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DEEP PURPLE – =1

~ 2024 (earMusic / Edel) – Stil: Classic Hard Rock ~


Im hohen Rock’n’Roll-Alter beginnt für DEEP PURPLE eine neue Zeitrechnung. Sänger Ian Gillan ist mittlerweile 78 Jahre, Schlagzeuger Ian Paice 76 und Bassist Roger Glover gleichsam 78 Jahre. Im Verbund mit Gitarrist Steve Morse begann für sie bereits vor 30 Jahren nochmals ein goldenes Zeitalter, samt den Werken ´Purpendicular´ (1996) und ´Abandon´ (1998), das sie mit Keyboarder Don Airey sogar zu neuen Triumphzügen und der meisterlichen Trilogie, samt den Werken ´Now What?!´ (2013), ´Infinite´ (2017) und ´Whoosh!´ (2020), führte.

Diese großartige Besetzung wurde jedoch im Jahre 2022 auseinandergerissen, als sich Steve Morse fürs Erste nur noch um seine krebskranke Ehefrau kümmern wollte. Überraschenderweise ersetzte ihn der heute 45 Jahre alte Gitarrist Simon McBride. Der Nordire hatte zuvor auf den Solotouren von Don Airey mitgespielt, war einst Mitglied bei SWEET SAVAGE und SNAKECHARMER, und spielte als längst festes Bandmitglied selbstverständlich auch das neueste Studioalbum von DEEP PURPLE mit ein.

Dementsprechend wollen die britischen Urgesteine im Jahre 2024 mit der aussagekräftigen und gleichzeitig irritierenden Betitelung des 23. Studioalbums ein weiteres, letztes großes Zeitalter einläuten. Denn ´=1´ tönt derart erfrischend wie einst das Debüt von Steve Morse bei DEEP PURPLE aus den Lautsprechern und transformiert Elemente des klassischen Bandsounds der Siebzigerjahre sowie Achtzigerjahre gekonnt und belebt in die Gegenwart.

Die alten Haudegen sind tatsächlich in den „Noble Street Studios“ von Toronto, Kanada, ein weiteres Mal mit Produzent Bob Ezrin in den Jungbrunnen des Rock gesprungen und lassen die gemeinsam alt gewordene Anhängerschaft dabei verdattert an die letzte Neuerfindung ´Purpendicular´ (1996), an das Comeback ´Perfect Strangers´ (1984) und teilweise an die Erfindungsgabe vor ´In Rock´ (1970) denken. ´=1´ fehlt allein der ganz große Evergreen für die Ewigkeit, um dieses neue Zeitalter mit einem großen Knall und einem wahrhaftig großen Bandklassiker zu starten.

 

 

Der forsche Auftritt ´Show Me´ beschert der seit vier Jahren auf neues Songmaterial wartenden Zuhörerschaft einen umgehend mitreißenden und spannenden Auftakt, mit einem entschlossenen Riff, einem immer wieder entspannten Zurücklehnen, einem Synthie-Solo von Keyboarder Don Airey sowie einem gekonnten Schlagabtausch mit Gitarrist Simon McBride und einer souveränen Steigerung zum Abschluss.

Dahingegen ist ´A Bit On The Side´ ein wuseliger Rocker, der selbst zum Höhepunkt noch viel Luft zum Atmen besitzt, und ´Sharp Shooter´ der erste hitverdächtige Hardrocker mit leichter Unterstützung aus dem gesanglichen Background.

Doch ein urklassischer Purple-Song folgt umgehend mit dem künftigen Konzert-Erlebnis ´Portable Door´ sowie mit ´Now You’re Talkin’´ und seiner hochgezogenen Melodielinie, später noch der nächste hitverdächtige Song mit dem melodischen und melancholischen ´Pictures Of You´.

Bei der elegischen und bluesigen Ballade ´If I Were You´ erhalten DEEP PURPLE ausnahmsweise von Streichern des „Nashville Music Scoring Orchestra“ sinfonischen Beistand, ehe Simon McBride zum willkommenen Solo ansetzt.

Mit Gefühl und unbändigem Schwung spielen DEEP PURPLE in ´Old-Fangled Thing´ zwischen Jam und Epos auf. Bei dem sich noch steigernden ´I’m Saying Nothin’´ kann Ian Gillan sogar einen kurzen Schrei nicht unterdrücken. Dem schließt sich obendrein das coole ´Lazy Sod´ im Sinne der frühen Bandjahre überaus lässig an.

Klassische Sounds, auf leicht dramatische Weise, steigen zudem aus dem melodischen ´No Money To Burn´ auf, beinahe tränenreiche, nordirische Gitarrenweisen entweichen ´I’ll Catch You´ samt eines entsprechenden Gitarrensolos und der drängende Rocker ´Bleeding Obvious´ lässt es sich zum Finale nicht nehmen, das varianten- und ideenreiche Werk mit einem progressiven Abschnitt zu schmücken. Schlichtweg ´1´ame Spitze.

(9 Punkte)

 

https://www.facebook.com/officialdeeppurple


Pic: earMUSIC – Jim Rakete
(VÖ: 19.07.2024)