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ARKHAM WITCH – Legions Of The Deeper Depths

~ 2024 (Metal On Metal) – Stil: Heavy Metal/Doom ~


Oh, die Briten. Urbritisch sind sie, humorvoll, auf gewisse Weise neckisch, wie Comedy Sendungen aus dem Herzen Englands, Monthy Python’s Flying Circus oder Little Britain. Aber auch obskur und episch wie Geschichten aus den alten Gemäuern der vorrömischen Zeit, die selbst schon in den Tagen des Hadrian’s Walls und des besetzten Britanniens im Nebel der Mysterien versunken waren.

Das waren sie natürlich schon seit den Tagen, wo sie der Asche von THE LAMP OF THOTH entstiegen sind. Ich suche übrigens noch deren Album ´Portents, Omens And Dooms´, für einen Kurs, zu dem ich nicht vorher Haus und Hof versetzen und gegebenenfalls die weiblichen Haushaltsmitglieder auf den Strich schicken müsste. Und meine Nieren will ich auch beide behalten. Aber davon mal ab, das ist alles alter Käse. Wir leben schließlich in der Gegenwart, im vollkommenen Jetzt.

Und nach diversen Alben von denen einige noch auf meiner Einkaufsliste stehen, haben sich ARKHAM WITCH nicht lumpen lassen und auch 2024 wieder eine neue CD veröffentlicht. Und die geht so gleich typisch für diese Band in die Vollen. Und da ich natürlich nicht jeden Tag meine komplette CD-Sammlung durchhöre, fällt mir zuerst auch gar nichts auf. Irgendwann stolper ich aber drüber, so neu ist die CD hier gar nicht. Im Grunde ist sie „nur“ eine Wiederveröffentlichung des 2012 erschienenen Zweitwerks ´Legions Of The Deep´ kombiniert mit der EP ´Hammerstrom´ von 2013, bei der das THOR-Cover ´Thunder In The Tundra´ fehlt. Ich werd verrückt. Aber nichtsdestotrotz, nehmen wir uns die Platte doch mal zur Brust. Echt lange nicht gehört.

Wer auch immer dieser ´David Lund´ ist, den sie dort besingen, ich konnte einen finnisch-schwedischen Theologen aus dem 18. Jahrhundert und einen schwedischen Psychologen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert als potenzielle Namensgeber ausfindig machen. Aber für genauere Analysen fehlen mir im Augenblick einfach die Texte. Wäre ich daheim, würde ich glatt nachschauen. Sei es drum, die Musik soll für sich sprechen und die ist wahrhaftig fantastisch. Der Song hat einen schweren und fast schon einem rituellen Volkstanz ähnelnden Beat, dazu dunkle und heroische, auch sehr mystische und irgendwie nach alten Volksliedern klingende Melodien. Die Stimme ist natürlich wieder das über allem herausragende Element, an Charisma nicht zu überbieten und von den gesanglichen Phrasierungen her erneut sehr herausfordernd. Vollmundig, hell und auf gewisse Weise frech erzählt uns der gute Mann eine einzigartige Geschichte.

