Livehaftig

BLAST FROM THE PAST FESTIVAL

~  2.12.2023, Kubox, Kuurne, Belgien ~


In der Nähe von Poperinge, Belgien, wo einst metallische Geschichte in Form des legendären „Heavy Sound Festival“ geschrieben wurde, hat sich das BLAST FROM THE PAST FESTIVAL etablieren können und zelebriert 2023 seine zehnte Ausgabe. Die Mehrzweckhalle, genannt Kubox, in Kuurne, direkt neben Kortrijk, ist ausgelegt für ca. 1200 Leute und ist auch dieses Mal sehr gut besucht. Gründe? Einige. Zum einen ein äußerst fairer Tageskassenpreis von 50 Euro für zehn Top Bands. Namen wie ANGEL WITCH, EXUMER, ONSLAUGHT, EXISTANCE oder WITCHFYNDE sind selbstredend. Zudem ist die Atmosphäre ziemlich relaxt. Der kleine Metal-Markt im Foyer sorgt in den kurzen Umbaupausen für einen netten Zeitvertreib. Die offiziellen Festival Merchpreise sind fair. Die Bands sind selbst verantwortlich für ihren Merch-Verkauf und sorgen auch mit fairen Preisen für nicht unerheblichen Umsatz.

Die Bühne ist recht breit und generell ziemlich groß. Bemängeln kann man allerdings die Bühnenhöhe, die sicher 50-100 cm höher sein könnte. Interessanterweise arbeitet die Festivalcrew auf diesem doch dann wieder eher kleineren Festival mit zwei Drumriser, was die Umbaupausen enorm verkürzt. Im 20-Minutentakt stehen die Bands mit ihrem jeweils eigenen Drumkit auf der Bühne.

Der Bierpreis ist etwas überzogen. Für knappe 0,25 l-Becher werden 3 Euro aufgerufen, und das Bier schmeckt eher wie Pisswasser. Just my penny. Zum Thema Essen sei zu sagen, es ist spärlich. Zumal auch in der Umgebung der Halle keine weitere Möglichkeit besteht, sich was Nahrhaftes zu besorgen. Also ein ausbaufähiges Thema. Ansonsten ist aber die ganze Veranstaltung straff und cool organisiert und dementsprechend kann man sich auf die Bands fokussieren.

Das diesjährige Line up ist musikalisch breit aufgestellt und bietet zudem Bands, die nicht an jeder Steckdose spielen.

Pünktlich um 13.30 Uhr eröffnen die Briten TOLEDO STEEL das Festival.

Die Band aus dem Großraum Southampton liefert klassischen, puren Heavy Metal. Vom Quartett hat man durch einen zweiten Gitarristen auf Quintett-Stärke aufgerüstet. Getragen von einem supersoliden Gesang von Rich Rutter steigt man mit ´On The Loose´ vom zweiten Album ´Heading For The Fire´ ein. Schon hier zeigt sich die Stärke der Doppel-Axt-Attacke, die die Stücke tight nach vorne treibt.

Selbst zwei Songs von der großartigen ´Zero Hour´-EP kommen zum Zuge, ´Toledo Steel´ sowie ´City Lights´. Die Briten wirken gut eingespielt und abgestimmt. Ein starker Auftritt der Engländer, die ohne Zweifel zu den ganzen starken jungen britischen Bands zählen und auch in Deutschland deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.

Mit STEELOVER stehen Lokalmatadore auf der Bühne. Die wiederreformierte Band aus den Achtzigern, mit zwei Originalmitgliedern, Bassist Nico Gardi sowie Gitarrist Pat Cardillo, veröffentlichte letztes Jahr mit ´Stainless´ ein überraschend gutes Comeback Album.

Die altersbedingt gesetzten Herren liefern einen schnörkellosen, überzeugenden Gig, der einem das Gefühl gibt, die „alten Knacker“ haben echt Bock hier einen abzurocken. Der Gesang von ex-DANGER Sänger Vince Cardillo überrascht positiv. Nicht nur dass er teils recht hoch mit seiner Stimme kommt, auch die generelle Performance gefällt. Überhaupt wirkt die Truppe sehr gelassen und auch bewegungsfreudig. Ein kurzweiliger Auftritt der alten Recken, der alles andere als peinlich wirkt, wie man hätte annehmen können.

Dass die Franzosen EXISTANCE schon als dritte Band auf die Bühne müssen überrascht. Gehört die Truppe um Sänger/Gitarrist Julian Izard, Sohn des legendären H-BOMB Sängers Didier Izard (R.I.P.), doch seit Jahren zu den stärksten jungen Metal Bands aus Frankreich.

Aktuell arbeitet das Quartett an seinem fünften Album und das Festival nutzt die Band, um seinen Liveaktivitäten für das Jahr 2023 hier zu beenden. Ultraprofessionell und exzellent eingespielt stürmt das Quartett die Bühne, legt los mit ´Wolf Attack´ und ´Legends Never Die´. Der Gesang ist wie immer überragend und die positive Gitarrenpower trägt die True Metal-Hymnen nach vorne. EXISTANCE ist eine der wenigen jungen Bands, die in der Lage sind, True Metal-Hymnen zu schreiben, die auch unter kommerziellen Aspekten alles haben, um die breite Masse abzuholen.

