JahresrückblickeMeilensteine

Die absolute Hälfte 2024

~ Halbjahresbilanz 2024 ~


Liebe Freunde der musikalischen Lustbarkeit!

Die ersten sechs Monate des Jahres 2024 liegen bereits hinter uns, Zeit für SaitenKult, die absolute Hälfte des Jahres zu präsentieren. Denn die ersten sechs Monate haben uns bereits gezeigt, dass es kaum schöner werden kann, so sagt es zumindest der eine oder andere aus unserem Kreise. Da allerdings die Meinungen und Geschmäcker aktuell nicht diverser und perverser sein könnten, legen sechs SaitenKlopper ihre drei Lieblingsscheiben der ersten Jahreshälfte offen und preisen sie nochmals zum Mitlesen für alle.

Somit wünschen wir viel Freude mit den bisherigen Schönheiten des Jahres 2024, ob absolut oder nicht.

 

SENTRY – Sentry

(von Sir Lord Doom)

The Shark is dead, the road has come to an end. But a new road begins…SENTRY. Auch wenn der frühere Meister des kauzigen Epic Metal leider 2018 verstarb, einige seiner Weggefährten haben ihm mit einer neuen Band und einem neuen Album ein Denkmal gesetzt und zugleich einen neuen frischen Weg beschritten. SENTRY haben das hymnische Feeling der frühen Alben ihrer Mutterband und scheinen keinen Tag jünger als 40 zu sein, musikalisch, leben jedoch 2024 und beweisen, wie gut gestandene Musiker heute noch Musik machen können. Das sind Melodien von einer eternalen Größe und Kompositionen, die Dich als Hörer in ihre Tiefe saugen. Quasi als Tor zu einer magischen Welt. Verspielte, fast protoprogressive Heavyrock Einflüsse aus den 70ern und kantiges Metalfeeling vereinen sich zur Mutter aller Epic Metal Platten ab eventuell 2010. Eventuell kann da nur die neue WARLORD mithalten.

 

HIGH ON FIRE – Cometh The Storm

(von Marcus Köhler)

Mastermind Matt Pike hat in den sechs Jahren seit dem Vorgänger ´Electric Messiah´ ganz offensichtlich all seine Kraft, Inspiration und Kreativität gebündelt, um elf perfekte Songs zu schreiben, von denen jeder für sich wie eine High-End-Version aus der bisherigen Sound-Palette der drei Kalifornier steht.

´Cometh The Storm´ ist eine neue Maßstäbe setzende Darbietung, voller Kraft und kompromissloser Haltung und setzt der Jahrzehnte langen, unermüdlichen Kreativität Pikes nun endlich die Krone auf – und mit dem orientalischen Instrumentalstück ´Karanlık Yol´ ist ihm sogar ein richtiger Hit gelungen. Schon jetzt der unschlagbare Kandidat für das Album des Jahres?

 

RAGE – Afterlifelines

(von Less Leßmeister)

Willkommen bei der 40-jährigen Jagd auf den Soundchaser. Angriffslustig schaut er euch vom Cover des mächtigen Jubiläumsalbums seines Papas Peavy an und weiß genau, was er auf den beiden Vinylscheiben für Granaten auf euch gerichtet hat. Nicht nur fette Geschosse, sondern auch allerlei geilen Schwermetall mit allen Finessen des über die Jahre mit vielen Topmusikern gereiften Songwritings hat das Original aus Herne mit seiner aktuellen Mannschaft dieses Mal wieder aus dem Hut gezaubert. Wer Metal mag, liebt RAGE.

 

SHUMAUN – Opposing Mirrors

(von Michael Haifl)

Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht! Nach nur drei Jahren präsentieren SHUMAUN nicht nur ihr viertes Studioalbum, sondern übertreffen die Spitzenklasse des Vorgängers sogar von Neuem. Sie überraschen erneut mit großen Melodien, sie überraschen mit Filigranität als auch großen Hooks. SHUMAUN verschwenden kaum Zeit, um das jeweilige Lied in den Mittelpunkt zu rücken. Himmlischer dürften die progmetallischen Klänge im Jahre 2024 selten erklingen. Progressive Metal hin oder her, ´Opposing Mirrors´ ist ein brillantes Ausnahmewerk für Jedermann und Jederfrau, verrückt oder nicht.

