaktor inne, sodass diese auf den herbstlichen Organismus irgendwo zwischen entspannend und beschwörend wirkt. Seine fließenden Melodielinien scheinen aus der Zeit der New Romantics zu kommen, als Bands wie DURAN DURAN, MR. MISTER oder TALK TALK (FARO FARO wäre auch ein guter Bandname gewesen, hehe) die Massen mit “echten” handgemachten Hits begeisterten, die man so heutzutage im Radio nicht mehr hört.

Dazu verstärkt die Musik diese tiefen Emotionen, verwässert oder verweichlicht jedoch in keinem Moment. Das ist der Doom des alternative Prog Rock ohne in einem eng gesteckten Korsett zu verdorren. Ein Flow, der dennoch Spannungsmomente kreiert und stetes aufregend und packend bleibt. Auch die Worte tragen ihren Teil dazu bei, aus diesen 14 Songs ein Gesamtkunstwerk zu machen. Im Mittelpunkt steht der Mensch mit all’ seiner Verletzlichkeit, seinen Sehnsüchten und Wünschen und der Utopie einer Gesellschaft, die kein Leid mehr erfahren muss, was uns wiederum zum Thema Mensch-Maschine, Digitalisierung und der Abschaffung unserer Emotionen bringt.

In the new world there will be no death or suffering
History will be erased
The man, like the machine

A new human race will be born
Man without feelings, devoid of emotion
Without a soul, without a soul
So they will not be able to suffer

Ein Album wie geschaffen für die letzten Monate des ausklingenden Jahres, das ebenso glücklich macht als auch sehnsüchtige Gedanken und Reflektionen zulässt. Ich kann nur hoffen, dass sich viele Musikfreunde anstecken lassen und den ´Nu-Man´ so intensiv fühlen, wie er ersonnen wurde. Wir werden diesem Album gegen Ende des Jahres bei unserer Rückschau auf alle Fälle noch einmal begegnen und bis dahin entlasse ich euch mit fünf Zeilen, die den persönlichen Verlust eines lieben Menschen herzzerreißend beschreiben.
Welcome back in the company of the best Albums 2024, FARO!

Today is your birthday
You’re not in the family photo
I spent hours counting
Your pages, most of them were empty

Lonely with my thoughts, I cry

facebook.com/faroprogband

bandcamp.com/album/nu-man

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"