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NICK CAVE & THE BAD SEEDS – Wild God

~ 2024 (PIAS/Rough Trade) – Stil: Converting Rock ~


Nick Cave versucht mit seinen Bad Seeds der anhaltenden dunklen Nacht zu entrinnen. Nachdem der gebürtige Australier den Tod seiner Söhne Arthur Cave und Jethro Lazenby in den Jahren 2015 und 2022 verkraften musste, ist die Zeit gekommen, wieder etwas Licht in das Leben zu lassen.

Beim 18. Album Seite an Seite mit den Bad Seeds schwankt der bibelfeste, aber nicht gläubige Nick Cave bei seiner Bekehrung zwischen Ungläubigkeit und Bekenntnis. Gemeinsam mit Warren Ellis (Violine, Bouzouki, Mandoline), George Vjestica (Gitarre), Martyn Casey (Bass), Thomas Wydler (Schlagzeug) und Jim Sclavunos (Schlagzeug, Perkussion, Gesang, Orgel) sowie den Gästen Colin Greenwood (Bass) und Luis Almau (Akustikgitarre) trägt er die unvermeidlichen Motive Liebe und Verlust durch frische Kompositionen. Dementsprechend werden die Vorhänge hastig zur Seite gezogen, damit etwas Sonnenlicht hereinfallen kann und die theatralischen Lieder noch ehrlicher, noch leidenschaftlicher erstrahlen.

´Wild God´ beginnt mit dem ersten sakralen, Glocken läutenden Hymnus ´Song Of The Lake´, nicht die Pferde des Königs aus dem Buch Exodus dabei im Blick, sondern den alten Mann und eine badende Schönheit.

Sogleich wird der restlos übergeschnappte ´Wild God´ mit großen Gesängen aufgefordert, bei all dem Unheil auf Erden seinen Heiligen Geist herunter zusenden.

Somit wird alles gut, obwohl schon die ´Frogs´ der biblischen Plagen aus dem Buch Mose zu sanften Streichern zur Gottesdienstzeit im Sonntagsregen herumhüpfen.

Dennoch ist die Überraschung groß, als inmitten der Nacht eine Stimme zu Nick Cave spricht, ist er doch aufgrund der verstorbenen Familienmitglieder immer noch in Trauer. Der Geist in Turnschuhen haucht ihm neuen Mut ein, so dass er fortan Liebe und den Hymnus ´Joy´ in die Welt tragen will.

Da sitzt er nun am Bett und greift nach der Hand, nach dem verlorenen Menschen, den er ewig lieben wird, ein unmöglicher ´Final Rescue Attempt´, ein Hymnus zu Synthesizern und Klavier.

Einmal von der Flamme des Geistes berührt, erfährt er seine mystische oder religiöse ´Conversion´, und die Chöre singen zum nächsten Hymnus vom Geist und der Flamme.

Kindheitserinnerungen erwachen, über die Liebe und die ´Cinnamon Horses´, denn damals galoppierten und tanzten die Zimtpferde noch unter einem Erdbeermond.

Die langen dunklen Nächten waren mehr als nur eine ewig währende Nacht, ein Tag, eine Woche, vielleicht ein Jahr. Eine verdammte ´Long Dark Night´ schwebte um seinen Kopf.

Dennoch vergessen Nick Cave und die Bad Seeds ebenso das ehemalige Bandmitglied, die australische Singer-Songwriterin Anita Lane nicht, die 2021 verstarb, und widmen ihr ein schmuckes ´O Wow O Wow (How Wonderful She Is)´.

Schließlich sitzt Nick Caves Frau schlafend am Fenster, stellt sich der 66-jährige schlicht und ergreifend vor, als Jesus Christus neutestamentlich aufersteht, ´As the Waters Cover The Sea´ und Frieden auf Erden bringt. Der Chor singt daher von Hoffnung, Frieden und guten Nachrichten, somit ist zum Zeitpunkt des Erwachens schlichtweg alles wieder in Ordnung.

Es bleibt nur zu hoffen, dass auch bei Nick Cave nach all den Schicksalsschlägen das Geschenk Gottes und die Fügung des Schicksals nur noch gute Tage für ihn bereithalten. Halleluja, wilder Gott.

(9,5 Punkte)

 

 

https://www.facebook.com/nickcaveofficial

 


Piano Pic: Megan Cullen