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LINKIN PARK – Hybrid Theory – One-Step Vinyl

~ 2000/2024 (Warner Records) – Stil: Nu Metal/Alternative Metal ~


Während der Nu Metal seinem kommerziellen Höhepunkt entgegenstrebte, veröffentlichten die US-Amerikaner von LINKIN PARK im Jahre 2000 ihr erfrischendes Debütalbum.

Gegründet 1996 unter dem Bandnamen XERO in Agoura Hills, Kalifornien, von den drei Highschool-Freunden Mike Shinoda, Rob Bourdon und Brad Delson, stießen noch Dave „Phoenix“ Farrell und Joe Hahn hinzu, ehe sie im „Whisky a Go Go“ in West Hollywood ihre erste Show absolvieren konnten.

Nachdem Mark Wakefield als zweiter Sänger neben Mike Shinoda die Gruppe verlassen hatte, fanden sie im März 1999 Chester Bennington von der Alternative-Rockband GREY DAZE und nannten sich fortan HYBRID THEORY.

Nach unzähligen Absagen wurde sie im gleichen Jahr auch endlich von „Warner Bros. Records“ unter Vertrag genommen. Schließlich kam es aufgrund rechtlicher Schwierigkeiten zu einer erneuten Namensänderung. Als Reverenz zum bekannten Park in Santa Monica, Kalifornien, kam „Lincoln Park“ in die engere Auswahl. Doch aufgrund einer noch benötigten freien Homepage wurde aus „Lincoln“ ein „Linkin“ und somit LINKIN PARK.

Mit ihrem neun Titel umfassenden Demotape als Grundlage besetzten sie ab März 2000 für vier Monate ein Studio von „NRG Recordings“ in North Hollywood, Kalifornien. Das Ergebnis erschien am 24. Oktober 2000, hieß ´Hybrid Theory´ und war eine brandheiße Mischung aus Nu Metal und Alternative Rock.

LINKIN PARK vollzogen das Nebeneinander von Rap- und Rock-Gesang durch Rapper Mike Shinoda und Sänger Chester Bennington in Perfektion. Massive Gitarrenriffs, aber auch elektronische Zutaten transportierten die düstere und depressive Stimmung in das neue Jahrtausend. Ehrlich wütende Schreiattacken und Scratchpassagen fügten sich nahtlos in das hochemotionale Spiel des Sextetts ein.

Selbst wenn Gitarrist Brad Delson von Gruppen wie den DEFTONES sowie THE SMITHS inspiriert war, mit Turntablist Joe Hahn die Liebe zu Glitch- und Trip-Hop teilte, Gitarrist, Keyboarder & Sänger Mike Shinoda bei einem ANTHRAX-PUBLIC ENEMY-Konzert bekehrt wurde und Sänger Chester Bennington eher von STONE TEMPLE PILOTS und DEPECHE MODE angestachelt wurde, trafen hier in aller Eigenständigkeit unheimliche Melodien auf zeitgemäße Härte.

Aktuell werden die ersten drei Studioalben von LINKIN PARK als One-Step-Vinylplatten veröffentlicht. ´Hybrid Theory´, ´Meteora´ und ´Minutes To Midnight´ sind jeweils auf 3.000 Exemplare limitiert.

Da sich das One-Step-Vinyl als ultimative Vinylpressung rühmt, wird es äußerst hochpreisig in einem Schuber angeboten. Die LP von ´Hybrid Theory´ selbst befindet sich in einem Gatefold, in einer „Old Style“-Tip-On-Hülle mit Original-Artwork.

Diese traditionell erstklassige Aufmachung der One-Step-Vinylplatten muss sich allerdings im Falle von ´Hybrid Theory´ bei der Herstellung des Vinyls mit einer digitalen Quelle, mit 192/24 Wave-Dateien begnügen.

Denn ´Hybrid Theory´ wurde im digitalen Bereich aufgenommen und über eine analoge elektronische Kette auf Band gemischt, um diese Masterbänder dann in 192/24 Dateien zu übertragen, die nunmehr als Audioquelle für die One-Step-Pressung dienen.

Gleichwohl wird ´Hybrid Theory´ in der One-Step-Version jeden audiophilen Musikhörer mit einem vollen und klaren Vinylklang restlos überzeugen.

