KERRY KING – From Hell I Rise
~ 2024 (RPM/Warner) – Stil: Thrash Metal ~
DIE RÜCKKEHR DES KÖNIGS
Nach dem vermeintlichen Aus von SLAYER wegen diverser Zwistigkeiten innerhalb der Band sowie gesundheitlichen Problemen von Bassist und Sänger Tom Araya in 2019 mehrten sich vor Wochen Meldungen einer doch recht wundersamen Wiedervereinigung für zunächst einmal mehrere Liveauftritte im Line-Up Kerry King, Tom Araya, EXODUS-Gitarrist Gary Holt und Paul Bostaph hinter den Kesseln.
Nahezu zeitgleich zu den News erscheint dieser Tage das lang ersehnte und mit Spannung erwartete Soloalbum des Sechssaiten-Wüstlings Kerry King. Ganz so solo ist sein Alleingang freilich nicht, denn mit DEATH ANGEL-Sänger Mark Osegueda, seinem SLAYER-Kollegen Paul Bostaph am Schlagzeug, Ex-MACHINE HEAD- und VIO-LENCE-Gitarrist Phil Demmel sowie dem HELLYEAH-Bassisten Kyle Sanders hat der King ein echtes Dream-Team hinter sich versammelt.
´From Hell I Rise´ markiert die logische Fortsetzung seines bisherigen Schaffens und ist wie eine Zeitreise zu den letzten SLAYER-Werken bis zurück zu ´South Of Heaven´ oder aber ´Season In The Abyss´ Anfang der 1990er-Jahre – einige Überbleibsel der ´Repentless´-Sessions finden sich auch folgerichtig auf diesem Album wieder. ´From Hell I Rise´ ist somit die perfekte Ersatzdroge für alle SLAYER-Jünger. Allerdings klingt die Scheibe keineswegs altbacken, denn die Truppe schafft es gekonnt, den Sound vergangener Tage würdig in die Moderne zu transportieren. Das Hauptaugenmerk des Albums liegt selbstredend auf der Gitarrenarbeit und so zelebrieren der Meister und sein Compagnon Phil Demmel 13 irrwitzige Gitarrenriffs und solieren überraschenderweise teils sogar sehr harmonisch.
Setzt allerdings der Gesang von Herrn Osegueda ein, könnte der ein oder andere Titel auch locker auf einer DEATH ANGEL-Veröffentlichung stehen. Hin und wieder brüllt er allerdings in bester Araya- oder auch Anselmo-Manier seine Seele aus dem Leib. Neben einem starken Instrumental-Intro und einigen tollen zweieinhalb bis dreieinhalb Minuten Kloppern mit punkigem Einschlag finden sich auf dem Album sieben kompositorisch qualitativ hochwertige und spannende Stücke mit vielen kleinen Feinheiten und Details, was man so in dieser Form nicht unbedingt erwarten durfte.
Lediglich die Songreihenfolge ist etwas unglücklich gewählt, stehen die fünf mächtigsten Kompositionen doch gleich am Anfang der Scheibe, gefolgt von einer Handvoll kurzer Hau-drauf-Granaten, bevor noch zwei echte Knaller ´From Hell I Rise´ stilecht beschließen. Eine bessere Durchmischung hätte der Abwechslung und dem Hörgenuss sicherlich ganz gutgetan.
Tolles Album – so sollte old school Thrash anno 2024 klingen!
(8,25 Punkte)
Armin Schäfer
SLAYER sind die beste Thrash Metal-Band aller Zeiten. Daran wird sich auch niemals etwas ändern. Punkt! Und auch wenn ihre letzte Phase ohne die beiden Stammmitglieder Jeff Hanneman und Dave Lombardo zweifellos ihre schwächste gewesen ist, so war ihre Verabschiedung vor einigen Jahren dennoch ein schwerer Schlag. Der letzte Longplayer liegt nun bereits neun Jahre zurück, und das einzige verbliebene Gründungsmitglied mit Musikerambitionen liefert nun auch – endlich!
