PlattenkritikenPressfrisch

UDO LINDENBERG – I Don’t Know Who I Should Belong To

1987/2024 (Polydor) - Stil: Rock

Udo Lindenberg nahm in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre zwei englischsprachige Alben auf. ´I Don´t Know Who I Should Belong To´ erschien 1987 entsprechend zum deutschsprachigen Longplayer ´Phönix´ aus dem Jahr 1986. ´CasaNova´ erschien hingegen 1988 vorerst nur als deutschsprachiges Album, während sein englisches Pendent unveröffentlicht blieb und erst in einem 2018er Boxset das Licht der Öffentlichkeit erblickte.

Aktuell werden die beiden englischen Alben ´I Don´t Know Who I Should Belong To´ und ´CasaNova´ allerdings endlich auf Vinyl in einer jeweils limitierten Auflage von 1.000 Stück frisch veröffentlicht, auf schönem, rotem Vinyl mit Poster wie in den Achtzigerjahren.

Denn die Achtzigerjahre erlebten neben Musik-Kassetten und Vinyl-Schallplatten eine Null-Bock- und Nintendo-Generation, sahen Popper und Punker auf den Straßen, waren anfangs musikalisch erfüllt von einer New Wave und einer Neuen Deutschen Welle.

Die Achtzigerjahre waren zudem eine hochpolitische Zeit. Udo Lindenberg veröffentlichte daher 1981 die Single ´Wozu sind Kriege da?´ und 1983 das Lied ´Sonderzug nach Pankow´. 1983 trat er im “Palast der Republik” in Ost-Berlin auf und 1985 in Moskau, doch seine Tournee durch die DDR wurde 1984 kurzfristig abgesagt. Es war die Zeit des NATO-Doppelbeschlusses, der die Aufstellung von Mittelstreckenraketen mit Atomsprengköpfen in Westeuropa bedeute, und der Großdemonstrationen gegen diese Raketenstationierungen.

Dementsprechend konnte sich Udo Lindenberg auf ´I Don´t Know Who I Should Belong To´ politischen Themen ganz und gar nicht verschließen. Er residierte damals im Berliner “Hotel Intercontinental” und das Leben an und mit der Mauer ließ ihn ebenfalls nicht zu Ruhe kommen.

Also schrieb er Lieder wie ´Americans In Europe´ oder ´Germans´ und machte seine Scherze über amerikanische Touristen sowie über die eigenen Landsleute, ohne für die einen (“all your nasty rockets, you can have them as a present”) oder die anderen (“and now we´re on standby for world war III”) eindeutige Botschaften zu hinterlassen. Aus den selben Gedanken gingen natürlich auch das Antikriegslied ´Say No´ sowie das Lied über einen russischen ´Spion´, im englischen der ´Spy´, hervor.

Udo Lindenberg ist jedoch meist bei den sentimentalen und besonneneren Stücken in Hochform, bei ´When The Sun Sets´ (aka ´Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt´) oder ´Horizon´ (aka ´Horizont´, der Hit im Gedenken an seine Weggefährtin/Privatsekretärin Gabi Blitz, die an einer Überdosis Drogen starb).

Wenngleich ´Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre´ als englisches Eröffnungsstück ´I Don´t Know Who I Should Belong To´ sowie die Music Hall-like Komposition ´The Night´ (aka ´Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da´, auf Deutsch in dem Album ´Hermine´ zu finden) und zum Abschluss die ´Sachliche Romanze´ (aka ´Sachliche Romanze´, ebenfalls aus dem Album ´Hermine´) im neuen, englischen Glanz richtig strahlen dürfen, ohne an die Strahlen der 1986er Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zu denken.

Besonders Menschen, die ´I Don´t Know Who I Should Belong To´ bislang nur auf Musik-Kassette im Schrank stehen haben, ohne dass sie aus jenen Tagen Ronald Reagan, Helmut Kohl und Michail Gorbatschow jemals persönlich kennengelernt haben, sind bei diesem schönen roten Vinyl in Zugzwang.

https://www.facebook.com/UdoLindenberg

 

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"