MUDDY WATERS – Folk Singer

~ 1964/2011 (Analogue Productions) – Stil: Blues ~

Mitte der Fünfzigerjahre war Muddy Waters mit einigen Singles in den US-amerikanischen Charts vertreten. Als diese ersten Erfolge nachließen tourte er 1958 erst einmal durch Großbritannien und weihte die Engländer in das moderne und vor allem elektrische Blues-Spiel ein. Junge Künstler wie Alexis Korner und Cyril Davies eiferten Muddy Waters umgehend nach und beeinflussten wiederum Musiker, die später die ROLLING STONES, CREAM und FLEETWOOD MAC gründen sollten.

Selbst in den Sechzigerjahren agierte Muddy Waters noch als Missionar des Chicago Blues. Seine Plattenfirma “Chess” sah allerdings bereits ihre Felle davonschwimmen. Sie wollte an den Erfolgen des Akustik-Folk teilhaben und empfahlen Muddy Waters ein rein akustisches Album.

Daher nahm er im September 1963 mit Clifton James am Schlagzeug, Willie Dixon am Kontrabass und dem von ihm entdeckten Buddy Guy an der Akustikgitarre sein einziges Akustik-Album auf. Anstatt seines signifikanten E-Gitarren-Sounds wurden neun Lieder in den “Tel Mar Recording” Studios von Chicago mit seiner Akustikband produziert.

Obwohl ´Folk Singer´ im Moment seiner Veröffentlichung nicht gerade die Charts sprengte, heimst dieses Ausnahmewerk von Muddy Waters seither ausschließlich Lorbeeren ein. Dieser völlig authentische Unplugged-Sound erfuhr nochmals seine klangliche Erhöhung durch den Re-Release via “Analogue Productions” auf schwerem 45rpm-Vinyl, mit einem enormen Klang, einer enormen Dynamik und einem ohne gewährte Latenzzeit hoch heulenden Muddy Waters.

Mit ´Folk Singer´ fand Muddy Waters zu seinen Ursprüngen zurück. Er vollzog eine Umkehr vom Chicago Electric Blues zum Delta Blues und wuchtete beide zusammen bei seiner Darbietung in die Gegenwart. Auf diese Weise schuf er mit seiner All-Star-Combo als Garant einen zeitlosen Sound. Er spielte neben Willie Dixons ´My Captain´, Sonny Boy Williamsons flotten ´Good Morning Little Schoolgirl´ und John Temples ´Big Leg Woman´ noch sechs Eigenkompositionen ein. Da keine Elektrizität zwischen den Instrumenten und der Stimme von Muddy Waters stand, klang sie wie ein Stein, der ins Rollen kam. Jeder Ruck seiner Stimmbänder war wuchtig zu vernehmen und wuchs mächtig an.

Entschieden singt Muddy Waters über sein Leben: “Nun, mein Zuhause ist im Delta, weit draußen auf der Bauernstraße. Jetzt wissen Sie, dass ich in Chicago lebe, und Leute, ich hasse es auf jeden Fall zu gehen.”

Nach ´My Home Is In The Delta´ spielt Muddy Waters sein bereits bekanntes ´Long Distance Call´ in einer schleppenden Version. Derart schwerfällig wuchert das Lied geradezu ins Unermessliche.

Buddy Guy steht auf der rechten Seite mit der Akustikgitarre, Willie Dixon mit seinem Kontrabass und Clifton James mit seinem Schlagzeug auf der linken. Der berühmte Nachhall aus dem Aufnahmestudio von “Chess” fällt dabei überhaupt nicht ins Gewicht, die Musiker haben sich im notwendigen Abstand von den Mikrofonen positioniert.

Während ´My Captain´ aus Willie Dixons eigenen Erfahrungen für Muddy Waters komponiert wurde und nur von den beiden Gitarren und der Stimme Muddy Waters getragen wird, ist ´Good Morning, School Girl´ das komplette Gegenteil des bislang trägen Blues-Sound. Überraschend kunstfertig ist zudem das Solo von Buddy Guy. Noch eleganter ist allerdings der gemeinsame Solo-Auftritt von Buddy Guy und Muddy Waters in ´You Gonna Need My Help´.

Doch das tägliche Leben in Chicago kann es wohl längst nicht mehr ohne Hilfe mit dem am Mississippi aufnehmen: “Die Zeiten werden nicht besser, Leute, ich muss gehen. Nun, ihr wisst, ich gehe zurück in den Süden.”

Muddy Waters und Buddy Guy spielen eben diesen ´Cold Weather Blues´, oberflächlich betrachtet über das Frostwetter von Chicago, doch in Wahrheit über die soziale Kälte, Rassismus und Armut, sowie ebenfalls gemeinsam Johnny Temples ´Big Leg Woman´.

Nochmals trägt Muddy Waters sein ursprünglich überaus E-Gitarren lastiges ´Country Boy´ in einer verträumteren Variante vor, ehe es tatsächlich nach Hause geht. Der finale Höhepunkt ´I Feel Like Going Home´ hieß anfangs jedoch ´Country Blues´ und wird von Muddy Waters im kompletten Ausdrucksreichtum alleine vorgetragen.

Wenngleich ´Folk Singer´ kein großer kommerzieller Erfolg beschieden war, konnte Muddy Waters in der Folge immerhin auf dem “Newport Folk Festival” als auch dem “New York Folk Festival” auftreten. Denn seither interessiert sich ein erstaunlich breit gefächertes Publikum für diese Ausnahmeerscheinung eines live aufgenommenen Studioalbums.

(Klassiker)

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