Kerry Kings eigentlicher Meisterstreich auf ´From Hell I Rise´ ist allerdings zweifellos die Rekrutierung von DEATH ANGEL-Frontmann Mark Osegueda, der dem Album eine ungeheuer intensive Wildheit verleiht und in stimmlicher Hinsicht die rohe Ausdrucksstärke Tom Arayas problemlos hinbekommt – und er ist manchmal sogar derart authentisch, dass man kaum einen Unterschied merkt.
Das kraftvolle Schlagzeug von Paul Bostaph, die sechssaitige Virtuosität eines Phil Demmell und das voluminöse Bassspiel Kyle Sanders dann noch hinzugefügt, ergibt das einen berauschenden, intensiven Mix, der über weite Strecken vollends überzeugt und vor allem auch durch die klare Produktion von Josh Wilbur (LAMB OF GOD, KORN, BAD RELIGION) zusätzlich aufgewertet wird. Trotz des etwas plumpen Albumtitels und -covers also eine Truppe, die man durchaus ernst nehmen kann, auch wenn Mr. King für mich im SLAYERschen Songwriter-Ranking definitiv noch nie den ersten Platz belegte.
´Diablo´ gibt dann den Opener und ist als rund zweiminütiges Instrumentalstück leider kein so guter Einstieg, zu altbacken und langweilig, wohingegen das folgende ´Where I Reign´ erste Anzeichen von gewohnter Qualität aufzeigt und gleich haufenweise fulminante Thrash-Pfeile losschießt. ´War Ensemble´ ist hier zweifellos ein treffender Vergleich, überhaupt besitzt Kings Debüt über weite Strecken die diabolische Zugkraft und Morbidität von SLAYERs Werken aus den späten 80ern und frühen 90ern.
´Residue´ ist schließlich ein erster Höhepunkt im ´Seasons In The Abyss´– (Song) und ´Mandatory Suicide´-Style, mit harten schleppenden Gitarren und mitreißendem Refrain, bei dem Osegueda wie eine leicht vitalisierte Version von Araya klingt und dabei seinem Quasi-Vorgänger in keinster Weise nachsteht. Ein harter beunruhigender Stampfer, direkt aus der Hölle!
Das bereits vorab veröffentlichte ´Idle Hands´ wirkt dann wie eine moderne Version von ´Chemical Warfare´, wobei vor allem die ausufernden Gitarren zum Ende hin in bester SLAYER-Manier dargeboten werden, mit gleich einigen tollen Riff-Ideen des Maestros. ´Trophies Of The Tyrant´ hingegen erinnert wirklich frappierend an ´Dead Skin Mask´, fast schon unverschämt im Refrain, macht aber trotzdem eine Menge Spaß und ist ebenfalls auf überdurchschnittlichem Totschläger-Niveau.
Mit ´Crucifixation´ bricht danach ein echter Speed-Knaller auf uns ein, bei dem King die wohl rasantesten Finger auf dem gesamten Album präsentiert, mit einem hypnotisierenden Mittelteil, so brillant wie SLAYER zu ihren besten Zeiten – zweifellos eines der absoluten Glanzlichter des Albums. ´Tension´ ist dann ein völlig langsam und unheimlich fortkriechender Song, so beängstigend in seiner Atmosphäre wie Vieles auf ´South Of Heaven´ oder ´Seasons In The Abyss´, aber so experimentell hat sich King in seiner bisherigen Laufbahn nur selten gezeigt, eine der ganz großen Überraschungen.
´Everything I Hate About You´ fehlt es hingegen an Abwechslung, hier wird nur gethrasht, aber recht einfallslos, und ´Toxic´ ist dann wieder ein feiner Midtempo-Stampfer, der zunehmend an Rasanz gewinnt, und dann wieder runterfährt, gespickt mit schrägen Soli und Osegueda in Topform. Mit ´Two Fists´ bietet uns King dann wütenden HC Punk a la CRO-MAGS mit einem unglaublich schweren Groove, und mit dem folgenden ´Rage´, getreu seiner Namengebung, eine weitere begeisternde Thrash Metal-Granate.
