JahresrückblickeMeilensteine

Flashback 2023

~ Unser geliebter kleiner Jahresrückblick ~


Nun ist es vollbracht.

Das Jahr 2023 schreitet seinem großen Finale entgegen, während wir in dessen letzten Zügen nochmals in uns gegangen sind. Wir haben gedanklich und analog wiederholt die wichtigsten Alben der vergangenen zwölf Monate durchgespielt, um die nicht einfachen Entscheidungen für den Jahresrückblick treffen zu können.

Daher ist jetzt der große Augenblick gekommen. SaitenKult präsentiert die schönsten Scheiben des Jahres 2023. Alle teilnehmenden Redakteure haben für Euch ihre allerliebsten Scheiben aus zwölf Monaten ausgewählt.

Im zweiten Teil unseres Flashbacks finden sich obendrein die vollständigen Listen der jeweiligen Top 30 unserer Redakteure. An dieser Stelle beginnen wir jedoch mit der Vorstellung der jeweiligen fünf Schönheiten des Jahres.

Vorhang auf, hier kommen die funkelnden Schönheitspreise.

 

 

 

Michael Haifls

Schönheitspreise

 

 

 

HEAVY LOAD – Riders Of The Ancient StormDie Reiter der Apokalypse sind im Anmarsch, doch erst einmal begrüßen wir die ´Riders Of The Ancient Storm´. Denn über die Rückkehr von HEAVY LOAD frohlockte der metallische Underground enorm. Allen Ernstes hatte vierzig Jahre nach ´Stronger Than Evil´ niemand mehr mit den Wahlquist-Wikingern gerechnet. Überraschenderweise klingen sie heutzutage genauso authentisch und analog wie in ihren besten Tagen. Ihre konsequenten Einflüsse haben wahrscheinlich immer noch ihren Ursprung in jenen Tagen, als sie ihre ersten Wikingerschiffe gebaut haben. Denn HEAVY LOAD wissen sogar noch in diesem Jahrtausend wie Heavy Metal-Melodien zu klingen haben. ´Riders Of The Ancient Storm´ enthält in der Tat nur Fest- und Jubelgesänge sowie echte Schlachtenhymnen. So nahe kam niemand an den klassischen und wahren Heavy Metal, nur ´Riders Of The Ancient Storm´.

MONIKA ROSCHER BIGBAND – Witchy Activities And The Maple DeathZum Glück gab es im Jahre 2023 ´Witchy Activities And The Maple Death´. Aber diese MONIKA ROSCHER BIGBAND spielt nicht einfach Math. Sie lebt sich präziser formuliert im Math-Jazz, Artrock, Psychedelic Rock, Avant und Chamber Pop, sogar in der Electronica und Kammermusik aus. Diese Bigband des Nu-Jazz ist gekommen, um einfach alle Menschen glücklich zu machen. Wann immer die MONIKA ROSCHER BIGBAND 2023 aus den Boxen schallte, schien die Welt noch in Ordnung. Der Ahorn verkam zu Sirup und die Welt, mit ihren Prinzessinnen und Feuervögeln, blickte glücklich in das Sternenmeer. Jedenfalls die, die nahe genug an die ´Witchy Activities And The Maple Death´ herankamen.

TRISTAN BRUSCH – Am Wahn – Nahe ´Am Wahn´ gibt zu verstehen, opulente Musik mit deutschen Texten zu genießen. Vieles andere in diesem Jahr ist einfach Schmarrn. Bei TRISTAN BRUSCH dürfen Frauen noch Engel oder Huren sein, hier wird noch geraucht und gesoffen. Natürlich dreht sich alles um die Liebe und den Tod. Wer braucht schon Nachbarn und Gespenster, wenn nur die Liebe das alles entscheidende ist, mit Engeln und Jungfrauen. Womöglich mit einer Zigarette im Mundwinkel und einem Messer im Rücken. Ob die Musik von TRISTAN BRUSCH allerdings Chanson, ob sie Singer-Songwriter oder Liedermacher ist, scheint völlig einerlei. Sie ist einfach mal nahe ´Am Wahn´.