 

NEW HORIZON – Conquerors

(von Jürgen Tschamler)

Nach dem Ausstieg von Übersänger Eric Grönwall musste Jona Tee einen hochwertigen Ersatz finden. Das Problem hat er mit Nils Molin (DYNAZTY, AMARANTHE) bravourös gelöst. So klingt das zweite NEW HORIZON Album noch druckvoller, noch metallischer als der schon großartige Vorgänger. Ein Album, das in unmittelbare Konkurrenz zu H.E.A.T oder ECLIPSE geht und deren letzten Werke locker übertrumpft. Immer wieder feinster melodischer Power Metal mit gut platzierten Frickeleinlagen. Dazwischen sauber eingepflegte orchestrale Passagen und dieser gewaltige Gesang von Molin! Kurzum, ein brillantes Album mit verdammt großer Hitdichte.

 

SNOWY WHITE – Unfinished Business

(von Harald Pfeiffer)

Überraschend konnte Snowy White mit seinem neuen Album ´Unfinished Business´ die an ihn gestellten hohen Erwartungen sogar noch klar übertreffen. Irgendwie eine Art von  “Alterswerk” und deshalb sehr relaxed und laid back. Schöner Blues mit klugen, philosophischen Texten. Sicher eines seiner absolut stärksten Werke mit vielen feinen Gitarren und Melodien. Da freut man sich schon jetzt auf die nächsten Lebens-Kapitel eines unterschätzten und bescheidenen Musikers.

 

TY SEGALL – Three Bells

(von Marcus Köhler)

Vor einigen Wochen im Festsaal Kreuzberg boten TY SEGALL und Band rund zwei Stunden lang eine sowohl mitreißende wie perfekt gespielte Show, bei der schwerpunktmäßig Songs des ausgezeichneten aktuellen Albums ´Three Bells´ präsentiert wurden.

Segall drückt auf seinem neuesten Werk erneut auf sein kreatives Pedal, mit haufenweise knorrigen Arrangements und dem guten alten, verrückten Rock´n´Roll. Mehr als eine Stunde seines musikalischen Bewusstseinsstroms, der wild und frei umherschweift – und die Ergebnisse sind unvorhersehbar, im positiven Sinne unvollkommen und absolut faszinierend!

 

KAMASI WASHINGTON – Fearless Movement

(von Michael Haifl)

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich, KAMASI WASHINGTON ist nach sechs Jahren mit einem neuen Meisterwerk zurückgehkehrt. Für den US-amerikanischen Jazzsaxophonisten ist es kein weiteres himmlisches Epos, sondern sein irdisches Tanzalbum geworden. Dabei bezieht er sich allerdings auf Ausdruck und Bewegung. Mehr als zuvor bereichert er den Jazz mit einer Vielzahl an kulturellen und musikalischen Einflüssen. Die Geburt seiner Tochter scheint ihn von den himmlischen Sphären auf die Erde zurückgebracht zu haben und bevor all die vielen Gastsänger das Kind in den Schlaf wiegen, führt KAMASI WASHINGTON die Menschen mit spiritueller Energie in den modernen Jazz. Zauberei hin oder her, ´Fearless Movement´ ist für den Laien als auch den Fachmann des Jazz mehr als nur lohnend, verrückt oder nicht.