´Shrapnel´ folgt wiederum dem Midtempo-Schema, ein ungemein schwerfälliges Stück, das an ´Gemini´ erinnert und einmal mehr die meisterliche Versiertheit von King aufzeigt – hier präsentiert er sich erneut in absoluter Höchstform. ´From Hell I Rise´ ist dann wieder allerfeinste SLAYER-Schule und ein würdiger Album-Closer, mit wunderbaren versierten Old-School-Thrash-Gitarren und durchgeknallten Soli.
Eigentlich ein tolles Comeback-Album, das mir sogar besser als die letzten drei Werke von SLAYER gefällt, das jedoch aufgrund des unglaubwürdigen Vorgeplänkels um die Reunion-Gigs dennoch einen faden Beigeschmack hat. Herr King war eben schon von jeher genauso sehr ein gewiefter Geschäftsmann wie er der Herrscher über seine Gitarre war.
(8,5 Punkte)
Marcus Köhler
In Sachen KERRY KINGs neuer, selbstbetitelter Band und seinem ersten Output namens ´From Hell I Rise´ gehen die Meinungen hart auseinander. Kein grau, kein „geht so“, schlicht „Schwarz“ oder „Weiß“, sprich “Love or Hate” schwebt über dem 13-Tracker. Kontroverse Diskussionen wären angebracht, aber wie inzwischen in allen Lebensbereichen, stehen nur zwei Optionen zur Auswahl: für mich oder gegen mich.
KERRY KING hat es somit nicht leicht. Aber in Anbetracht des Line-ups, dass der ex-SLAYER-Gitarrist zusammengebastelt hat, kann man nur von einer geballten Kompetenz in Sachen Thrash Metal reden. An den Drums Paul Bostaph (ex-SLAYER, ex-TESTAMENT, ex-FORBIDDEN, ex-EXODUS, etc.), neben KING die zweite Riffmaschine namens Phil Demmel (ex- VIO-LENCE, ex-MACHINE HED, ex-TORQUE, etc.), am Bass Kyle Sanders (ex-HELLYEAH, ex-PIECE DOGS, ex-SKREW, etc.) und ins Mirko verbeißt sich kein Geringerer wie der wunderbare Mark Osegueda von DEATH ANGEL (u.a. auch ex-SWARM, etc.). Das sind die Hardware-Fakten. Beeindruckend aus meiner Sicht.
Und wie ist die Software, sprich die Mucke? KERRY KING wäre ja doof wenn er nicht die SLAYER-Karte spielen würde. Auch wenn er nicht das Feingefühl eines Jeff Hanneman (R.I.P.) in Sachen Songwriting und Riffgewalt hat, wirkt ´From Hell I Rise´ mörderisch brutal und eben auch sehr SLAYER-lastig. Wenn sich nun die Dauerempörten über den vorhersehbaren, angeblich minderwertigen SLAYER-Sound auslassen, dann sollen sie das. Es eliminiert aber nicht die Tatsache, dass dieses Album Zielgruppengerecht abliefert.
Sicher, man kann KING unterstellen, berechnende Songs zu liefern, aber was ist daran schlecht? SLAYER sind Vergangenheit und ´From Hell I Rise´ deckt viele der glorreichen SLAYER-Perioden ab, ´Where I Reign´ etwa mit nicht zu unterschätzenden ´South Of Heaven´-Einflüssen oder ´Tension´ mit ´Reign In Blood´-Versatzstücken. Das fies-schnelle ´Two Fists´ oder ´Shrapnel´ wirken wie aus der klassischen SLAYER-Schmiede und das ist sicher nicht nachteilig auszulegen. Ich fühle mich gut unterhalten.
Noch kurz etwas zu Mark Osegueda, der unüberhörbar versucht, sich von DEATH ANGEL abzugrenzen und eher nach Tom Araya zu klingen. Das gelingt ihm über weite Strecken gut und zeigt deutlich, welch ein außergewöhnlicher Sänger er ist.
Kurzum, wer mit Vorurteilen an das Album geht, wird diesbezüglich Bestätigungen finden. Wer einfach Bock auf hochprozentigen SLAYER-lastigen Sound hat, der wird mit diesem Album gut bedient.
(8 Punkte)
Jürgen Tschamler
Pics: Andrew Stuart
(VÖ: 17.05.2024)