HAUNTED – Stare At Nothing
~ 2024 (Ripple Music) – Stil: Doom ~
Der Titel erinnert mich an das von einer posttraumatischen Störung aufgrund einer Tätigkeit als Soldat an vorderster Front oder als Einsatzkraft im Katastrophenfall und daraus resultierender tiefster emotionaler Erschöpfung ausgelöste Starren in die Leere, das berühmte “100 yards stare”. Das? Der? Eigentlich Neutrum. Hätte der Alte mal damals in der Schule besser aufgepasst in Deutsch. In Erdkunde war ich ganz passabel. Ich weiss, dass Catania auf Sizilien liegt, der Fußball unten am italienischen Stiefel sozusagen. Auch, weil mein Ex-Chef immer mit dem Flieger dorthin gereist ist, um sein sizilianisches Urlaubsdomizil aufzusuchen. Seinen eigenen Besitz, wohlgemerkt, das sei ihm aber gegönnt.
Und was machen die Sizilianer denn für schöne Musik? Der Bandname spricht ja schon dafür, dass man hier nicht mit romantisch fluffigen Popsongs rechnen sollte. Und das Intro des Albums mit den gespenstischen Stimmen, die da umherschwirren, sowie ebenso heimsuchenden Geräuschen vom Synthesizer, Zischen, Zwitschern, Surren und sonstiges Rumoren, unterstreicht dies perfekt.
Zumeist findet sich hier sehr schwerer, von zerrig makabren Riffs geführter Doom der urwüchsig – ursprünglichen Art, dem man allerdings einen sehr ätherischen und verflogenen Gesang einer Dame aufoktroyiert hat. Insbesondere im kurzen und eher sphärischen Song ´Fall Of The Seven Veils´ kommt dieser gut zum Tragen. Man gewinnt sogar den Eindruck einer Mehrstimmigkeit. Bei den Heavy-Nummern geht dieses Gefühl im allgemeinen Donnern der wuchtigen Gitarre unter, aber hier schwingt da noch ein Gesang mit, der sich nicht auf Halleffekte zurückführen lässt.
Vielleicht sind die Gitarren zu brutal verzerrt, ebenso der Bass, vielleicht sind hier und da ein paar Elemente zuviel verbaut, die nicht purer Doom sind, aber was ist Doom? Wo setzt man die Definition von Doom an? Nimm 10 Doomster und sie alle erzählen Dir was anderes. CULT OF TRUE DOOM ist eventuell eine andere Ebene. Aber ich verorte HAUNTED ganz klar im Doom. Die brodelnden Heavy Gitarren und insbesondere die Soli liegen ganz eindeutig auf einer Linie mit den Bestimmungen des Genres. Der ätherische Gesang der schönen Dame ist etwas über dem Geschehen, wirkt teilweise fast distanziert. Fast wie eine Folkrocksängerin der 70er. Nur hypnotisierender, wie eine Schlangenbeschwörerin.
Die Rhythmen sind nicht immer so erschlagend schwer, viele tänzelnde Momente geben den Songs einen Extraschwung. Da ist dann weniger dieses gewaltige Wogen, gleich einen vom Sturm gepeitschten Meer zu erleben, sondern ein fast luftiger Groove, der zum Tanz zu betörend singenden und Leadgitarren einlädt. Dies ist bereits moderne Psychedelica. Am Ende gewinnen zwar die doomigen Aspekte, aber diese Rockmomente und die durchaus sehr griffigen Refrain Gesänge sorgen für frischen Wind.
Ich habe nun im Laufe der letzten 34 Jahre Doom in allen möglichen Formen und Farbtönen gehört. Neu ist mir diese Mischung aus schwerer und makabrer Gitarrenurgewalt und schon traumwandlerischer Gesangsschwebereien tatsächlich nicht, da ja nun auch das Genre melodientechnisch in einem gewissen Rahmen hängen bleibt. Es ist den vier Sizilianern jedoch wirklich berührende und herrlich trippige Musik gelungen. Und das macht tatsächlich Lust auf mehr. Und es gibt ja noch mehr, denn dies ist bereits die dritte Scheibe der Band.
Auch wenn sie ganz aus dem Süden Europas stammen, ist Ihnen doch eine recht kühle nordische Ausstrahlung zu eigen. Ich denke, in der richtigen Stimmung kann man bei dieser Musik nicht nur Spinnennetze aus den Boxen quellen, sondern auch Bergtrolle um Lagerfeuer tanzen sehen. Kult oder Kommerz, das machen die Fans und Hörer von Doom Metal für dieses Album mit sich selber aus. Da ich auf Gruppen wie SUB ROSA, UZALA, WINDHAND und KING WOMAN stehe, geht mein Daumen eindeutig nach oben und meine Geldbörse ganz von alleine auf. Ist halt wie immer bei dem Label, da machst du alles richtig mit.
(8,5 Punkte)
https://www.facebook.com/hauntedbandcoven
(VÖ: 19.04.2024)