THE CHRONICLES OF FATHER ROBIN – The Songs & Tales Of Airoea – Ach du heiliger Strohsack, beim Genuss der dreiteiligen Saga ´The Songs & Tales Of Airoea´ glaubt der Hörer tatsächlich im Wald zu stehen. Ach herrje, Seborrhoea. Eine Besetzung aus Musikern von WOBBLER, TUSMØRKE, THE SAMUEL JACKSON FIVE und JORDSJØ ersann eine mythologische und naturverbundene Geschichte über Pater Robin in einer altertümlichen Welt namens Airoea. Eine fühlbar nordische Atmosphäre geht in den epischen Klängen des Siebzigerjahre Progressive Rock auf. Dabei sind THE CHRONICLES OF FATHER ROBIN in der Gegenwart gänzlich einzigartig. Und: Nur reine Seelen laben sich nachts am Feuer an den Tönen und Weisen von ´The Songs & Tales Of Airoea´, ganz nahe an den Flammen.

JOHN COLTRANE – Evenings At The Village Gate – John Coltrane und Eric Dolphy schenken dem Jazz-Liebhaber mit ´Evenings At The Village Gate´ eine unveröffentlichte Live-Aufnahme – und es wird kein Watergate. Obwohl die lang verschollene Aufnahme nicht ganz das volle Bühnen-Spektrum in allen Farben offenlegt, so ist die Veröffentlichung dennoch ein großes Vermächtnis der kurzen musikalischen Zusammenarbeit zwischen Eric Dolphy und John Coltrane. In noch nicht einmal einem Jahr hatten sie die Alben ´Olé Coltrane´, ´Africa/Brass´ und ´Live At The Village Vanguard´ eingespielt. Jetzt wird diese außerordentliche Musik-Union endlich von einem vollständigen Live-Album gekrönt. Und wir dürfen im Kellerraum des „Village Gate“ noch einmal Platz nehmen, noch einmal dabei sein, ganz nahe dran.

 

 

 

Marcus Köhlers

Schönheitspreise

 

 

 

METALLICA – 72 Seasons – Nach 40 Jahren an Veröffentlichungen und Jahrzehnten auf dem Gipfel des Erfolges, waren die Erwartungen an ein neues METALLICA-Werk natürlich auch anno 2023 besonders hoch. Die Rahmenbedingungen für das elfte Studioalbum der vier Kalifornier hätten jedenfalls gar nicht besser sein können: Pandemie und Lockdown, noch weitere, geradezu apokalyptische Horrorszenarien infolge des Klimawandels und Krieges, und vor allem die persönlichen Dämonen eines James Hetfield, der mit seiner Alkoholsucht und familiären Problemen zu kämpfen hatte, sorgten für eine Atmosphäre des inneren Aufruhrs und der Selbstreflexion.

´72 Seasons´ ist an sich zwar kein Konzeptalbum, aber vom Albumcover bis hin zu den Dutzenden knallharten Songs wird es von dem vereinheitlichenden Thema zusammengehalten, wie unser Erwachsenenleben von unserem jüngeren Selbst geprägt ist, dem Guten wie dem Bösen – und es ist das mit Abstand beste METALLICA-Werk seit dem ´Black Album´! Jede Ära ist hier vertreten, aber auf eine ehrliche, fast unbewusste Art und Weise, die die Band von Natur aus zu ihren Wurzeln zurückführt. Es ist eine Liebeserklärung an die Vergangenheit und gleichzeitig ein Blick nach vorne. METALLICA finden sich hier nun endlich in ihrer archetypischen Form wieder – und die Seelenreinigung von ´72 Seasons´ fühlt sich echt und wahrhaftig an, so als wäre ein Leben voller Lasten, zumindest teilweise, für den Moment von uns genommen.

HELMET – Left – Ich kenne das New Yorker Noise Rock-Quartett nun bereits seit ihren Anfangstagen, habe sie bei ihren Europa-Debüts 1991 im Rahmen der „Ugly American Overkill“ Tournee live miterlebt, und sehe sie vor allem aufgrund ihrer ersten vier Werke nach wie vor als eine der bedeutendsten Bands der 90er. HELMETs heruntergestimmter, mechanischer und kolbenartiger Groove-Riffing-Stil war jedenfalls von Beginn an ihre Trademark, und ´Meantime´ von 1992 ist zweifellos nach wie vor eines der besten Crossover/Alternative Metal-Alben aller Zeiten.

