MR. BUNGLE, OXBOW, SPOTLIGHTS
IPECAC GEEK SHOW, Zürich, 16.06.2024
~ On The Devil`s Playground ~
Für viele, die sich in den späten 80ern und frühen 90ern für Metal interessierten, war MR. BUNGLE sicherlich ein aufwühlendes Rätsel. Der Erfolg seiner Hauptband FAITH NO MORE schien Mike Patton damals nicht mehr allzu sehr gefallen zu haben, und je größer er schließlich wurde, desto mehr zog sich Patton in die anarchistische Unberechenbarkeit seines Nebenprojekts zurück.
Nachdem er mit seinem eigenen Label „Ipecac“ an den Start gegangen und somit genügend Spielfläche für seine musikalischen Extravaganzen geschaffen hatte, brauchte er MR. BUNGLE schließlich nicht mehr, und er schob das Projekt erstmal auf die lange Bank – bis es zur Reunion 2019 und dem erstklassigen Thrash-Comeback ´The Raging Wrath Of The Easter Bunny Demo´ gekommen war, und mit keinen geringeren als Dave Lombardo und Scott Ian in seiner Gefolgschaft.
Ich hatte Patton zuletzt zweimal live in München, 2000 mit FANTOMAS in der Muffathalle und 2015 mit FAITH NO MORE auf dem „Rock Avaria“ Festival, erlebt, und das war mindestens genauso mitreißend, entertaining und professionell, wie die frühen Gigs von FNM in den 90ern. Auf Scott Ian hätte ich jedoch nicht einen Pfifferling gegeben, es ist wirklich erschreckend wie belanglos seine Stammband nun schon seit vielen Jahren geworden ist, aber seine schiere Riff-Magie und die ungemeine Präzision an diesem Abend haben mir den Glauben an ihn wieder zurückgebracht.
Die Premiere der „Ipecac Geek Show, European Vacation“ auf dem europäischen Festland war also im stylisch atemberaubenden „X-Tra“-Club in Zürich, rund 300 km von meinem Heimatort entfernt, und ich schaffte es quasi noch in letzter Minute und erwischte nach ein, zwei Songs dann doch noch die erste Vorband.
SPOTLIGHTS
Das Post Rock-/Doom-Trio SPOTLIGHTS aus Pittsburgh konnte mich schon vergangenes Jahr mit seinem ausgezeichneten Longplayer ´Alchemy For The Dead´ überzeugen, und sie versorgten uns ebenso beeindruckend als Opener rund 30 Minuten lang mit ihrem verträumten Lärm. Ihr Sound ist auch live ungemein schwerfällig, fast schon lethargisch, und der Bass von Sarah Quintero grollt dabei wie eine Symphonie aus Druckluftbohrern. Mario Quinteros Gesang wirkt hingegen vergleichsweise eher dünn und zitternd introspektiv, und es sind gerade diese ständigen Kontraste, die diese Band so faszinierend machen.
SPOTLIGHT setzen ganz und gar auf transzendentale Wehmut und kreierten dabei einen nachdenklichen Sound, der am böswilligen Ende des Ambient angesiedelt ist. Da ich selbst noch unheimlich erschöpft von der weiten Anfahrt war, hätte es einen besseren Einstieg gar nicht geben können. Slowly und noch leicht verträumt, komme ich somit perfekt in den Abend hinein. Dazu noch ein Bier in der Hand – das passt!
OXBOW
Das kalifornische Quartett OXBOW ist mir schon seit Mitte der 90er vertraut, damals erschienen ihre beiden Landmark Alben ´Let Me Be A Woman´ und ´Serenade In Red´ (beide übrigens betreut von Steve Albini) noch beim sympathischen südbadischen Mini-Label „Crippled Dick Hot Wax!“, und ihre krude Mischung aus Experimental Rock und avantgardistischem Noise hatte mich schon damals in ihren Bann gezogen. Sänger Eugene Robinson ist auch live der klare Fixpunkt, sein Körper wirkt dabei die ganze Zeit über ungemein angespannt, als würde er dabei die Energie erst festhalten, die dann langsam über den Rand hinausströmt.
Schwarze Klebebandstreifen bedecken seine Ohren, und er strahlt eine einzigartige und intensive Bühnenpräsenz aus, mit geschlossenen Augen und voller Hingabe an jeden Moment. Robinsons Gesang ist kraftvoll und schmerzerfüllt, während er kreischend und heulend durch die ruckartigen, kantigen und sich ständig weiterentwickelnden Songstrukturen schreitet, und jeder Song fühlt sich dadurch ungemein lebendig an, voller Verlangen und Gefahr.
