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GASTR DEL SOL – We Have Dozens Of Titles

~ 2024 (Drag City) – Stil: Post Rock/Avant-Folk/Math Rock/Experimental ~


GASTR DEL SOL aus Chicago existierte von 1991 – 1998, und wenn man sich ´Camoufleur´, das fünfte und letzte Studioalbum der Band, anhört, fällt vor allem auf, wie frisch es auch ein gutes Vierteljahrhundert später noch klingt. Die Bandbreite der musikalischen Ideen ist geradezu obszön, und die Art und Weise wie Elemente aus Post Rock, Avant-Folk und Math Rock darauf verarbeitet wurden, ist immer noch höchst beeindruckend.

Die Band um David Grubbs (SQUIRREL BAIT, BASTRO) und Jim O`Rourke (später auch bei SONIC YOUTH) wurde damals zu einem zentralen Akteur einer brodelnden experimentellen Rockszene, die mit den verrücktesten Instrumenten des Folk und den mathematischsten Formeln des Rock spielte.

 

 

´We Have Dozens Of Titles´ ist nun ein Archivalbum und nachträgliches Abschiedsgeschenk und beinhaltet bislang unveröffentlichte Studio- und Liveaufnahmen, wie aus dem Tiefschlaf erwacht. Mit Live-Versionen von Favoriten wie ´Dictionary Of Handwriting“ und ´The Seasons Reverse´ sowie dem Avant-Jazz-Opus ´The Harp Factory On Lake Street´ aus dem Jahr 1995 bietet diese Veröffentlichung sowohl für langjährige Fans als auch für Uneingeweihte mehr als genug.

Der Großteil des Live-Materials stammt dabei vom letzten Auftritt der Band 1997, und die Qualität ist wirklich ausgezeichnet, wobei vor allem ´Blues Subtitled No Sense Of Wonder´ hervorsticht, hier auf rund 11 Minuten gestreckt, das von einem sanft glitzernden Intro zu einem dadaistischen Klavier-/Synthesizer-Workout mit minimalistischen Wurzeln schwankt und mit neoklassizistischer Anmut endet. Das sprunghafte, rein akustische ´Ursus Arctos Wonderfilis´ hingegen enthält ganz den Kern des Gitarrensounds, der später die Solokarrieren von Grubbs und O’Rourke bestimmen sollte,

Auch die Studio-Picks gehen weit über bloße Kuriositäten hinaus. ´Quietly Approaching´ etwa bietet leichte Klaviernoten, gut positionierte Bläser und manipuliert gleichzeitig mit einem Hintergrundsummen Raum und Stimmung mit meisterhaftem Geschick, das Stück hat etwas ungemein Zurückhaltendes und Tiefgründiges. ´At Night And At Night´ basiert auf gedämpfter Percussion und Drones und begibt sich auf eine kurze, aber spacige Reise, bevor es sich mit knackigen Gitarren-Tunes neu erfindet.

Viele der oftmals langen Songs werden eher selten durch konventionelle Pop-Strukturen eingeschränkt und packen das ganze Formenwirrwarr dabei in eine einzige Komposition.

Ganz gleich, ob das Duo und seine Gäste nun Gitarre, Blechbläser, Streicher oder Synthesizer einsetzt haben, GASTR DEL SOL ließ in seiner Blütezeit nichts unversucht. Dem wird ´We Have Dozens Of Titles´ auch voll und ganz gerecht, indem es disparates Material aus den Randbereichen ihrer Diskographie mit Aufnahmen verbindet, die zeigen, was die Band auch außerhalb des Studios so alles zu leisten vermag.

(8,5 Punkte)

 

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