´Left´ erinnert nun genau an diese glorreichen Tage und enthält einige der einprägsamsten, treibendsten und zugleich komplexesten Riffs des Jahres sowie eine breite Palette an Sounds. Es braucht zwar zweifellos mehrere Umdrehungen, um es in seiner ganzen Genialität zu erfassen, aber es gelingt HELMET nach rund 30 Jahren und ihrem letzten Meilenstein ´Betty´ nun endlich einmal wieder, ein vollends überzeugendes, wirklich umwerfendes Album zu präsentieren, das den ursprünglichen Sound der Band verkörpert und ihn dabei in die Gegenwart übersetzt. Neben METALLICA für mich das Comeback des Jahres!

CODE ORANGE – The Above – CODE ORANGE aus Pittsburgh, Pennsylvania waren schon immer ausgesprochen experimenteller Hardcore, und unter den ganzen Schichten an technischer Zauberei und den donnernden, gewalttätigen Harmonien verbirgt sich die Knochenstruktur einer Band, die eben über die bestehenden Parameter dessen hinaus denkt, was im Genre ansonsten erlaubt ist.

Rund dreieinhalb Jahre nach ihrem atemberaubenden dritten Album ´Underneath´ präsentiert das Sextett nun den Nachfolger bzw. das selbsternannte Schwesteralbum ´The Above´, und man stellt schon nach den ersten Tönen fest, dass die Verschmelzung ihres Markenzeichens an Industrial Metal, Hardcore Punk und Metalcore mit den verschiedensten Spielarten des Alternative Rock auf dieselbe kühne, höchst herausfordernde Art fortgeführt wird. Ästhetisch gebrochen, ahmt ihr Sound den eigenen Raum erneut auf eine Art und Weise nach, die genauso fesselnd wie auch verstörend ist.

´The Above´ hat ebenso viel klaren Gesang wie wildes Bellen, es hat manische sowie spastische Anfälle von Industrial Metal und Hardcore Punk und haufenweise wütende, unverfälschte Breakdowns. Als Erben einer neuen Hardcore-Generation, die ihre Zukunft selbst gestaltet, bleiben CODE ORANGE jedenfalls nach wie vor eine wahre Naturgewalt!

PJ HARVEY – I Inside The Old Year Dying – Vor über dreißig Jahren erschütterte ihr mitreißendes Albumdebüt ´Dry´ die Musikwelt, und es ist ein Segen zu sehen, dass PJ Harvey nach ihren eigenen Vorstellungen immer noch äußerst unabhängige Musik macht. Sie ist zweifellos eine der mutigsten Künstlerinnen Großbritanniens, und kein einziges ihrer Werke klingt gleich.

´I Inside The Old Year Dying´ ist ihr erster richtiger Longplayer seit sieben Jahren, und die zwölf Songs bewegen sich darauf zwischen spektral und geglättet, wobei Harvey diesmal Field Recordings und weitere Effekte nutzt, um faszinierende Hintergrundtexturen zu erschaffen. Sie verbindet dabei Intimität und Experimentelles, und es entsteht dadurch etwas aufregend Einzigartiges, natürlich wieder pastoral und poetisch, aber mit Momenten des Unbehagens und prall an explosiven Ausbrüchen.

Das Album entstand aus einem Bedürfnis nach Neuem, in dem Harvey eine erfrischende Interpretation des Zwecks von Kunst außerhalb ihrer wörtlichen Bedeutung präsentiert, und es gelingt ihr sogar auf ganzer Linie, sich selbst eine neue Richtung zu geben. Wieder einmal: meisterlich!