Der Sänger trennt sich im Laufe des Sets nach und nach von seiner Kleidung, und genauso wie er seine Klamotten entfernt, entfernen OXBOW Stück für Stück die Schichten und legen die fleischige, rohe Emotion frei, die ihren Sound durchdringt.
Eine ungemein intensive Performance, die ihre Show beim „Roadburn“-Festival 2017 sogar noch toppte. Ich frage mich nur, warum diese Band nach mehr als 30 Jahren immer noch nur ein Geheimtipp ist, etwas mehr Würdigung hätten sie durchaus verdient.
MR. BUNGLE
Nachdem ich vergeblich versucht hatte, beim dortigen Pressechef einen Fotopass zu ergattern (es wurden lediglich drei Fotografen mit professioneller Ausrüstung zugelassen), war die Enttäuschung erstmal recht groß, die Anspannung auf das zu Erwartende überwog jedoch eindeutig.
Es war jedenfalls klar gewesen, dass fast ausschließlich Stücke von ´Raging Wrath Of The Easter Bunny Demo´ sowie eine ganze Reihe genresprengender Cover geboten werden würden, aber bei MR. BUNGLE weiß man eben nie genau, was einen erwartet. Als Intro startet schließlich eine verzerrte Version von Richard Strauss‘ ´Also sprach Zarathustra, op. 30´, und wie sich in den folgenden rund 90 Minuten zeigen wird, tendiert das gesamte Set zum Eklektizismus und erlaubt uns nie wirklich lange, im selben Genre zu bleiben.
Der langsame Brenner ´I’m Not in Love´ aus den Siebzigern lädt zum ersten Mitsingen ein, und es ist schon unglaublich zu sehen, wie ANTHRAX‘ Gitarren-Kraftpaket Ian eine notengenaue Version des 10cc-Klassikers abliefert.
´Hopelessly Devoted To You´ aus dem Soundtrack von ´Grease´ ist eine ebenso exzentrische Linkskurve, und es beweist einmal mehr, dass Patton über einen beeindruckenden Stimmumfang verfügt, und es sind gerade diese Abstecher in die Welt der Fackellieder, mit denen er seinen goldenen Kehlkopf demonstriert.
Mike Patton steht zwar kurz vor seinem 60. Geburtstag, aber er hat immer noch etwas von einem bonafiden Freak. Sein Haar ist fest geflochten, und er wirkt insgesamt wie das Ergebnis einer Entführung durch Außerirdische, und stellt auch bewusst die Konventionen der Bandvorstellungen auf den Kopf, indem er sie in einen Bad-Joke-Contest verwandelt, bei dem jedes der anderen Mitglieder einen lahmen Witz erzählen darf und das Publikum per Klatschen darüber abstimmt.
Der vielseitige Charakter von MR. BUNGLEs Show ist bewusst aufrührerisch, aber das hindert sie nicht daran, auch ebenso köstlich unterhaltsam zu sein. Das ausgedehnte Intro von SLAYERs ´Hell Awaits´ ist für jeden Thrash-Kenner ein nervenaufreibender Moment und es gibt noch andere harte Cover-Versionen, etwa ´Loss For Words´ von CORROSION OF CONFORMITY oder ´Territory´ von SEPULTURA.
Gegen Ende des Sets drosseln sie das Tempo und präsentieren zumindest einen Titel aus den „Warner Brothers“-Jahren mit ´My Ass Is On Fire´, und als Show-Closer wird Eric Carmens zeitloses ´All By Myself´ als ´Go Fuck Yourself´ neu kalibriert, das ist mal wieder völlig infantiler Unsinn, aber eben exquisit im Mike Patton-Style.
Eine meiner absoluten Lieblings-Shows der vergangenen Jahre, wie auf einem Spielplatz des Teufels, der da seine derben Scherze treibt und die mal rasenden, mal beschwingenden Sounds stimmlich begleitet.
Setlist MR BUNGLE
Satan Never Sleeps (TIMI YURO Cover)
Anarchy Up Your Anus
Bungle Grind
I’m Not In Love (10CC Cover)
Eracist
Spreading The Thighs Of Death
Loss For Words (C.O.C. Cover)
Hell Awaits (SLAYER Cover/Instrumental beginning only)
True (SPANDAU BALLET Cover)
Methematics
Hopelessly Devoted To You (JOHN FARRAR Cover)
Hypocrites / Habla Español O Muere
Raping Your Mind
My Ass Is On Fire
Sudden Death
Encore:
Territory (SEPULTURA Cover)
All By Myself (ERIC CARMEN Cover)
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