OAKFARM – Oakfarm
~ 2024 (Pink Tank Records) – Stil: Blues/Heavy Rock ~
Kiel, Du schrecklicher Sündenpfuhl. Ich hätte nie gedacht, Dich noch einmal lobpreisen zu müssen, ob Deiner Rock’n’Roll Helden. Das ist alles 2014 für mich, Stoner Rock Szene, Rathausbunker, Bauwagen Platz, Kalifornia Crossing, BONE MAN. Meine Helden, meine großen Helden. Abgefahren schöne Musik, Hardrock mit 70s Feeling, Elemente des 90er Grunge und des Stoner Rock, Hymnen und Hitsongs.
OAKFARM sind nun die Fortsetzung, quasi BONE MANs Rhythmustruppe ohne Sänger Marian. Mit eben jener Rhythmustruppe habe ich, sagen wir mal, Erfahrungen. Da bin ich auch nicht allein. Aber da Liebe immer stärker ist als der Zorn und ich ja finde, dass Bassist Arne und Drummer Ötzi zusammen wohl das tighteste Rhythmusgespann Holsteins sind, quasi die Papparlardi / Laing, Bruce / Baker, Schacher / Brewer und Redding / Mitchell der Ostküstenszene, wollte ich ihrer neuen Band ganz ohne persönliche Dinge eine Chance geben.
Meine Güte, ich liebe ja eine Menge Musik und kenne die Musiker nicht. Lassen wir die Songs sprechen. Und schon der Opener ´What If´ hat mich. Melancholisch, trotzdem kräftig rockend, eindringliche Gesangsmelodie und schön sexy groovende, lockere, aber auf den Punkt gespielte Rhythmen. Im Grunde die Fortsetzung ihrer Ex Kapelle mit neuem Sänger / Gitarristen. Und der hat es mit seiner sanfteren, warmen und vollen Stimme in sich. Der Song hat eine leicht folkige Note, wie ich finde. Das gab es schon früher. Und diese Leadgitarren, diese melodischen Läufe, die sprengen Dir regelrecht die Seele. Auch das gab es schon zuvor und ich bin sehr glücklich, die alten Helden in neuer Formation auf dem gleichen Level wie früher zu hören. Man kann in den ruhigeren Momenten mit dem Song dahintreiben und wenn dann die Intensität angezogen wird und die Instrumente sich in wilder Leidenschaft ergehen, technisch immer top auf dem Punkt, hat man eine neue Hymne für schweißtreibende Liveerlebnisse gefunden.
´Reason´ an zweiter Stelle ist mehr der straighte Hardrock mit schwungvollen Rhythmen und tollen Gitarrenläufen, heißen Leads und brodelnden Akkordfolgen. Die Atmosphäre ist cool, extrem cool, aber nicht unterkühlt, sondern eher cool wie eine erdige Hardrockband in einer kleinen Kaschemme irgendwo in staubiger Wüstengegend am Rand des Highways vor einer Horde Engel nur sein kann. Sleazy, ja auf gewisse Weise ist dieser Song genau das. Aber auch sehnsuchtsvoll nach etwas seufzend, das nicht genau zu definieren ist und irgendwie auf der Strecke verlustig gegangen zu sein scheint. Genial ist der Gitarrist, wie er seine Sechssaitige liebkost, schlägt, umherwirbelt, ihr einzelne Töne entlockt, sie ganze Arien oder einfach nur den Blues singen lässt. Sie ist nicht nur Instrument, sie ist seine Geliebte, sie ist seine Seelenglut.
´The way´ ist dann etwas unerkühlt, hat starke Indierock Tendenzen, cool gespielt, getrieben von Melancholie. Das scheint ja auf diesem Album ein gewichtiges Stilmittel zu sein. Klingt so gar nicht norddeutsch, eher nach britischem 90er Stoff. Kiel goes Britpop? Wie immer steckt der Teufel im Detail und diese Band hier ist nicht so leicht einzufangen und in eine Schublade zu stecken. Ich mag die packende Art der Gesangsmelodien, welche die richtige Portion Dramatik mit sich bringen. Das Stück hat so ein Megapotential zum Hit in der erweiterten Indieszene, könnte sich 30 Jahre zuvor zu einer unsterblichen Songlegende entwickelt haben, wenn, ja wenn er eben 30 Jahre früher erschienen wäre.
OAKFARM beschreiben einen Bogen, von verspielten und feurigen US Grunge und Alternative Rockern zum nachdenklich verregneten UK Underground Pop. 1995 galore, würd ich sagen. Neu ist hier gar nichts, also neu neu, innovativ neu. Wer sich das zur Prämisse macht, hat eh einen schweren Stand. Ich mag zum Beispiel Vertrautheit. Und OAKFARM schaffen Vertrautheit mit frischem Ausdruck. Neue Hunde mit alten Tricks. Irgendwie ein geniales Konglomerat aus POLICE, CLASH, PEARL JAM, REM, STRANGLERs und MANIC STREET PREACHERS Elementen, ohne direkt die alten Helden der 80er und 90er zu benennen. Sie tuscheln hinter vorgehaltener Hand, deuten an und flüstern, wie die Wissenden und Schweigsamen in Geschichten von H.P. Lovecraft.
Ihre Musik hingegen ist natürlich direkt. Direkt auf dem Weg in Ohr und Herz. Das ist echt tief. Die Popelemente sind durch den Gesang sehr intensiv vertreten, aber nur eine gewisse Facette des Gesamtsounds. Wie auf den früheren Alben der Vorgängerband sind die Stücke so wild und ungezwungen, verspielt und doch eingängig. Sie atmen den Underground, die Verweigerung des platten gefälligen Mainstreams. Sie stecken voller Emotionen, Wut, Liebe und frivole Lust. Sie sind wie ein böses Erwachen am Morgen danach mit dickem Schädel, wie ein Blick aus dem Fenster, auf dessen Glas sich die Regentropfen festkrallen, wie ein Trip eine lange Straße entlang durch eine einsame, aber wunderschöne Landschaft und wie ein Anhalten an der oben schon genannten Kaschemme auf einen Drink, während das namenlose Rocktrio auf der Bühne steht und wie in Trance seine Wüstenhymnen zelebriert.
Cool gemacht, Hut ab vor OAKFARM. Es ist ein “mehr vom selben Kram” und doch ein Schritt vorwärts. Sie sind und sind nicht BONE MAN. Wer die alte Band kennt, wird die neue Band lieben. Für mich ist es ein Hochgenuss auf Tonträger. Man kann heraushören was man will, man liegt sicher richtig. 70er Malocherfolkrock, Britpop, Grunge, Hardrock, Wüstenrock, diverse große Legenden, deren Spirit sich hierin wiederfindet, aber doch nur als Gesamtbild eine tolle Rockband aus Kiel mit so schön hörbaren, mitfühlbaren und nachhaltig wirkenden Songs ergibt. So schlechte Menschen können sie also nicht sein, vielleicht manchmal zu verbissen in ihr persönliches Leitbild. Das sei Ihnen angesichts des neuen Werks für immer vergeben. Liebe ist stärker als Zorn und Musik ist Liebe. 8,5 Punkte locker.
https://oakfarm.bandcamp.com/album/s-t
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