BARONESS – Stone – BARONESS kehren nach rund vier Jahren Pause mit ihrem mittlerweile sechsten Studioalbum zurück, und es ist zudem das erste Werk der Band, das keine Farbe im Titel trägt. ´Stone´ wurde auf dem Höhepunkt der Pandemie aufgenommen und zeigt Frontmann/Haupt-Songwriter und Gitarrist John Baizley, Gitarristin Gina Gleason, Bassist Nick Jost und Schlagzeuger Sebastian Thomson erstmals in einer wahren Gemeinschaftsleistung, bei der jedes Mitglied zum Songwriting beigetragen hat.

Das Album ist vor allem eine echte Meisterleistung in der Studie von Kontrasten, die zwischen düsteren Akustiknummern wie dem PINK FLOYD’schen Psychedelic Folk des Eröffnungssongs ´Embers´ und der wuchtigen Intensität von ´Last Word´ schwankt, das ein tief gestimmtes Stoner-Riff mit Thrash-Akzenten und markigem Gesang kombiniert.

Der Mix und die Gesamtproduktion ist in nahezu allen Aspekten nun wieder viel knackiger und klarer, und  ´Stone´ bietet eine insgesamt andere Version von BARONESS, die etwas ausgefallener und zudem weit experimentierfreudiger ist. Trotz all seiner aggressiven Aspekte ist es jedoch auch ein friedliches Album, das den Hörern Trost und Nahrung spendet. Die neue Balance ist ihnen jedenfalls mehr als gelungen!

 

 

 

Jürgen Tschamlers

Schönheitspreise

 

 

 

WINGS OF STEEL – Gates Of Twilight – US Metal-Nerds: Das ist das Album der Stunde!

LA CHINGA – Primal ForcesFeinster Fucking Heavy Metal Rock´n´Roll von dem kanadischen Trio. Hard, ehrlich, cool, mit positivem Vibe.

MEZZROW– Summon Thy DemonsMit weitem Abstand eines der besten Comeback-Alben im Thrash Metal. Eine kompromisslose Thrash Metal-Scheibe, die weitgehend ohne Innovationen auskommt, aber dafür 150% Old-School-Thrash Metal liefert.

CHEMIKILLED – Aftermath (Vinyl) – Hymnisches Power Metal-Album endlich auf Vinyl. Wer auf eine Mischung aus DESTRUCTOR und NIGHTCRAWLER steht, für den ist dieses Teil grundsätzlich Pflicht.

DESTRUCTOR – Blood, Bone And Fire´Blood, Bone And Fire´ ist der ultimative Nachfolger von ´Maximum Destruction´. Punkt.

 

 

 

Less Leßmeisters

Schönheitspreise

 

 

 

ADORNED GRAVES – The Earth Hath Opened Her Mouth – Wir befinden uns im Jahre 2023 n.Chr. – Ganz Metallien ist von engstirnigen Bands besetzt, die stur ihrer einzigen Stilrichtung folgen… Ganz Metallien? Nein! Eine von unbeugsamen Pfälzern bevölkerte Bruderschaft hört nicht auf, den Engstirnigen Widerstand zu leisten und widmet sich allem, was den Metal so abwechslungsreich macht, auf einem einzigen Album. Und diesmal noch epischer, doomiger, thrashiger, powervoller und melodischer als je zuvor.

FRONT ROW WARRIORS – Wheel Of Fortune – Wir befinden uns im Jahre 2023 n.Chr. – Ganz Melodia ist von jenen besetzt, die eine neue Metal-Queen für ihren Kult suchen… Ganz Melodia? Nein! Ein von unbeugsamen Baden-Schwaben bevölkertes Dorf hat sie bereits gefunden und leistet jedem AOR-Eindringling Widerstand, der sie zwischen HEART, VELVET VIPER oder CHASTAIN immer noch sucht. Und die Bandbreite ihrer glücklichen Musiker, die ihr schreiben können, was sie ohne gesangliche Limitierung wollen, ist immens.

ENDTIME PROPHETS – A New Religion – Wir befinden uns im Jahre 2023 n.Chr. – Ganz Gothiania ist von Schlagerheinzeln, neuen deutschen Härtnern und Trällersusen besetzt… Ganz Gothiania? Nein! Eine von unbeugsamen ehemaligen Deathern, Avantgardisten und Metallern bevölkerte Gemeinschaft hört nicht auf, dem Eindringling der Massenkompatibilität Widerstand zu leisten und ersinnt eine feine Melange aus all‘ dem, was ihnen gefällt und sogar als Music for the Masses mit Niveau, Härte und Tanzbarkeit durchgeht.

