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MORK – Syv

2024 (Peaceville) - Stil: Black Metal

Brat mir doch einer einen Storch, was ist denn mit dem guten alten Black Metal-Geschrammel aus dem norwegischen Underground passiert? Wohin ist die klirrend kalte Raserei? Wohin der verwaschene Klang ohne Bass aus den tiefsten modrigsten Kellern?

MORK sind ja schon bekannt als Progressive, als solche, die nicht beim Guten verharren, bis es eben nur noch vielfach aufgekochte Altgrütze ohne Nährwert ist. Sie erfinden wohl das Rad nicht neu, aber sie schreiben Songs mit Köpfchen und einem hohen Wiedererkennungswert. Und sie sind schnell. Seit dem hervorragenden ´Dypet´ ist nur ein Jahr vergangen. Schon nehmen sie uns wieder auf eine Reise in die Tiefen der Dunkelheit mit.

Das sphärische Keyboard und Gitarrenintro ist ja noch normal düster. Das wogende Gitarreninferno mit diesem klirrenden, aber sauber wirkenden Klang und die treibende und wütende Passage danach mit dem knurrend biestigen Gesang, sind typisch. Die verhaltenen Blasts, über denen mal schmachtende Leads, mal etwas disharmonische Riffs rollen, kann man ebenfalls eindeutig zuordnen. Allein der Klang ist echt transparenter und druckvoller. Dann aber tänzelt schwungvoll frech ein verwegener Rhythmus unter ebenso verwegener Gitarre und bringt proggige Einflüsse. Dann schwelgt man kurz, bevor es in mittelschnelles, marschierendes Stampfen geht mit erneut eindeutiger Black Metal-Atmosphäre. Und wieder kommt dieser ungewöhnlich progressive Part vor einem Break, das uns dann in eine flott treibende Black Metal-Passage führt. Sie lassen das Mausen nicht, die alten Katzen, aber sie überraschen. ´I Tåkens Virvel´ bekommt die progressiv gestimmten Blackmetaller noch. Aber was dann ´Holmgang´ mit einem macht, ist unbeschreiblich. Der Rhythmus ist unglaublich wichtig und schwungvoll, die Gitarrenmelodien klingen oft wie norwegischer Kauzfolk, neben dem Gegrolle vom Sänger gibt es melodische Vocals und die nordischen Melodien stehen weiter im Vordergrund denn je. Es sind dunkle, trollige Melodien. Sehr bildhaft erscheint vor Augen eine Trollzusammenkunft, bei der die Mythenwesen alle zu den Klängen von Knochengeigen und – trommeln tanzen.

´Heksebål´ ist dann anfangs eine schwebende Rocknummer mit traumhaft schönen Melodien der Gitarre und eigenwilligen Rhythmen, bei der sich der garstige Blackmetal zwischendurch gerne zeigen würde. Es gelingt ihm zuerst nur teilweise, bis er eine mittelschnell rollende Fahrt gewinnt, die mit etwas raueren Riffs und Gefauche die alten Geister der 90er heraufbeschwört und doch immer wieder von den Zaubermelodien gepiesackt wird. Setze ich mich jetzt sehr in die Nesseln, wenn ich den diesem Song zugrunde liegenden Rhythmus als tanzbar beschreibe? Und es sind immer wieder schöne Übergangspassagen und Brücken zwischen den Hauptteilen zu hören, die gar nicht so sehr in die schwarzen Abgründe des Black Metal weisen. Sondern eine gewisse Eingängigkeit versprühen, die irgendwie schon dem klassischen Stadion Rock der 70er zu eigen war. Total schwelgerisch und zauberhaft.

´Utbrent´ zieht den Scheitel dann wieder für eine Weile gerade mit Blastbeats und vertracktem Riffing, wie es seit der zweiten MORBID ANGEL Platte 1991 kaum mehr so schön zu hören war. Die aggressiven und auch teilweise mit mystischen Melodien gespickten Gitarrenläufe abseits dieser technischen Death Metal Parts laufen eher zum klassischen Blackmetal hin und der langsam und erhaben schreitende Mittelpart bringt dem Black Metal eine epische Schlagseite. Hier wird dann auch mal mit normaler klarer Stimme gesungen.