Bewegungsstark und lauffreudig bietet man nicht nur geile Songs, sondern auch was fürs Auge. Bei Hymnen wie ´Dead Or Alive´, ´Power Of The Gods´ oder `Breaking The Rock´ kann man nur lautstark mitsingen und bangen. Izard ist wie immer strahlender Mittelpunkt der Truppe, die lautstark abgefeiert wird. Grandioser, aber kurzer Auftritt.

Man hat sich kaum vom dem brillanten Auftritt EXISTANCEs erholt, steht schon ein weiteres Highlight an: HITTEN. Die Spanier um den italienischen Sänger Alex Panza haben ja gerade mit ´While Passion Lasts´ einen neuen erstklassigen Longplayer veröffentlicht. Mit zwei Songs von diesem Album steigt die Band ein. ´While Passion Lasts´ und ´Mr.Know It All´ hauen dann auch überraschend stark rein. Deutlich druckvoller und energischer wie auf Platte. Schon hier zeigt sich, welch ein exzellenter Sänger Panza ist. Seine Screams und der generell hohe Gesang gehen ihm mühelos über die Lippen.

HITTEN wirken wie eine gut geölte Rockmaschine. Bewegungsreich und effizient liefert man einen hochwertigen Auftritt. Die Gitarrenfraktion post und ackert beeindruckend. Vom ´Triumph & Tragedy´ Album haut man ´Eyes Never Lie´, `Built To Rock´ und ´Ride Out The Strom´ raus, die die neuen Stücke sogar noch toppen. Keine Frage, live sind HITTEN eine wahrlich überzeugende Band, die deutlich mehr Erfolg verdient hätte.

Bei den Briten WITCHFYNDE wird man dann das erste Mal an diesem Tag heruntergeholt, von der positiven Welle, die einen durch die bisherigen vier Bands erfasst hat. Mit nur noch einem Urmitglied im Line up, Basser Andro Coulton, kann man eigentlich im Falle WITCHFYNDE (kurioserweise auf FB WITCHFYNDE NOT UNOFFICIAL) auch nur noch von einer Coverband sprechen.

Man beginnt den Auftritt mit einem der WITCHFYNDE Hits schlechthin, ´Ready To Roll´. Das klingt sogar recht solide und hat einen leicht kauzigen Touch. Sänger Dave Murray kann hier sogar beeindrucken. Je länger die Band aber spielt, umso härter und metallischer wirken die Songs, so, dass dieser NWoBHM-Ansatz schnell verloren geht und man wie eine 08/15-Kombo klingt.

´Stagefright´ fällt der Härte zum Opfer, ´Leaving Nadir´ wirkt bedeutungslos und das Set beschließende ´Give`em Hell` lässt noch einmal etwas Kauz-Flair aufkommen. Ansonsten war das ein recht belangloser Auftritt einer Band, die zwar für einen kultigen NWoBHM-Sound steht, diesen kaum noch liefert und somit seinen legendären Bandnamen eher missbraucht.

Mit den Holländern VENGEANCE meldet sich eine Band zurück, die viel für die niederländische Szene tat und international auch massive Erfolge feiern konnte. Nach der offiziell angekündigten Reunion ist dies der zweite Auftritt (wenn mich nicht alles täuscht) der Band um Sänger Leon Goewie. Goewie ist klar der Mittelpunkt der Truppe. Nach der langen Auszeit konnte man gesanglich schlimmes erwarten, aber er macht seine Sache recht gut.

Nur bei den wirklich hohen Tönen klappt es nicht mehr so. Die Setlist ist ok, kann mit Hits wie ´Take It Or Leave It´, ´Power Of The Rock´, ´Take Me To The Limit´ oder ´Down And Out´ punkten. Selbst ´Arabia´ wird geliefert, wo man dann allerdings die erwähnten hohen Töne nicht mehr wirklich schafft.

Die Band ist agil, der Sound drückt und einen gewissen Funfaktor kann man dem Auftritt auch bestätigen, der mit ´Rock`n`Roll Shower´ seinen Höhepunkt erreicht. Die Leute gehen gut mit, was die Holländer sogar noch etwas mehr anspornt, war doch zu Beginn des Auftritts eine leichte Skepsis nicht zu übersehen. Solider Auftritt mit nur geringen Schwächen.

Die Umbaupause nutzt Festival Veranstalter Kenny Geerts, um sich bei den Fans, Helfern etc. zu bedanken. Gleichzeitig kündigt er an, dass 2024 kein BFTP Festival standfinden wird, weil seine zukünftige Frau schwanger ist und man sich in dem Jahr auf das familiäre konzentrieren will, bevor man 2025 mit dem BFTP weitermachen möchte.