SATURNUS – The Storm Within – Wir befinden uns im Jahre 2023 n.Chr. – Ganz Düsterburg ist von seelenlosen Blackdeathern und Doomeweilern besetzt… Ganz Gallien? Nein! Eine von unbeugsamen Dänen bevölkerte Kommune hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten und ihren im Doom- und Death Metal beheimateten Weisen eine gehörige Portion Atmosphäre zu verleihen, die die aufmerksame Trauergemeinde letzten Endes unheimlich glücklich macht.

WOLF PRAYER – Spell Of The Crimson EyeWir befinden uns im Jahre 2023 n.Chr. Die ganzen Fuzzippinen sind von Retros, Stonern und Psychedelics besetzt… Die ganzen Fuzzippinen? Nein! Eine von unbeugsamen Pfälzern bevölkerte Combo hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten und entfaltet Frequenzen, die mit ihrer harmonischen Fuzzyness alle ungewollten Feedbacks, schlechte Spacetrips, Mammuthdung und waberndes Geschwurbel hinwegrocken und dem Kraut endlich einen neuen Geschmack verleihen.

 

 

 

Harald Pfeiffers

Schönheitspreise

 

 

 

Was für ein Jahr! Nicht unbedingt wegen der Neuveröffentlichungen, nein, eher wegen der THIN LIZZY-Veröffentlichungsflut, die einen großen Teil des musikalischen Budgets und der musikalischen Aufmerksamkeit des THIN LIZZY-Addicts aufbrauchte.

Aber auch an der Front der Neuveröffentlichungen gab es einige erfreuliche musikalische Erlebnisse. Ein „Sleeper“. Dieser Begriff war früher in der musikalischen Terminologie eine Platte, die man schon ganz gut fand, die aber mit der Zeit dann noch immens an Bedeutung gewonnen hat. Die Schweden SIENNA ROOT und ihr ´Revelation´ Album habe ich sofort gemocht. Aber mit jedem Hören ist meine Anerkennung für die Band angestiegen. Das sind keine Retro-Jünger, weil ihnen nichts Neues einfällt. Nein, die Band ist eine Inkarnation der Rockgeschichte, als es noch um Liebe und musikalische Freiheit ging. Vielleicht passen sie nicht in den Zeitgeist, aber wer 2023 Klassiker wie ´Dusty Roads´ oder ´Keeper Of The Flame´ schreiben kann und mit Zubaida Solid eine Sängerin in den Reihen hat, die an Legenden wie Grace Slick erinnert, kann den jährlichen Wettbewerb nur gewinnen. Und dass mit einer Vinylplatte, die auch vom Sound und der Covergestaltung perfekt ist.

Auch THE COLD STARES und ihr sechstes Album ´Voices´ orientiert sich an Vorbildern der goldenen Rock-Jahre und zwar an legendären Trio-Besetzungen wie THE CREAM. Aber ihnen gelingt es, diesen Spirit mit der Kälte und Härte der heutigen Zeit zu verbinden. Auch Balladen wie ´The Ghost´ gehen der Band leicht von der Hand. Ihr sechstes und bisher stärkstes Album zeigt (inzwischen) drei gereifte Musiker, die wie im Vorjahr LARKIN POE zu den großen Rockhoffnungen der USA gezählt werden können und müssen. Ein Durchbruch wie der der LARKIN POE-Schwestern wäre für die Band aus Indiana hochverdient. ´Voices´ hat einen hohen Suchtfaktor und THE COLD STARES sind bereit, jedes andere aktuelle Rock-Trio an die Wand zu spielen.

