CHANDELIER – We Can Fly
~ 2023 (Independent) – Stil: Prog Rock ~
Sie ließen in den Neunzigerjahren den Neo Prog in Deutschland hochleben, sie veröffentlichten in den Jahren 1990 und 1992 die Meilensteine ´Pure´ und ´Facing Gravity´, doch mit dem matrixschen ´Timecode´ verabschiedeten sie sich 1997 direkt hinter den Vorhang der Öffentlichkeit.
Sie rückten erst wieder in das Blickfeld dieser mit der Wiederveröffentlichung ihrer Alben ab dem Jahre 2018. Schließlich feierte Deutschlands geliebteste und hummeligste Prog und Neo Prog-Formation am 19. Juli 2019 auf der Loreley ihr Live-Comeback. Die Sterne standen fortan günstig, dass sie in der Folge ihr Studio-Comeback mit einem Midlife-Meisterwerk feiern könnten.
Sie feierten über die vergangenen Jahre diese Studio-Sessions im eigenen Aufnahmeraum, ließen sich von Gitarrist Udo Lang und Keyboarder Armin Riemer diese zum Greifen nahe Wiederauferstehung produzieren und legen sie ihrem ausharrenden Publikum jetzt unter dem Titel ´We Can Fly´ vor.
Der schlafende Scheinriese ist wahrhaftig wieder erwacht. “Yes we can!“ Natürlich ist er hellwach und natürlich können sie es noch. “Yes, ´We Can Fly´!“ Sie können sogar noch fliegen: CHANDELIER!
CHANDELIER präsentieren beinahe in Original-Besetzung – Martin Eden (Gesang), Udo Lang (Gitarren), Christoph Tiber (Bass) und Herry Rubarth (Schlagzeug) sowie schon länger integriert Armin Riemer (Keyboards) – 51 ausgezeichnete Minuten des Prog und Neo Prog. Gänzlich unverkrampft spielt der Scheinriese auf. CHANDELIER lieben die Gitarrenklänge genauso wie das Tastenspiel, das sich überraschend klassisch als auch retro mit Mellotron, Hammond-Orgel und Moog-Sound in Szene setzt, wie ehedem.
In allerbester Stimmung lässt der ´Space Controller´ umgehend die Lichter hüpfen und die Melodien tanzen, während Ausnahmesänger Martin Eden die Strophen auf dem Weg zur anderen Seite des Universums anfangs vielmehr erzählerisch vorträgt und die kleine instrumentale Schlacht von Gitarre und Keyboard mopsfidel im dunklen All ausgetragen wird. Auf der anderen Seite von Allem angekommen, strahlt der Himmel himmelblau und das Lied klingt sanft und bedacht gesungen aus.
Sodann dröhnen Gitarre- und Orgelklänge im demzufolge äußerst rockigen Single-Aspiranten ´Help Me´ zweifelsohne in ganzer Breite. Dabei teilen sich Martin Eden und Gastsänger Toni Moff Mollo (ex-GROBSCHNITT) die regulären Strophen der Komposition. Nach einem wilden sowie nochmals einem kurzen, ruhigen Solo-Erguss gibt sich der Gesang abermals behutsam und die Gitarre schwelgt in der Melodie langsam dahin.
Das erste große, zehnminütige Epos heißt ´Spring´ und erwächst bis auf die kurze Einführung aus einem sachten Beginn heraus zur beherzten Liedzeile in himmlische Sphären: “We can fly”. Sie können also noch fliegen, wenn nicht mit einer Hummel, dann mit einer Robbe. Ehe jedoch das nächste ausgiebige Epos erwacht und das Universum wachrüttelt, ertönt die durch Streicherarrangements versüßte Ballade ´In Between´, wobei sich Rüdiger Blömer (FLYING CIRCUS) für Cello und Viola verantwortlich zeichnet. Es schließen sich die liebliche, von Keyboards dominierte Neo Prog-Komposition ´Mixed Magnificent Arts´ sowie das schwere Duett von Martin Eden und Toni Moff Mollo zur Orgel im allzu kurzgefassten ´Light´ an.
Das zweite Epos nennt sich ´Forever And A Day´ und führt die Songsammlung zu Ende. Allein Meeresrauschen und Gesang eröffnen die jetzt noch folgenden fünfzehn Minuten, bevor sich die Gitarre solistisch entfaltet. Besonnen bewegt sich der Gesang zu den gewollt und erhofft hohen Sphären: “Sail on, sail on … Fly on, fly on.” Fürwahr singen Martin Eden und wiederholt Toni Moff Mollo diesen Refrain nur zur Gitarre annäherungsweise im Shanty-Jargon. Über die gesamte Strecke dieser langen Komposition ergeben sich natürlich genügend Möglichkeiten, für Gitarre und Keyboards solistisch zu glänzen. Nach dem dritten “Sail on, sail on … Fly on, fly on.” setzt allerdings Martin Eden zum finalen Hochgesang-Refrain samt Gitarrenjubeleien an: “We have to wait, to see the light.”
Strahle, CHANDELIER, flieg nunmehr empor!
(8,5 Punkte)
https://www.facebook.com/ChandelierProg
https://chandelier.bandcamp.com/music
“Come in here, have a cigar, you’re gonna fly high.”
Pic: Thomas Burghartz