 

DAYFLY’S DIARY – See The Light

(von Less Leßmeister)

Willkommen zu der progrockenden Glücksseligkeit für Genrenerds als auch diejenigen, die normalerweise bei dem Schubladenbegriff nur Musikstudenten oder alte Neoprogger auf den ewigwährenden Spuren von GENESIS im Sinn haben. Nein, das hier ist was anderes. Weitaus mehr als Progrock. Die brennende Emotion des Metal mit der Eigensinnigkeit kauziger Musik lässt auf diesem Album die Licht überaus hell in den Ohren derer erscheinen, die sich darauf einlassen. Ich würde fast so weit gehen zu behaupten, dass jemand, der dem Zauber von DAYFLY’S DIARY nicht erliegt, Musik an sich grundsätzlich hasst.

 

ATROPHY – Asylum

(von Jürgen Tschamler)

Mit ´Asylum´  liefern die Amis um das einzig verbliebene Originalmitglied Sänger Brain Zimmermann einen massiven Abriss. Nach über 30 Jahren solch ein Album vorzulegen, bedarf Standing Ovations. Das Album schließt nahtlos an den Zweitling  ´Violent By Nature´ (1990) an. Spirit, Spielfreude und die Unbedarftheit ist in jedem Song herauszuhören. Supersolider Thrash Metal mit den alten Vibes. Die Band verbiegt sich nicht um irgendwelche Vorgaben zu erfüllen. Sie thrasht einfach und das ist das sympathische an diesem Album.

 

DARKTHRONE – It Beckons Us all

(von Sir Lord Doom)

Eine beinahe kindliche Freude überkommt jedes Mal den Fan um die 50, wenn das Ü50 Duo Fenriz und Nocturno Culto eine neue Platte ankündigt. Und 2024 gibt es den legitimen Nachfolger der gewaltigen ´Astral Fortress´, nur mit wirklich passend mystischem Artwork. Ansonsten more of the same, verschrobener, etwas garstiger, immer aber packender Heavy Metal, dem man die alte Black Metal-Boshaftigkeit noch anhört, der aber seinen ganz eigenen Weg geht und so kreativ wie selten bei alten Bands hymnische Songs der heaviesten Variante bietet, die eine Mischung aus dreckigem Heavy Metal, Doom, Spacerock, Punkmetal und Ur-Blackmetal darstellen. Eine ewige Liebe brennt mit frischer Flamme.

 

LORD BUFFALO – Holus Bolus

(von Harald Pfeiffer)

Sehr viel Wohlklang im ersten Halbjahr. Da sind LORD BUFFALO und ihr dunkles Werk ´Holus Bolus´ der richtige musikalische blutige Stachel im Fleisch und die richtigen Propheten des düsteren Zeitgeists. Kälte, Verzweiflung und Depression sind die Gefühle, die einem bei ihrer Musik anspringen. Die Faszination des Dunklen und Bösen hat meine musikalische Biografie immer begleitet und LORD BUFFALO führen das Erbe der vielen Apokalyptiker der Musikgeschichte gekonnt fort. Manchmal kann man unter ihrem nihilistischen Werk noch einen humanistischen Ansatz erkennen. Aber wirklich nur manchmal. Die Hoffnung stirbt zuletzt, oder?

 

THE WARNING – Keep Me Fed

(von Jürgen Tschamler)

Die All-Girl-Truppe, bestehend aus drei Geschwistern, hat aktuell einen super Lauf. Und das ist gut so. Zeigen sie doch, dass es möglich ist, einen unterhaltsamen, erfrischenden Mix aus Alternative Rock und (Modern) Metal zu spielen, der auf offene Ohren trifft und nur Kleingeister und metallische Puristen in die Flucht schlägt. Harte Grooves, schöne Ohrwurmpassagen, leicht rotzig und mit viel Alternative Attitüde ausgestattet, gibt man sich äußerst selbstbewusst. Trotz einer erkennbaren breiten musikalischen Vielfalt, wirkt das Album alles andere als konzeptlos. Frischer, junger Sound mit hohem Unterhaltungswert. Und das ist ja Musik, Unterhaltung! Sehr stark!

