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R.E.M. – Fables Of The Reconstruction

~ 1985/2024 (Universal) – Stil: Alternative Rock ~


Bei der Inaugurationsgala der Songwriters Hall of Fame traten R.E.M. erstmals seit 2007 wieder in Originalbesetzung auf. Trotz ihres kurzen Live-Auftritts zur Aufnahme in die Songwriting-Ruhmeshalle wird die US-amerikanische Alternative Rock-Legende aus Athens, Georgia, kein Comeback feiern.

Gegründet 1980 von dem Gitarristen Peter Buck, dem Schlagzeuger Bill Berry, dem Bassisten Mike Mills und dem Leadsänger Michael Stipe, veröffentlichten R.E.M. in den Achtzigerjahren als Pioniere des Alternative Rock äußerst hochgeschätzte Alben, ´Murmur´ (1983), ´Reckoning´ (1984), ´Fables Of The Reconstruction´ (1985), ´Lifes Rich Pageant´ (1986), ´Document´ (1987) und ´Green´ (1988), bevor sie in den frühen Neunzigerjahren ihren kommerziellen Höhepunkt erklommen.

Eines dieser Fabelwerke aus den Achtzigerjahren wird in diesen Tagen originalgetreu restauriert auf LP frisch aufgelegt, ihr sogenanntes Southern-Gothic-Meisterwerk.

´Fables Of The Reconstruction´ wurde ursprünglich am 10. Juni 1985 veröffentlicht, nachdem es erstmals außerhalb der USA mit dem bekannten Folk-Produzenten Joe Boyd (PINK FLOYD, Nick Drake, FAIRPORT CONVENTION, THE INCREDIBLE STRING BAND) in den „Livingston Studios“ von London aufgenommen wurde. Mit Joe Boyd hatten sie zwar einen ihrer Wunsch-Produzenten für sich gewinnen können, aber nicht ihre erste Wahl. Sie liebten für gewöhnlich die Spontanität im Studio, jedoch nicht Boyds pedantisches Streben nach Perfektion. Zudem verdarb ihnen das grauenhafte Wetter von London bereits grundsätzlich die Gemütsverfassung.

Dementsprechend erhielt das Album seine eigene Sichtweise auf den Folk-Rock sowie aufgrund der Spannungen während des Aufnahmeprozesses einen ausgesprochen dunklen und düsteren Ton in einer bisweilen beklemmenden Atmosphäre. Daher wird das dritte Studioalbum von R.E.M., umringt von all den Klassikern, bis heute oftmals argwöhnisch begutachtet. Die anfängliche Verworrenheit hinsichtlich der musikalischen Entwicklung verblasst allerdings mit der Zeit.

´Fables Of The Reconstruction´ entspricht einer nächtlichen Lagerfeuer-Romantik, bei der jeder seine alten Geschichten erzählen darf, samt alter Südstaaten-Mythen und erweiterter Instrumentierung mit Streichern, Blechbläsern und Banjo.

Das Quartett berichtet vom alten Amerika, hat Erzählungen von den Straßen und von den Schienen parat. Beängstigend ist dabei die autobiografische Traumwelt des wundervollen ´Wendell Gee´, titelmäßig abgeleitet vom Highway zwischen Athens und Jefferson, sowie ungemein aufregend der Bericht des Klassikers ´Driver 8´ über einen alten Personenzug der Southern Railroad.

Außerdem erzählen die Musiker in ´Old Man Kensey´ eine unheimliche Geschichte über einen exzentrischen, alten Mann aus dem Süden sowie im mit Mandoline äußerst Hit-verdächtigen ´Maps And Legends´ über den Künstler und Baptistenprediger Howard Finster, der neben Coverartworks für R.E.M. auch welche für die TALKING HEADS erschuf.

Abgesehen von der Folk Rock-Ballade ´Good Advices´ und dem Folk Rock-Song ´Green Grow The Rushes´ über den Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern stechen obendrein ´Life And How To Live It´, beflügelt von einem Buch des bizarren Athener Autors Brivs Mekis, das hitzige ´Auctioneer (Another Engine)´, der Indie-Soul-Funk von ´Can’t Get There From Here´ sowie ´Feeling Gravitys Pull´ mit seinem chromatischen Gitarrenriff und dem Einsatz eines Streichquartetts als weitere herausragende Kompositionen und Klassiker hervor.

(9,5 Punkte)

 

 

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