Das folgende ´At The Mountains Of Madness´ addiert alleine durch die musikalische Umsetzung eine gewisse ulkige Komponente zur absolut episch düsteren Geschichte, die der amerikanische Gothic Horror Schriftsteller H. P. Lovecraft vor beinahe 100 Jahren verfasst hat. Der stampfende und sogar nicht düstere Hardrock lässt mich an eine Horde in Jeans und Leder gewandete Motorrad-Rocker denken, die sich der namenlosen Stadt der großen Alten bemächtigt, welche in nie zuvor entdeckten Gegenden der Antarktis verloren vor sich hin träumt und dort in einem der schon lange bevor der erste Mensch die Erde betrat versunkenen Tempelgebäude eine schmierige Bikerkneipe eröffnet. Die ebenso schmutzige, wie sexuell stimulierende und von brodelnden Gitarren dominierte Rockmusik, welche die Liveband auf der siffigen Bühne der Location präsentiert, lockt natürlich sofort sämtliche fremden Kreaturen aus den unaussprechlichen Tiefen der gewaltigen Berge rund um diese Stadt hervor. Tanzende Tentakelwesen, wogende Shoggothen, die in ihrer massigen Formlosigkeit die Tanzfläche zu einem wabernden Wackelpudding verkommen lassen und direkt mit dem Biertank verbunden die ultimative Unaussprechlichkeit, deren Anblick schon beim alten Lovecraft den Protagonisten sämtliche Hirnwindungen durchgeschossen hat, genießen den erdig schmutzigen Riffrock mit stampfendem Rhythmus und einfachen, aber effektiv eindringlichen Leadgitarren, die wiederum großartige Melodien entfachen. Etwas treibender geht es in das Songmitte zu, wo sich die Band zum englischen Heavy Metal um 1980 herum erkennen möchte. Wie kaum eine zweite aktuelle Kapelle schaffen ARKHAM WITCH es tatsächlich auch, den Hörer gedanklich in einen x-beliebigen Club in den stinkigen Arbeitergegenden Londons oder Birminghams zu entführen. Ich bemerke wieder mal, mit welch kreativer Vielfalt ARKHAM WITCH bei der Schöpfung ihrer Alben zu Werke gehen. Wirken sie auf den ersten Höreindruck sperrig, so entfalten sie nach einer gewissen Zeit eine hymnenhafte Ausdruckskraft, die jedes einzelne Stück einzigartig macht.

Irgendwie unterlasse ich es einfach mal, noch jedes einzelne der dreizehn hier vertretenden Stücke im Detail zu beschreiben, weil das dieses Review wahrscheinlich unleserlich in die Länge ziehen würde. Kurzum kann man zu diesem Album sagen, dass hier wieder eindringlich komponiert und musiziert wird, alles im Geiste des echten und einzig wahren britischen Heavy Metal. Die Dichte an einprägsamen und für die Ewigkeit geschmiedeten Songs ist eigentlich für aktuelle Musik ungewöhnlich, da vielfach von den jüngeren Heavy Metal Bands zwar auf Klang und Stil jener Epoche zum Anfang der 1980er Jahre hinaus gearbeitet wird, sich die Stücke allerdings oft sehr gleichförmig anhören und sich nach sogar mehreren Albumdurchläufen kein Wiedererkennungseffekt einstellen will. Unr tatsächlich haben unsere Helden nun schon seit über zehn Zeit genug diesen genialen Drive, einen herausragenden und eigenen Stil zu entwickeln und zu kultivieren. Doch es ist mehr als das, es sind auch die Gitarrensoli, welche mit inbrünstiger Leidenschaft direkt in Deine Seele hineinbrodeln und Dich mit ihrem Melodien süchtig machen nach den Alben dieser Band. Obwohl sie nicht extrem an sich sind, schälen dir die massiven Riffs und Leads in ihrer Intensität förmlich die Haut vom Gesicht.
ARKHAM WITCH ragen seit 2009 weit aus der Menge aktueller Heavy Metal Bands hervor. Sie polarisieren dabei, das haben sie schon immer getan und werden es immer tun, denn für Mainstream taugliche Ohren ist ihre Musik nicht gemacht. Hier hörst du genau zu und das mit weit geöffneter Seele.

Zum Rest des Albums kann ich übrigens noch sagen, dass hier klanglich sehr transparent und voluminös ausgeteilt wird, die Stücke in ihrer Darbietung lebendig und sehr frei wirken, sich spieltechnisch eine eng zusammenwirkende Kapelle präsentiert und somit den geneigten Heavy Metal-Fan direkt in die Tiefe der erschaffenen Klanglandschaften zieht. Und das alles mit einem Ausdruck der absoluten Vertrautheit, wie bei langjährigen allerbesten Freunden. Ich wünschte mir sehr, dies wäre tatsächlich eine aktuelle Veröffentlichung von 2024. Sofort hätte dieses Album einen Spitzenrang in meiner Jahres Top 20 eingenommen. In einer gerechten Welt wäre diese Band reich und berühmt. Uralt oder nicht, es gibt von mir nach wie vor die Höchstnote für eine perfekte und vollkommene Scheibe.

(10 Punkte)

 

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