VIRAL TYRANT – Vultures Like You
~ 2023 (Ripple Music) – Stil: Metal ~
Ich habe in diesem Jahr viel Geld verdient und gleich wieder für Musik aus dem Fenster geworfen. Sucht…aber, wie man mir sagte, bessere Sucht als wenn man sich in zwei Jahren ebenso viele Einfamilienhäuser durch die Nase wegzieht. Ist einem Kumpel von mir passiert, geht ihm aber wieder besser. Passend zu solch trüben Gedanken ist die Musik der Amis VIRAL TYRANT aus Portland.
Geile Stadt, die mit Bands wie HIPPIE DEATH CULT, DANAVA oder UZALA schon einiges an Heavy Music zu meiner Plattensucht beigetragen hat. Niederbrennen, das Höllenloch. Zuviel Inspiration und Kreativität.
Bei VIRAL TYRANT war es nicht nur, wieder einmal, ein Review meines Freundes und Vorbildes als Schreiberling Ray Dorsey, sondern danach auch ein Covercheck. Irgendwie primitiv, aber cool und detailliert sieht man da einen Typen, König oder hoher Pfaffe, der mit langen, spitzen Fingernägeln an den langen dürren Klauen bestückt ist, mit stechenden blauen Augen dann auf das Fußvolk niederblickt, machtvoll gestikuliert und irre Reden hält. Aus seiner goldenen und mit Rubinen verzierten Kopfbedeckung schießen ebenso goldene Lichtstrahlen. Freakiges Bild.
Das können wütender Thrash, Speedcore oder Crustcore sein. Eventuell räudiger Deathmetal der Urphase in den 80ern oder gar Black Metal alter Schule. Das Cover alleine wirkt schon schmutzig und so muss die Musik abseits aller auf schön getrimmten und Hochglanz polierten neuen Wacken-Metal Mainstream Extrem Bands liegen.
Richtig. Die Stimme ist schmutzig, hasserfüllt, mehr ein Schreien, denn ein singen, aber zuweilen von epischer Ausdruckskraft. Die Musik ist roh, wuchtig, wogt mal kraftvoll, schleppt sich tödlich verwundet an anderen Stellen dahin, bricht dann kurz in eine wilde Jagd aus, wo man vor dem geistigen Auge schmierige Crustpunks, Thrasher mit Jeanskutten und Lederjacken und sonstiges der Gesellschaft abtrünniges Gewürm in entfesselter Lust den Gewalttanz ausüben sieht. Wenn die Gitarre so richtig eindringliche Doomriffs spielt, die so widerlich verzerrt in den Ohren knirschen, dass man meint, gleich liefe einem die Hirnmatsche raus, ist die Welt wieder in Ordnung.
In Trance wandelt man an düsteren Straßenecken und verdreckten Fassaden alter Lagerhäuser vorbei über abgewetztes Kopfsteinpflaster in irgendeinem Industrieviertel einer alten verkommenen Stadt, den wüstesten Club des Ortes aufzusuchen, wo sich die Ratten im Hinterhof tümmeln und auf der Bühne eine Truppe freakiger, abgewrackter Typen auf alten, vielfach geflickten Instrumenten und Amps eine brodelnde Klangmasse mit hypnotischem Groove entfesselt.
Wenn die Gitarren zu den irrsinnigen Leads anstimmen, ist die Zeit der Erlösung nahe. Das schält Dir die Haut vom Gesicht und zieht die Seele samt Knochenschädel und Rückgrat aus der wabbeligen Fleischmasse, die einst Dein Körper war. Der Begriff SLUDGE kam ja erst ab den 90ern so richtig auf. Wären VIRAL TYRANT dreißig Jahre früher in New Orleans dabei gewesen, hätten sie mit den gleichgesinnten Schmutzfinken EYE HATE GOD wohl die Welt erobert.
Verdammte Lauser. Sie machen keine brandneu erfundene Musik, sie gehören seelisch zur alten bis uralten Schule der Abartigkeit und Abseitigkeit, des Undergrounds und seiner wunderbaren Mißgeburten wie Grindcore, Crustcore und ähnlichen Auswüchsen krankhafter Kreativität. Heute sagt der Underground Hipster wohl SLUDGE dazu. Aber VIRAL TYRANT sind mehr. Sie sind extremster Metal der 80er, sie sind überzerrter Doom mit punkiger Schmutzkruste. Sie sind die Stimme trostloser Straßenecken und Sackgassen voller Ausgestoßener, die in Kartons leben und sich die Rübe mit billigem Kleber wegschnüffeln. Wenn der zornige Finnenhardcore der 80er auf Zeitlupentempo heruntergefahren und mit doomigem Urschwarzmetall Schweizer Bauart gestreckt würde, es käme der Garstigkeit der Amis aus Portland nahe. Die Stadt muss echt ein Höllenloch sein.
Bei meinem aktuellen Lieblingslabel “Ripple Music” erschienen, in Deutschland am besten bei Ripple Music zu bekommen. Aber sagt nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt.
(9 Punkte)