WHOREDOM RIFE – Den Vrede Makt
~ 2024 (Terratur Possessions) – Stil: Black Metal ~
WHOREDOM RIFE sind V. Einride (u.a. auch bei SYNING und MANII, dem MANES Nachfolgeprojekt) und K.R (der auch bei den altehrwürdigen 90er Jahre Helden BLOODTHORN seit über 30 Jahren mitwirkt), beide auf der falschen Seite der Mitte 40 und beide voll im Thema drin. Auch sieht man am Namedropping, was für eine Inzucht die Trondheimszene um das kultige “Terratur Possessions”-Label ist. Aber geile Musik kommt immer irgendwie zustande. So auch auf dem nunmehr vierten vollen WHOREDOM RIFE-Album seit der Bandgründung vor zehn Jahren.
Das Titelstück eröffnet rasant. Also keine gemütliche Wendung gen Old School Heavy Metal und Doom, wie im Fall der Dauerbrenner DARKTHRONE, sondern das wogende und rasende Rollakkordinferno der 90er Garde mit, wie mir dann doch auffällt, enorm viel Harmonie und Melodie, welche in eine große Eingängigkeit münden. Falsch wäre es, hier nun an Popkommerz zu denken. Auch gerade und irgendwie hymnische Songs können sehr viel Tiefe besitzen und die irgendwie tragische Schönheit der Gitarrenmelodien in Verbund mit dem an den richtigen Punkten sitzenden Grollgesang durchdringt meine Seele förmlich.
Was geht da ab? ´Fiender´ folgt sogleich im Grunde dem Wege des Openers. Ein Hauptriff auf pfeilschnellem Drumming, allerdings noch Speedmetal vor dem totalen Blastbeat, jedoch auf gewisse Art monoton. Der Bass folgt dem rollenden Akkordinferno mit wiederholten Einzelnoten und einigen Melodieakzenten im Hintergrund, aber aufgrund der transparenten Produktion deutlich hörbar. Er wirkt scheinbar unbeteiligt und beiläufig, verdichtet aber das Songgefüge hin zur fast schon feierlichen Atmosphäre. Die Hauptmelodie ist wiederum hymnisch eingängig, tragisch schön, so erhaben nordisch von der Atmosphäre, als wäre sie dem traditionellen Liedgut der samischen Ureinwohner des Norwegischen Nordens entrissen, verdorben und im schwarzmetallenen Kontext mit neuem unheiligen Leben erfüllt worden. Doch ergibt sich noch mehr als das zwischen Strophen und Refrain wechselnde Verharren auf dem Hauptthema. Es kommt zu einem Bruch, ein episch erhabener Moment ohne Raserei erhebt sich aus dem Tosen, ein Moment für den alle dahergelaufenen Heldenmetalbands töten würden. Aus diesem Übergang schießt ein noch rasanterer Part, mit Gesang, mit furiosen Abritten, aber, anders als das Hauptthema, eher düster, morbide, eintönig unterkühlt, irgendwie irrsinnig und infernalisch und typisch für den nordisch klirrenden Blackmetal. Das typische Element täuscht ein wenig. Es passiert mehr, hier sind mehrere Schichten Musik übereinander. Die Passage explodiert schlichtweg, wird immer wilder, die Schreie immer unmenschlicher und wahnsinniger. Und sie bricht ein, nur diese düster epische Atmosphäre vom Anfang der Passage bleibt vorerst.
´Hevnens rett´ macht dann den Schritt zurück zu machtvollen, allerdings altbewährt rasendem Blackmetal. Norwegen pur, so möchte ich sagen. Düster und krankhaft sind die Melodien, zeitgleich enorm machtvoll und erhaben. Grimmig das klirrende Akkordrollen über dem Hyperblastdrumming, wogend die Rhythmik der Gitarren. Bis zum Einbruch dieser Eruption. Der bald daraus entspringende mittelschnell tänzelnde Part entwickelt dann eine schöne Eigendynamik mit feinen Gitarrenmelodien. Die Rückkehr zum rasanten Blackmetal fast prototypischer Art bringt einem allerdings erneut die Erkenntnis, daß man mit alten Stilmitteln zuweilen auch Musik erschafft, die gut und genau richtig so ist, jedoch einen Mangel an herausragenden Momenten aufweist. Damit will ich sagen, dass dieser Song etwas länger brauchen wird, alle Alleinstellungsmerkmale der hochgelobten Kultband aus Trondheim zu offenbaren, aber dennoch im Albumzusammenhang passt und die Freude beim Anhören aufrecht erhält.
