WAYNE SHORTER – Night Dreamer
~ 1964/2023 (Blue Note Records) – Stil: Modal Jazz/Post Bop ~
Der US-amerikanische Jazzsaxophonist Wayne Shorter zählte zu Beginn seiner Karriere Sonny Rollins, John Coltrane und Coleman Hawkins zu seinen musikalischen Einflüssen. Doch schnell wurde er zur eigenen Legende. Er schloss sich 1959, mit 26 Jahren, Art Blakey’s Jazz Messengers und 1964 dem zweiten großen Quintett von Miles Davis an.
Im selben Zeitraum, zwischen 1964 und 1970, spielte er obendrein elf Werke für “Blue Note” ein, angefangen mit ´Night Dreamer´. Dieses war sein insgesamt viertes Studioalbum als Bandleader, das Wayne Shorter (Tenorsaxophon) am 29. April 1964 mit Lee Morgan (Trompete), McCoy Tyner (Klavier), Reggie Workman (Bass) und Elvin Jones (Schlagzeug) in den “Van Gelder Studios” in Englewood Cliffs, New Jersey, einspielte.
Nachdem Wayne Shorter einmal die heiligen Hallen von New Jersey betreten und darin sein bahnbrechendes Debüt für “Blue Note” aufgenommen hatte, war sein kompositorisches Genie für jedermann hörbar. Er hatte seine Hard Bop-Wurzeln nicht vergessen und marschierte im Post Bop langsam in Richtung der Siebzigerjahre.
Unter diesen Aspekten darf ´Night Dreamer´ als der Wendepunkt in der Karriere von Wayne Shorter angesehen werden. Eine große Zukunft stand ihm bevor. Doch im selben Moment sinnierte er mit diesem Werk über die letzte Schlacht zwischen Gut und Böse, über ein großes Armageddon.
Das Werk beginnt daher im Dämmerzustand der Nacht. Größtenteils dunkel, in Moll gehalten, führt McCoy Tyner die Komposition ´Night Dreamer´ am Klavier ein. Den unbeschwerten Walzer reißt allerdings Wayne Shorter am Tenorsaxophon aus all seinen Träumen. Lee Morgan schließt sich mit seiner Trompete und McCoy Tyner mit flinken Händen an. Bis zum Ausklang wechseln sich noch Tenorsaxophon und Trompete ab.
Besonnen entfaltet sich anschließend der ´Oriental Folk Song´, dessen Melodie von einem traditionellen chinesischen Lied adaptiert wurde, und wandert einem Blues entsprechend voran. Wayne Shorter am Tenorsaxophon und erst recht Lee Morgan an seiner Trompete versuchen aus diesem Einerlei auszubrechen, Elvin Jones beweist es ihnen indes am Schlagzeug.
McCoy Tyner begleitet sodann sachte die Ballade ´Virgo´, während die finstere Nacht von Wayne Shorter im anhaltenden Dämmerzustand durchschritten wird. Im nächsten Moment stehen sie jedoch bereits im vollen Saft des Hard Bop und swingen mit ´Black Nile´ weit über Mitternacht hinaus, samt einem kraftvollen Tenorsaxophon, einer aufmerksamen Trompete, einem schnittigen Klavier und einem kurzerhand donnernden Schlagzeug.
Den Schwung nimmt der ´Charcoal Blues´ etwas heraus, soll er doch einen Blick aus der Vergangenheit des Blues in die Gegenwart wagen. Lange lamentiert Wayne Shorter an seinem Tenorsaxophon zwischen den Epochen, nur McCoy Tyner verliert den Scharfsinn am Klavier nicht. Denn schließlich folgt mit ´Armageddon´ die Hauptachse des Werkes, so dass in der finalen Entscheidungsschlacht nacheinander Tenorsaxophon, Trompete und Klavier antreten. Was für eine Offenbarung.
Die noch immer aktuelle Wiederveröffentlichung von ´Night Dreamer´ in der „Blue Note Classic Vinyl Series“ kommt natürlich auf schweren 180g, einem audiophilen Master von Kevin Grey bei „Optimal“ und ist in allen Belangen unwiderstehlich.
(Klassiker)
Wayne Shorter – Tenorsaxophon
Lee Morgan – Trompete
McCoy Tyner – Klavier
Reggie Workman – Bass
Elvin Jones – Schlagzeug
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