Also, bis hierher habe ich solche Musik natürlich schon in irgendeiner Form mal gehört. Ein Freund von mir meinte, es sei sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen. Man solle versuchen, schlichtweg das Gegebene zu genießen. Tatsächlich kann ich das auch, weil gerade diese Songs bei aller Liebe zu den gegebenen Stilmitteln eine fast unnennbare erfrischende Seite haben. Weil sie doch epischer und melodischer sind. Weil die Melodien eine unglaublich tiefe und dichte Atmosphäre haben. Und einen packenden Groove.

´Med Døden Til Følge´ rollt dann am Anfang Mittel schnell und wieder typisch für norwegischen Black Metal. Die Melodien sind dunkel, erhaben, eingängig und episch. Klassisch irgendwie, aber auch nicht. Und der Song hat gewisse hymnische Momente, aber auch eine sehr raue Kante. Und wieder so erhaben schwebende Passagen. Da wird es ganz ruhig, cool, geheimnisvoll. Dann jagt der Song gleich einer von der wilden Jagd geblasenen Fanfare über den Horizont.

Der Black Metal von MORK ist nicht mehr schiere Verneinung von eben regulärer populärer Musik, sondern vielmehr eine virtuose und biestig-garstige Variante derer. Kein Wunder, dass diese Band vor einem eindrucksvollen Publikum auf dem Wacken Open Air spielt. Sie sind beileibe kein glatt gebügelter Mainstream. Sie sind eine pechschwarze und zuweilen durchaus knallharte und extreme Gruppe, die tatsächlich Black Metal, Death Metal, klassischen Hardrock, Heavy Metal und gewisse Elemente von nordischer Folklore und altem Gruftrock vereinen und in ihrer ureigenen schwarzmetallenen Spielweise darbieten.

Aber auch Geknüppel und Raserei liegen ihnen ja. ´Ondt Blod´ beginnt so herrlich rasant und klassisch für diesen Stil. Martialisches, aber schwungvolles Stampfen, wogende Momente, rollende Gitarrenläufe, Gekeife, ein paar abgedrehte Riffs, typischer Norwegen Black Metal mit rauer Oberfläche und klarem, transparenten Klang. Schöne Gitarrensoli haben sie. Dieses Stück ist natürlich das urtypischste von allen bisherigen Stücken auf diesem Album. Das ist einfach norwegischer Black Metal der etwas saubereren Art. Hier kommen wieder Erinnerungen an diverse Gruppen ihrer Zunft auf, aber trotzdem muss ich sagen, dass dieses Stück auf jeden Fall unterhaltsam ist.

Was nun aber folgt, kitzelt wieder meine Sinne ob seiner Tiefe. ´Tidens Tann´ nennt sich das Stück und fängt dunkel und ruhig mit einem Gitarrenlauf an, bevor ein melodischer, hymnisch rockender und teilweise schwelgerisch umhertanzender dunkler Heavy Metal einsetzt. Zwischendrin finden sich verschlungene, aber melodische Riffs, majestätisch schöne Leadgitarren und ergreifende Passagen. Eine Geige scheint mitzuspielen. Ich muss grad ganz abwegig an CITY ´Am Fenster´ denken, so lebendig und mit Schwung wird gespielt.

´Til Dyvende Og Sist´ hat wieder den typischen norwegischen Gitarrensound, hell, leicht klirrend und höhenlastig. Der Rhythmus tanzt im Kreise umher wie bei einem Volkstanz. Dazu passen auch die Streicherarrangements. Wie eine düstere Progressiverockvariante von norwegischer Traditionsmusik. Aber halt, dann kommt ein klassischer mittelschneller 4/4 mit dunklen Gitarrenmelodien. Gesungen wird die ganze Zeit nicht, tanzen kann man schon. Umherwirbeln, bis einem schwindelig wird, bis man umfällt und nicht mehr kann.

Aber dann kommt ´Omme´ und man träumt hinfort. Was für ein schöner Song. Sanfter, sparsam instrumentierter Kauzfolk aus Norwegen mit sanfter Stimme. Etwas Akustikgitarre, etwas Geige, der Gesang. Mehr braucht es da doch gar nicht zu genießen. So schwebe ich dann beseelt in die Ewigkeit hinein und bin einfach nur hin und weg. Ein bis zwei Momente waren hier wohl ein wenig normaler als sonst. Ein wenig mehr am Standard bzw. am gehobenen Standard des Genres. Der Rest ist schlichtweg fantastisch.

NACHTMYSTIUM haben schonmal feiste Konkurrenz. Da können sich die trendig tollen Terratur Trondheimer warm anziehen.

(9 Punkte)

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