Wäre es jetzt so weitergegangen, könnte das Album kippen. Nicht so bei WHOREDOM RIFE. Von jetzt an wechseln sie bei den Titeln von Norwegisch zu Englisch. ´Phantom Sword´ bricht wie eine wilde Jagd über den Hörer hinein, dessen dunkle Vorahnungen ob erhabener schwarzer Klangkunst sich erfüllen. Ein wieder einfaches und doch packendes Gitarrenmelodienspiel auf Blastbeats mit diesmal wenig Tragik, sondern mehr getrieben von einer furiosen Entschlossenheit macht auch diesen Song zum Dauerbrenner. Dann bricht es um und wird zu einer von simplen und effektiven Old School-Riffs auf treibenden punkigen Polkabeats getragenen Angelegenheit. Auch hier steppt nicht gerade der Innovationsbär, aber die peitschende Wucht dieser Passage ist genug dafür, Begeisterungzu generieren. Auch wenn sich dann diese beiden Parts immer mal abwechseln, so einfach lassen uns WHOREDOM RIFE dann doch nicht davonziehen. Ein episches Verschnaufen mit Rollriffs, jedoch ohne Drums übernimmt, tritt zurück und macht den Weg frei für eine infernalische Raserei mit etwas anderer Gitarrenmelodieführung, die einen eher melancholischen Ansatz mit sich bringt. Das wilde Drumming erlischt dann und nach kurzem Übergang geht das Hauptthema wieder los. Und zum Schluss nach dem letzten Polkapart spielt eine Kirchenorgel die Hauptmelodie, während dumpf und verstimmt Kirchenglocken schlagen. Darüber liegt ein komisches Geräusch, in Zirpen, Zischen und Kratzen. Unangenehm aber cool.
´Ravenous´ danach bringt wieder viele Stereotypen des norwegischen Blackmetal ins Spiel. Raserei, Monotonie, klirrende Kälte und infernalische Feurigkeit. Bis dann der zweite Songteil einsetzt, ein doomig schleppender Abschnitt mit toller Sologitarre bringt Melodienverliebtheit, der treibende Nachgang dann mit noch mehr Melodie eine makabre Schönheit und von Verderben singende Süße, bevor die ursprüngliche Raserei den Song zuende führt. Groß und erhaben hypnotisch präsentiert sich als Abschluss des Albums ´The Beautiful End Of All´, ein majestätisch tragisches Musikstück und passend zum restlosen Untergang der dekadenten Gesellschaft unserer westlichen Welt. Ein erhabenes Schreiten, darüber eine Fläche gewaltiger Melodie. Grollende Stimmdarbietungen, klirrend kalte Gitarren, trotzdem findet sich eine gewisse melancholische Wärme, die Schönheit quasi dieses Biestes. Dieses Lied lässt das Album und die ihm verfallenen Menschen würdevoll zum Abgrund marschieren und dann dort ins Verderben stürzen.
Die Norweger festigen ihren Stand in der internationalen Szene mit diesem schönen Werk und werden alle Fanatiker der wahren Lehre für sich einnehmen. Insgesamt mag die Musik dem schieren Underground entwachsen sein, aber ihre wunderbare Abseitigkeit werden auch öfter tourende und durchaus von größeren Szeneblättern umschwärmte Acts oft nicht los. WHOREDOM RIFE sehe ich sowohl auf den Bühnen der weltbekannten Festivals, als auch bei intimen und gewisserweise hermetisch zur Außenwelt hin verriegelten “Unter uns”-Veranstaltungen gleichsam umjubelt. Genau wie der klassische Heavy Metal und der noch klassischere Hardrock, lebt auch der Black Metal in all seiner Pracht und Verderbtheit noch mit voller Kraft und steht 2024 in einer allmächtig betörenden Blüte.
(8,5 Punkte)