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JOHNNY CASH – Songwriter

~ 2024 (Mercury Nashville / UMe) – Stil: Folk/Country ~


Johnny Cash sang in seinen späten Jahren gerne von den irdischen Leiden samt einer erhofften Linderung und Erlösung. Seine letzten Aufnahmen spielte er am 21. August 2003 ein, bevor er am 12. September 2003 im Alter von 71 Jahren an den schweren Folgen einer Diabeteserkrankung starb.

In den letzten vier Monaten seines Lebens, nach dem Tod seiner großen Liebe June Carter Cash am 15. Mai 2003, nahm er noch 60 Songs auf. Er redete unentwegt auf seinen damaligen Produzenten Rick Rubin ein, ihn weiterarbeiten zu lassen, da er ansonsten an seinem Liebeskummer zugrunde gehen würde.

Doch bevor Johnny Cash mit dem berühmten Plattenmanager und Plattenproduzenten Rick Rubin die ersten Aufnahmen seiner legendären ´American Recordings´ zur Veröffentlichung im Jahre 1994 abschließen sollte, nahm er 1993 in den „LSI Studios“ ein ganzes Album mit Eigenkompositionen auf. Dieses geriet jedoch während seines langjährigen Engagements für das Label „American Recordings“ vollkommen in Vergessenheit.

Die Demo-Aufnahmen mit ganzen elf Songs wurden kürzlich von seinem Sohn John Carter Cash und seinem langjährigen Produzenten David „Fergie“ Ferguson wiederentdeckt. Die originalen Aufnahmen von Johnny Cash an Gitarre und Gesang sowie etwa Marty Stuart an der E-Gitarre und der verstorbene Waylon Jennings im Background Gesang blieben erhalten, wurden allerdings durch einige neue Beiträge von Musikern aus Johnny Cashs Umfeld ergänzt.

Das nunmehr fünfte posthum veröffentlichte Studioalbum von Johnny Cash klingt dementsprechend als hätte er in seinem Leben niemals Rick Rubin getroffen, tönt teilweise unmittelbar wie in den Achtzigerjahren als seine Karriere dem Untergang geweiht schien. Denn auf ´Songwriter´ sind die Kompositionen noch allzu großzügig instrumentiert, wohingegen Rick Rubin den Künstler bei den nachfolgenden Aufnahmen für ´American Recordings´ einfach bat, nur er selbst mit seiner Gitarre zu sein, wie anhand der auf beiden Scheiben vertretenen Lieder ´Drive On´ und ´Like A Soldier´ wunderbar verglichen werden kann.

Herausstechend ist der Eröffnungssong ´Hello Out There´ über den Zustand unseres Planeten, der dramatisch düster die Zukunft besingt, allerdings über den Einbruch des nicht fernen Jüngsten Gerichts zum Hymnus erwächst. Die Bariton-Stimme von Johnny Cash erklingt dabei zu einigen Streichern und einem schönen E-Gitarren-Spiel von Dan Auerbach besonders in ´Spotlight´ ganz wunderbar. In ´Drive On´ spricht er dagegen eher lässig die Strophen und benötigt in dem schmalen Aufreißer-Song ´Well Alright´ erst gar keinen richtigen Refrain.

Der klassische Songwriter-Song ´I Love You Tonite´ entpuppt sich als Liebeslied an seine geliebte June, in dem er ganz verwundert fragt, wie sie überhaupt die vergangenen Jahrzehnte überstehen konnten. Die mitreißenden Melodien von ´Have You Ever Been To Little Rock?´ über die schönsten Flecken auf Erden lassen jedenfalls niemanden kalt. Das passende Lied für alle Einsamen und Verlassenen ist das wehklagende ´She Sang Sweet Baby James´, der klassische Country-Song des Werkes ´Poor Valley Girl´.

Verehrer der „American Recordings“-Jahre werden daher mit ´Songwriter´ keinen Vorläufer oder einen weiteren Abschnitt dieser Periode in ihr Herz schließen können. Doch der generelle Liebhaber des großen Songwriters Johnny Cash, mit seiner warmen und einnehmenden Stimme, wird die elf Vorträge derart würdigen als wäre die nostalgische Scheibe erst in den vergangenen Tagen aufgenommen worden.

(8 Punkte)

 

 

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