Die nächste Band muss sich nicht an Legenden orientieren, denn sie ist selber eine Legende. 20 Alben lang sind OVERKILL (fast nie) von ihrem aufrechten Metal-Weg abgegangen. Auch wenn ihre ersten beiden Alben für mich nach wie vor unerreicht sind, erleben OVERKILL mit ´Scorched´ einen weiteren Höhepunkt ihrer an Höhepunkten reichen Karriere. Keine Kompromisse in Sachen Härte und Dynamik. Keine faulen Kompromisse in Richtung Anpassung an neue Wellen. Diese Doppel-Strategie macht die Band zu einem Riesen der Metal-Community. Aber strategisch denken die New Yorker nicht. Sie spielen, was sie lieben und das merkt die geneigte Headbangerin /der geneigte Headbanger und liebt sie wieder dafür. Extra-Preis für das Lebenswerk. Aber bitte weitermachen.

Die Schweiz scheint eine feste Größe in meiner Top Five zu werden. Letztes Jahr Anna Aaron aus Basel und dieses Jahr ANNIE TAYLOR aus Zürich. ´Inner Smile´ ist eine bunte Mischung aus verschiedenen Musikstilen und verschiedenen musikalischen Epochen. ANNIE TAYLOR ist keine Musikerin (nein, sie ist eine Band, die nach einer mutigen Lehrerin und Stuntfrau benannt ist), aber mit Sängerin Gini ist eine Frau in ihren Reihen, die mit ihrem frischen und gleichzeitig schon sehr reifen Gesang die Musik der Band prägt und für die Konsistenz sorgt. Von BLACK SABBATH über R.E.M. bis zu BLONDIE sind musikalische Einflüsse zu erkennen. Neben dem Gesang überzeugt das starke Songwriting, Schwachstellen gibt es keine.

Letztes Jahr war meine TOP 5 sehr US-lastig. Dieses Mal sorgen auch KING HOWL und ihr Album ´Homecoming´ für eine 3:2 Mehrheit aufseiten Europas. Das Quartett aus Cagliari, Sardinien, Italien ist auf der musikalischen Biker-Landstraße unterwegs. Blues Rock, sympathische Krawallbrüder wie BLUE CHEER, aber auch düstere Legenden wie THE DOORS oder die frühen – von THE DOORS massiv beeinflussten – DANZIG haben die Gene der Band geprägt. Diego Pani kann alles singen, was gute Rockmusik ausmacht. Songs wie ´Motorsound´, ´Slowly Coming Down´ oder ´The Great Blue Heron´ sind erstklassig, auch die drei Mitmusiker von Diego können hier vollständig überzeugen. Noch ein paar brennende Teerschippen ins Songwriting gekippt und die Band kann nächstes Mal vielleicht sogar noch zulegen.

 

 

 

Markus Gps’

Schönheitspreise

 

 

 

THEOCRACY – Mosaic Bereits ´Mirror Of Souls´ und ´As The World Bleed´ waren brillante Alben der eher europäisch ausgerichteten Amis. Mit ´Mosaic´ findet man nun gar das fehlende Puzzlesteinchen zum Opus Magnum. Stilistisch mittlerweile fast dem Melodic Speed zuzuordnen, werden aber auch die Fans von SYMPHONY X oder SAVATAGE den Weg mitgehen müssen. Dazu ist das alles eben viel zu überragend.

BY FIRE AND SWORD – GloryDieser coole Mix aus WARLORD, HAMMERFALL, ETERNAL CHAMPION, DREAM QUEST, MANILLA ROAD sowie GHOST geht nie mehr aus dem Ohr. Quasi jeder Song ist hier ein gottverdammter Megahit. Trotz der überkandidelten Lobpreisungen des Allmächtigen darf ich das hier sagen, denn dieser wird in diesem Fall sehr augenzwinkernd glorifiziert.

OVERHEAD – Telepathic MindsSchon lange stehen OVERHEAD bei Experten hoch in der Gunst. Indes vereinnahmen sie mich erst mit ihrem jüngsten Werk so völlig. Prog-Rock-Liebhaber jeglicher Couleur verschmelzen mit diesem Album in eine Symbiose. Viel weniger retro als manche skandinavischen Kollegen, eher allgegenwärtig. Auch die Flöte nimmt hier ihren Raum, ist perfekt in den Sound eingebunden. Keine Ahnung warum alle in gekrönten Ländereien suchen, die wahre Prog Rock Schönheit liegt 2023 noch verborgen in finnischen Wäldern und Seen. Sleep Tight Sweetheart.