Nach der „Happy-Metal“-Kiste von VENGEANCE kommt der Teufel in Form von EXUMER um die Halle aufzumischen. War bisher eher klassischer Metal geboten, grätschen die Jungs um Mem von Stein mit einer Thrash Metal-Orgie rein, dass einem die Kauleiste aus der Verankerung fliegt. Was für ein Abriß. Furios, brachial und tödlich ballern EXUMER ihre Thrash Metal-Granaten raus.

Im Publikum geht es währenddessen ab. So als habe man auf EXUMER förmlich gewartet. Derweil agiert Sänger Mem wie eine Furie auf der Bühne. Feuert die Leute an, kommuniziert mit ihnen und post vortrefflich. Aber auch der Rest der Band nutzt die großflächige Bühne aus. Man kann sich dieser Wucht einfach nicht entziehen.

Die Setlist ist ausgewogen, von klassischem Material wie `Fallen Saint´ bis zu aktuellen Thrash-Bomben liefert man präzise ab. EXUMER sind wie sie Axt im Walde und mischen das Festival komplett auf. Da erübrigt sich die Frage, die Mem während des Auftritts stellt, ob man mit der Band tanzen will!

Next ONSLAUGHT. Die Briten genießen ja aufgrund ihrer Vergangenheit einen nicht unerheblichen Status. Allerdings ist das was man heutzutage runterballert nur noch schwer mit klassischen Material von „damals“ unter einen Hut bringen, zumal auch das Line up, bis auf Gitarrist Nige Rockett, komplett neu aufgestellt ist. Und genau dieser Mann fehlt heut Abend auf der Bühne. Warum, wieso, darüber wird man nicht aufgeklärt.

Musikalisch rasen die Briten wie ein Tornado durch ihren 11-Song-Set. Aber schon beim Opener ´Let There Be Death´ hat man Schwierigkeiten, den Song zu erkennen. Dermaßen brachial haut man seine Songs runter, dass man die Klassiker manchmal schon erraten muss. Gesang und Gitarren sind fett, keine Frage. Auch das Stageacting ist beachtlich. Aber gegenüber EXUMER klingt das ein bisschen aufgesetzt, aus meiner Sicht.

Sänger/Gitarrist David Garnett liefert einen souveränen Job trotz Doppelbelastung. Optisch bietet die Briten schon was, aber der generell etwas modifizierte Thrash Metal-Sound in Verbindung mit dem Bandnamen hat ein Geschmäckle. Gerade weil man viel älteres Material wie ´Killing Peace´, ´Metal Forces´  oder ´Power From Hell´ liefert. Die 60 Minuten Spielzeit sind dennoch recht schnell rum und ONSLAUGHT können den Gig als Erfolg abharken. Bleibt nur die Frage, wo war Nige?

War bisher zeitlich alles im Rahmen, mit nur wenigen Minuten Verzug, treiben es ANGEL WITCH auf die Spitze. Die Zeit zieht sich bis das Intro endlich ertönt und die Halle, nebenbei bemerkt, merklich leerer geworden ist. Der Kult-Status der Briten ist ungebrochen, auch wenn mit Sänger/Gitarrist Kevin Heybourne nur noch ein Originalmitglied im Line up agiert. Allerdings steht oder fällt mit ihm alles was mit ANGEL WITCH zu tun hat. Und so ist er auch an diesem Abend Mittelpunkt des gesamten Geschehens.

Mit ´Death From Andromeda´ vom bisher letzten Studioalbum ´Angel Of Light´ steigt man ein. Schiebt ´Atlantis´ vom legendären Debüt nach. Die Band ist erstklassig eingespielt. Jede Note, jeder Tempowechsel sitzt. Und dennoch wirkt die erste Hälfte des Sets eher unspektakulär. Man verliert sich schon im Sound der Briten, aber irgendwann geht die Kerze aus, wenn nicht mal was Schnellers oder auch deutlich Bekannteres kommt. Mit ´Angel Of Light´ passiert dies dann endlich, bevor es weitergeht mit Endlosriffs. Die Sache wird zäh und nach 12 Stunden lässt auch die Konzentration nach.

Mit den letzten drei Songs, ´Angel Of Death´, ´Baphomet´ sowie dem Song, auf den alle gewartet haben, ´Angel Witch´, reißt man das Ruder der Belanglosigkeit noch einmal rum und beweist, es geht auch weniger langatmig. Heybournes Stimme klingt gut, sein Gitarrenspiel dominiert den Auftritt, aber dem Headliner Status wird die Band nicht gerecht.

Man ist schon froh, wenn nach knapp elf Stunden Live-Mucke endlich der letzte Ton aus den Speakern drückt und die Füße sozusagen abfaulen.

Fazit zu meinem ersten BLAST FROM THE PAST FESTIVAL: gut organisiert, stressfrei, keine Vollsuffdeppen, das Bier weniger lecker.

Meine Top 4 des Festivals: EXUMER, EXISTANCE, HITTEN, TOLEDO STEEL.

 


Fotos: Jürgen Tschamler

 

 

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