Ohnehin ist ´Hybrid Theory´ aus dem Jahre 2000 mit weltweit 32 Millionen verkauften Exemplaren das meistverkaufte Debüt aller Klassen seit ´Appetite For Destruction´ aus dem Jahr 1988, obwohl die wundersamen Kompositionen Schmerz und Klagen in den Mittelpunkt stellen, von fehlendem Selbstvertrauen (´By Myself´), von Selbstmordgedanken, von psychischem und physischem sowie von sexuellem Missbrauch (´Points Of Authority´), von gescheiterten Beziehungen (´Pushing Me Away´), von Paranoia (´Papercut´), von Süchten (´Crawling´) und einer erdrückenden, immer wiederkehrenden Welle der Depression handeln.

Wenn insofern die depressive Welt der Nullerjahre mit metallischen Riffs zugepflastert wird und Mike Shinodas Reime von Chester Benningtons mörderischen Schreien pulverisiert werden, feiert die Rock-Welt auf blutigem Boden eine neue Zeit der Blüte.

 

 

Während das Schlagzeug ein Feuer entfacht, wandert der Wahn (von ´Papercut´) langsam gen Untergang („It’s like I’m paranoid, lookin‘ over my back. It’s like a whirlwind inside of my head.“). Mit dem von Chester Bennington und Mike Shinoda gemeinsam im Höhepunkt gesungenen Song ´One Step Closer´ schlendern die Junkies fortan von Arena zu Arena, nur unterbrochen von Scratches und Geschrei („Shut up when I’m talking to you.“). Denn Scratcher Joe Hahn versteckt sich des Öfteren im Sound-Bild (´With You´), während Chester Bennington erst in aller Schwere („It’s true, the way I feel was promised by your face.“) und dann in aller Schönheit auf den Metal-Rap von Mike Shinoda antwortet („I’m with you – You, now I see, keepin‘ everything inside – With you.“).

Spätestens in diesem Moment verfällt das Publikum jeglicher Sucht nach LINKIN PARK (´Crawling´) und stöhnt dabei im Schlaf („Crawling in my skin, these wounds, they will not heal.“), lässt die qualvolle Gesellschaft hinter sich (´Runaway´) und läuft und läuft („I’m gonna run away and never say goodbye! Gonna run away, gonna run away.“) allen und allem davon. An nichts mehr festhaltend (´By Myself´), ist das Geschrei riesengroß („By myself – Myself! – I ask why. But in my mind, I find I can’t rely on myself.“).

Auch wenn alles hernach auf einen einstürzt („I tried so hard and got so far, but in the end, it doesn’t even matter.“), der Versuch war es samt des überraschenden Klavier-Einsatzes wert (´In The End´). Alle sind nunmehr angepisst, Chester Bennington entgegnet Mike Shinodas Vortrag im Ergebnis noch aggressiver (´A Place For My Head´). Jetzt sind sie von Nichts und Niemandem mehr aufzuhalten („From the top to the bottom. Bottom to top, I stop.“), nur die Erinnerung (´Forgotten´) wird bis zum Sonnenuntergang zurückbleiben („Now you got me caught in the act, you bring the thought back. Tellin‘ you that I see it right through you.“). Eine letzte Hymne (´Pushing Me Away´) strahlt im Licht („Why I never walked away, why I played myself this way, now I see, you’re testing me, pushes me away.“).

Überraschenderweise versetzen die Kompositionen von ´Hybrid Theory´ auch zwanzig Jahre später noch jeden Zuhörer in eine angespannte innere Unruhe, außer der Hörer war im Jahre 2000 ein 12-jähriger Knabe, der von seiner Mutter und ihrem Psychiater Antidepressiva verschrieben bekam, und alle Erinnerungen an dieses Album nur mit den damaligen Albträumen und Halluzinationen verbindet. Ansonsten hat ´Hybrid Theory´ den Test der Zeit überragend schadlos überstanden.

Ein brutaler Klassiker seiner Zeit und zum gegenwärtigen Zeitpunkt nach wie vor.

 

 

 

Chester Bennington – Gesang
Rob Bourdon – Schlagzeug, Perkussion, Hintergrundgesang
Brad Delson – Gitarre, Hintergrundgesang, Bass
Joe Hahn – Plattenspieler, Samples, Synthesizer, Hintergrundgesang,
Mike Shinoda – Co-Lead- und Rap-Gesang, Keyboards, Programmierung, Samples, Rhythmusgitarre

 

https://www.facebook.com/linkinpark