PlattenkritikenPressfrisch

UDO LINDENBERG – CasaNova (English Version)

1988/2024 (Polydor) - Stil: Rock

Udo Lindenberg nahm in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre zwei englischsprachige Alben auf. ´I Don´t Know Who I Should Belong To´ erschien 1987 entsprechend zum deutschsprachigen Longplayer ´Phönix´ aus dem Jahr 1986. ´CasaNova´ erschien hingegen 1988 vorerst nur als deutschsprachiges Album, während sein englisches Pendent unveröffentlicht blieb und erst in einem 2018er Boxset das Licht der Öffentlichkeit erblickte.

Aktuell werden die beiden englischen Alben ´I Don´t Know Who I Should Belong To´ und ´CasaNova´ allerdings endlich auf Vinyl in einer jeweils limitierten Auflage von 1.000 Stück frisch veröffentlicht, letzteres auf schönem, transparentem Vinyl wie es in den Achtzigerjahren eher selten vorkam.

Denn die Achtzigerjahre sahen neben Musik-Kassetten und Vinyl-Schallplatten Popper und Punker auf den Straßen, es gab reichlich Dauerwelle und Vokuhila, Karottenhosen und Jeanshemden, Stirnbänder und weiße Tennissocken, Cowboystiefel und Neonfarben.

Die Achtzigerjahre waren eine verrückte Zeit. Udo Lindenberg feierte sein zehntes Bühnenjubiläum und überraschte bei den Alben ´Odyssee´ und ´Götterhämmerung´ mit Disco- und Funk-Elementen. Seinem Panikorchester gefiel mittlerweile weder die musikalische Marschrichtung, die mit Show-Effekten beladenen Bühnenauftritte, noch Udo Lindenbergs potenzierter Alkoholkonsum, so dass eine Trennung unvermeidbar war.

Dementsprechend nahm Udo Lindenberg das Studioalbum ´CasaNova´ in London auf, überwiegend mit Balladen und wollüstigen Erzählungen angereichert. Die deutsche Fassung des Albums erschien im November 1988, während die englische Version, aufgenommen und unveröffentlicht, jahrzehntelang in den Archiven von „Universal Music“ ruhte.

Im Gegensatz zu ´I Don´t Know Who I Should Belong To´ war die englische Version von ´CasaNova´ eine eins zu eins Umsetzung der deutschen Lieder. Bei der deutschen und englischen Fassung war zudem Nina Hagen im Hintergrund bei ´Die Klavierlehrerin´ und ´Airport (Dich wiederseh’n…)´ sowie in ´Vopo´ mit Udo Lindenberg zu hören.

Meistens singt Udo Lindenberg auf ´CasaNova´ von der Liebe. Allein in ´KGB´ und ´Vopo´ ist der politische Hintergrund der Achtzigerjahre wieder im Spiel, so wie er bei ´I Don´t Know Who I Should Belong To´ beinahe fortwährend eine wichtige Rolle bekleidete, ohne jemals an den ein Jahr später eingetretenen Fall der Berliner Mauer zu denken.

Hier sieht sich der 42-jährige Udo Lindenberg längst als alten Mann, der in ´Dirty Old Man´ auf seine jugendlichen Unzulänglichkeiten zurückblickt. Denn die Frauen haben Udo Lindenberg in jedem Lebensalter fest im Griff. Selbst die ´Piano Teacher´in sitzt bei ihm in jungen Jahren fest im Sattel.

Bittere Tränen laufen hingegen in ´Airport´ bei einem scheinbaren Abschied für immer die Wangen hinunter und die innere Unruhe wächst, wenn in ´Jealousy´ die Geliebte der letzten Nacht nicht zurückruft.

Udo Lindenberg singt eine Ode an die ´Women´, nimmt dennoch tränenreich von der großen Liebe in ´Goodbye Sailor´ Abschied und schwört in ´If You Were My Child´ Tochter, Schwester oder Mutter auf Ewig zu beschützen.

Besonders Menschen, die ´CasaNova´ bislang nur auf einer kopierten Musik-Kassette im Walkman durchgenudelt haben, ohne dass sie unbedingt aus jenen Tagen die mehrteiligen Filmreihen “Eis am Stiel”, “La Boum” und “Zurück in die Zukunft” gesehen haben, sind bei diesem schönen transparenten Vinyl in Zugzwang.

https://www.facebook.com/UdoLindenberg

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"