ALKALOID – NumenNeben VEKTOR bleiben ALKALOID die futuristische Extrem Metal Band schlechthin. Hier wird nichts mathematisch auf die Spitze gethrasht, sondern die Düfte, die trotz aller Giftigkeit aus den chemischen Versuchsaufbauten entweichen, sind subtil und vielfältig. Kein Wunder, wenn sogar Pilze und Joghurt beigemischt werden. Indes ist klar, zu einer Explosion wird es früher oder später immer führen. Lerngruppen in aller Welt blicken gebannt zu und verstecken sich nicht unter ihren Schulbänken. Ungeklärt bleibt, ob außerirdische Wesen wirklich staubsaugen müssen.

HEXVESSEL – Polar Veil – Unser Mick Shark ist aktuell unauffindbar. Kurz nach dieser Veröffentlichung soll er sich bereits zusammen mit Kaia den Pilzdüften folgend auf den Weg zu einer ominösen Berghütte in Montana gemacht haben. Dort wabern die allmorgendlichen psychedelisch-folkigen Nebelschwaden nicht mehr ganz so deutlich wie in der Vergangenheit. Man trifft vereinzelte Doom Metal Heads an und aus den tiefer liegenden Wäldern sind die Gesänge sterbender Bräute zu vernehmen. Gesehen wurde die beiden indes dort nie und so besteht der Verdacht, dass sich Mick und Kaia vor Einbruch der Polarnacht in ihrem 6-eckigen Boot aus Gelb-Kiefern auf den Weg nach Finnland zu den Ursprüngen dieser Ursuppe gemacht haben. Lasst dort Vorsicht walten, meine Lieben, denn The Tundra Is Awake.

 

 

 

Sir Lord Dooms

Schönheitspreise

 

 

 

DANAVA – Nothing But Nothing Kann man IRON MAIDEN und HAWKWIND unter einen Hut bringen? Die Portland Boys von DANAVA können. Mein liebstes Konzert aus einigen Jahren und meine liebste neue Platte 2023. Hier kochen die Emotionen über, wenn mitreißende Twin Gitarren-Läufe auf surrende Spacerock-Synthesizer treffen. Ganz traditionell und doch frisch und aufregend.

HÅNDGEMENG – Ultra Ritual Was für verrückte Musik. Erinnert mich an die frühen 90er, Grunge, Alternative Rock, aber mit dieser, heiserer Stimme. Klassisch 90er. Eigentlich damals nicht meins, heute umso mehr.

CIRITH UNGOL – Dark Parade Die ollen Kerle können es auf der zweiten und wohl allerletzten Platte seit dem Comeback umso besser. Als wären nur drei Jahre seit ´Paradise Lost´ vergangen. Heavy Metal-Songs mit Eiern, Seele und ureigenem Ausdruck. Dabei eindringlich, eingängig und einprägsam. Ein gelungener Knall zum Abschied. Aber never say never.

V/A – Burn On The Bayou Tribute Sampler gehen bei mir nur in seltensten Fällen. Bei CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL werde ich schwach, wenn die Songs von Underground Bands aus dem Stoner, Doom und neuen Psychedelic Rock-Bereich stammen, wie auf dieser von “Ripple Music” initiierten Dreier-LP. Mal hart am Original, mal komplett anders und kaum zu erkennen, aber immer richtig cool.

THUNDER HORSE – After The Fall Lasst uns mehr “Ripple Music” hören. Das hier ist die erste mir bekannte, insgesamt ihre dritte LP. So schwer und wuchtig metallisch der Heavy Rock der Band auch sein mag, so catchy und einprägsam sind die Songs. Alter Sound der frühen 70er und ein frischerer metallischer Geist vereinen sich und beherrschen Dich.

 

 

 

[ Die Top 30 unserer teilnehmenden Redakteure befinden sich im zweiten Teil – Die Feinheiten;
hier weiterklicken ! ]

 

 

 

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