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THIN LIZZY – Jailbreak (2024 Remix)

1976/2024 (Universal Music) - Stil: Hard Rock

Begleitend zum Boxset ´1976´ wird das 48-jährige Jubiläum der beiden Alben ´Jailbreak´ und ´Johnny The Fox´ von 1976 gefeiert, in dem es von beiden Alben einen “New 2024 Remix” gibt. ´Jailbreak´ und ´Johnny The Fox´ sorgten 1976 für Furore – gerade auch in den USA. Nach langer Durststrecke startete die Band mit den beiden Alben erst in UK und Irland und dann weltweit durch. Ich will nicht noch einmal die Geschichten der verpassten Gelegenheiten in den USA wiederholen. Das ist sowieso passé und hier auch fehl am Platz.

´Jailbreak´ wurde als Vinyl in grau veröffentlicht mit einem variierten Covermotiv von Jim Fitzpatrick. Leider wurde das Album schon zweimal in grau veröffentlicht. 2011 im Rahmen der “Back On Black”- Veröffentlichungen und 2019 von Universal selbst. Eine andere Farbe wäre auch für den Sammler nett gewesen. Aber das ist nicht das einzige Beispiel an einer fehlenden Strategie auf Seiten der Plattenfirma und der beteiligten Erben (Phil Lynotts Familie, Scott Gorham). Auch bei der Ausstattung haben sich die Beteiligten wenig Mühe gegeben. Die beiden Veröffentlichungen schließen an die  Record Store Day Veröffentlichungen an. Das heißt Fotos von Singles und ein wenig mehr. Als Hülle für die Platten hat man ähnlich wie bei den “Back On Black”- Veröffentlichungen auf Studioskripte zurückgegriffen.

Anders als bei den RSD-Veröffentlichungen von ´Chinatown´ und ´Black Rose´ vor einigen Jahren, gibt es kein gestanztes Cover (wäre bei Preisen zwischen 29 und 33 Euro wahrscheinlich zu teuer, obwohl die vorher genannten Doppel-LPs waren). Bei ´Jailbreak´ nicht das bekannte ausgestanzte Cover, sondern ganz einfach gedruckt. Das variierte Motiv von Jim Fitzpatrick ist cool wie immer. Zumindest gibt es noch ein “Gatefold-Cover” für den hohen Preis. ´Jailbreak´ ist im übrigen überall immer ein paar Euro teurer als ´Johnny The Fox´. Dafür gibt es absolut keinen Grund. Ist wohl der Top-Aufschlag für LIZZYs bekanntestes Studioalbum. Unglaublich.

So genug geärgert, oder? Lieber jetzt zum musikalischen Inhalt. Wie ist der neue Remix, der als Hauptargument für die Wiederveröffentlichung ins Feld geführt wird (und auch auf der Box wie eine remasterte Version enthalten ist)? Der Remix wurde von Richard Whittaker erstellt. Genau der, nein, nicht der Roger. Richard Whittaker ist ein Londoner Bassist und macht vor allem viel mit “Atmos”, das ist ein “Immersives Audio”, auf Blu-ray veröffentlicht. Zum Beispiel mit THE WHO. Oder auch auf der Box. Leider (oder gottseidank) habe ich keinen Blu-Ray-Player. Scott Gorham hat das Remix (scheinbar) überwacht (war wahrscheinlich mehr mit seinem neuen Hobby Malerei beschäftigt) und von Andy Pearce wurde es gemastert.

Ich habe mir die Mühe gemacht, und den Remix mit der deutschen Erstpressung verglichen. Und – das sei schon verkündet – die klingt meiner Meinung nach viel, viel, viel besser. 

´Jailbreak´ eröffnet den Remix mit einem neuen “Eröffnungsbrüller”. Ja richtig, es wurde einfach was dazu gemischt und im Laufe des Songs werden weitere Elemente zum “Bereichern” eingespielt. Das ist eine unverzeihliche Sünde. Einen Klassiker dieses Kalibers einfach zu “zerstören”. Das geht gar nicht. So ein Quatsch. Da habe ich erst einmal eine Runde zum Verschnaufen gebraucht. ´Running Back´ klingt wie eine andere Version mit mehr Saxophon. Das ist okay, im Sinne einer Art “Alternative Version”. Sonst ist manchmal nicht viel anders. Insgesamt sind die Instrumente deutlicher voneinander getrennt, der Gesang steht mehr im Vordergrund. Alles ist irgendwie lauter, aber die Originalmischung von John Alcock war in sich sehr geschlossen und das hat viel von dem Reiz dieser Platte ausgemacht. Im Endeffekt klingt der neue Remix für mich viel kälter und irgendwie digital-metallisch. Das Original klang wärmer und gleichzeitig härter. Bei ´Emerald´ der gleiche Blödsinn wie bei ´Jailbreak´. Teile aus der alternativen Version des Boxsets reingemischt. In den besten Song aller Zeiten. Brian Downeys geniales Schlagzeug ist öfters eher im Hintergrund, weil der Bass lauter gemixt wurde.

Wahrscheinlich bin ich nur zu alt für so was. Wenn man sich an einen bestimmten Sound der Songs und an die Songs seit fast 50 Jahren gewöhnt hat, braucht man das auf jeden Fall nicht. Ich war von vornherein skeptisch, weil ich “Remixen” nie wirklich gemocht habe. Selten kam etwas Besseres raus. Ich werde es 100 % vorziehen, auf den “Original-Sound und die Original-Songs” zurückzugreifen.  Für Sammler und THIN LIZZY-Supporter ist das in Ordnung. Ich stelle mir das Album ins Regal. Das ist okay. Aber wenn man das Album noch nicht hat, würde ich empfehlen, die Originalversionen zu kaufen oder auf die ordentlichen, noch erhältlichen Wiederveröffentlichungen von 2020 zurückzugreifen.

Abgesehen davon ist ´Jailbreak´ sicherlich das wichtigste Album von THIN LIZZY mit legendären Songs. Klar, der Titelsong, ´The Boys Are Back In Town´, ´Warriors´, ´Cowboy Song´, ´Emerald´. Alles in der ersten Reihe von THIN LIZZY-Klassikern und dem Hardrock der 70er Jahre. Eine Blaupause für eines der besten Rockalben der Geschichte. Neben den bekannten Songs gibt es weitere versteckte Perlen wie ´Angel From The Coast´, ´Running Back´, ´Romeo And The Lonely Girl´ und ´Fight Or Fall´. Damit sind alle neun Songs genannt. Alles Gewinner. Unzerstörbar. Lang lebe John Alcock und seine Produktion.

(Lieber keine Wertung)

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