 

MISTRA – Waltz Of Death

(von Less Leßmeister)

Willkommen zum Grand Prix der Melodic Black Singer-Songwriter. In dieser Disziplin konnten einst in einem Paralleluniversum in einer Galaxis weit, weit entfernt lediglich der Zusammenschluss von CELTIC FROST und ABBA überzeugen. In unserem Universum des Jahres 2024 A.D. schnappt sich das Duo MISTRA den begehrten Award mit ihrem düster-atmosphärischen, magischen Album namens ´Waltz Of Death´, welches zum Tanzen zu schön ist, aber jedes Kaminfeuer in der dunklen Jahreszeit zur Naturgewalt werden lässt.

 

SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM – Of The Last Human Being

(von Michael Haifl)

Nicht für möglich gehalten, doch SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM sind nach 17 Jahren wieder von den Toten auferstanden. Sie überraschen weiterhin mit einer ihnen gegebenen Kreativität, sie überraschen mit einem geradezu organischen Sound. Wenngleich sie nicht immer ganz so verrückt agieren und nicht mehr so metallisch, so ist ´Of The Last Human Being´ natürlich das erhoffte Meisterwerk. Avantgarde-Kunst, Experiment ohne Chaos hin oder her, ´Of The Last Human Being´ ist verrückte Musik in verrückten Zeiten von verrückten Menschen für verrückte Menschen.

 

MELVINS – Tarantula Heart

(von Marcus Köhler)

Wenn es nach der Apokalypse noch etwas Lebendes auf unserem Planeten gibt, dann sind es ganz sicher die MELVINS! Mehr als 40 Jahre im Geschäft, dazu gefühlt noch jedes Jahr ein neues Album – diese Herren sind eben einfach unkaputtbar.

Ihr experimenteller Kunstlärm war schon von jeher das Gegenteil von allem Populären und Nachgeahmten, und die Besonderheit an ´Tarantula Heart´ ist, dass es sich um eine epische Jamsession gehandelt hat, aus der erst im Nachgang die Songs extrahiert und geformt wurden. Auch das beherrschen sie ganz famos und liefern ohne Zweifel eines ihrer stärksten Alben seit der Jahrtausendwende ab.

 

CEDRIC BURNSIDE – Hill Country Love

(von Harald Pfeiffer)

Das erste Halbjahr brachte viele starke Veröffentlichungen vor allem im Blues Rock Segment. Cedric Burnside und sein Album ´Hill Country Love´ überstrahlt die anderen Veröffentlichungen für mich noch ein wenig. Der so genannte “Hill Country Blues” ist die spezielle Spielart von Cedric und wurde ihm von Großvater, Vater und Mutter in die Wiege gelegt. Das er nicht nur ein außergewöhnlicher Gitarrist und Sänger ist, sondern eigentlich ein hoch dekorierter Schlagzeuger, hört man dem Album an. Denn Cedrics Blues ist stark von Rhythmik und Melodie geprägt, aber auch von anderen musikalischen Spielarten wie z.B. Soul. Alles auf höchstem Niveau. Großartig.

 

WARLORD – Free Spirits Soar

(von Sir Lord Doom)

2024 noch Musik wie die hier, in die Finger zu kriegen, ist irgendwie ein Wunder. Die Band noch Musik machen zu sehen, ist schon ein Wunder. Aber auch wenn das künstlerische Hirn schon länger in die nächste Welt aufgebrochen ist, flieg frei, Bill, so haben Freunde und Gleichgesinnte Musiker unter der Leitung von Urgestein und treibender Kraft Mark “Thunderchild” Zonder eine LP gezaubert, die einerseits die mystische Tiefe und zauberhafte Atmosphäre alter 80er WARLORD besitzt und doch frisch und furios die verhungernden Seelen der Liebhaber alter WARLORD mit frischem Futter versorgt. Der Sänger Giles Lavery ist ohnehin ein Guter, hat genau die stimmlichen Facetten am Start, den Zauber der Musik noch extra herauszukitzeln. Große Performance einer großen Band, die diesen Namen zurecht trägt.

 

 

Eure SaitenKlopper im Namen des Redaktionsteams

Harald, Less, Marcus, Sascha, Jürgen und Michael

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