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DAVID GILMOUR – Luck And Strange

~ 2024 (Sony Music) – Stil: Rock ~


´Luck And Strange´ ist erst das fünfte Solo-Werk von David Gilmour. Sein erstes hatte er kurzerhand im Frühjahr 1978 aufgenommen, gute zwölf Monate nach der Veröffentlichung von PINK FLOYDs ´Animals´. Sein neuestes zerrt der englische Gitarrist und Songwriter zehn Jahre nach PINK FLOYDs finalem Album und neun Jahre nach seinem letzten Solo-Werk ´Rattle That Lock´ ins Rampenlicht der Öffentlichkeit.

Überraschender Weise mit dem Produzenten Charlie Andrew (ALT-J, BLOC PARTY, WOLF ALICE) über fünf Monate in David Gilmours „Medina Studio“ in Hove und in Mark Knopflers „British Grove Studios“ in London aufgenommen, ist ´Luck And Strange´ der karge Versuch, der Erwartungshaltung in moderneren Klanglandschaften zu einem gewissen Grad zu entkommen.

Zeitgenössische Künstler wie Roger Eno, Guy Pratt oder Steve Gadd tragen etwas Neues und Frisches bei. David Gilmours Gitarrenspiel gehört hingegen zum Altbewährten, ist jedoch in seiner scheinbaren Leichtigkeit abermals beeindruckend ausdrucksstark.

Für ein neues schillerndes Jahrhundertwerk wäre im Studio allerdings ein musikalischer Widersacher vonnöten gewesen. Statt dessen leistet ihm seine Familie Beistand. Seine Ehefrau, die britische Schriftstellerin, Liedtexterin und Journalistin Polly Samson, schreibt schon seit drei Jahrzehnten seine Texte und seine Tochter Romany sowie sein Sohn Gabriel unterstützen mit Hintergrundgesang. Dass PINK FLOYD-Keyboarder Rick Wright, der vor 16 Jahren verstarb, auf der knapp 14-minütigen Jam-Session des Titelsongs zu hören ist, weckt erste Sentimentalitäten.

 

 

Die kurze Eröffnung ´Black Cat´ mit wohltemperiertem Klang von Klavier und Gitarre rüttelt alte Erinnerungen sofort wieder auf. Über sieben Minuten lang lebt David Gilmour im Titellied ´Luck And Strange´ seinen gewohnt lyrischen Blues über die Unschuld der eigenen Kindheit („It was a fine time to be born, De-mob happy street and free milk for us all.“) und die Dunkelheit der Gegenwart aus („That’s a dark thought in the dark.“), in vertraut melancholischer Weise mit final weinender Gitarre.

Dem Trugschluss der ewigen Verlockungen des Lebens („The road to hell is paved with gold they’ll tell you, all the things that you don’t need they’ll sell you.“) widmet sich ´The Piper’s Call´. Von der akustischen Ukulele über die elektrisch rockende Gitarre feurig entfaltend, ist das Lied eine leichte Reminiszenz an die dunkle Seite der eigenen Vergangenheit.

Mit sanften Streichern und himmlischen Gesängen gibt David Gilmour in ´A Single Spark´ den Entertainer im schwarzen Frack, ohne seine ausführlich solierende Gitarre zu vergessen, und betet in diesen unsicheren Tagen, dass sich die Welt einfach weiterdreht. Insofern eignet sich auch die Fremdkomposition ´Between Two Points´ der MONTGOLFIER BROTHERS aus dem Jahr 1999 über die täglich einzusteckenden Schläge des Lebens für dieses weise Alterswerk. Zudem wird diese von David Gilmours Tochter Romany gesungen und von ihr mit der Harfe begleitet.

Ein ´Dark And Velvet Nights´ dürfte David Gilmour hingegen ohne Anzug in einer verruchten Spielunke singen, ein ´Sings´ über die Gesellschaft („From this worn out world.“), das allgemeine Tohuwabohu („No doubt the mess we’re in.“) und die Liebe („Lovers snapshots of delight, those rosy days of black and white.“) an jedem anderen Ort. Auf den nächsten Konzerten wird er hoffentlich das siebenminütige ´Scattered´ vortragen, das sich aus einem unterschwelligen Reggae-Groove in ein akustisches und sinfonisches Gewand stiehlt, um die elektrische Gitarre ein letztes Mal weinen und lachen zu sehen.

´Luck And Strange´ ist womöglich die letzte echte Beglückung durch den mittlerweile 78-jährigen Künstler, unbeschadet dessen selbstredend eine seiner allerbesten.

(8,5 Punkte)

 

https://www.facebook.com/davidgilmour


Pic: Anton Corbijn