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VANISHING TWIN – Afternoon X

~ 2023 (Fire Records) – Stil: Psychedelic Pop/Electronica/Experimental ~


VANISHING TWIN aus London sind nach mittlerweile vier Studioalben sicherlich weit mehr als ein Geheimtipp der Psychedlic Pop-Szene, und ihr Sound, der sich ganz offensichtlich irgendwo zwischen zuckersüßem Pop und berauschendem Experimentalismus bewegt, weckt vor allem Erinnerungen an die glorreichen Zeiten von STEREOLAB oder BROADCAST.

Die Einflüsse sind jedenfalls tiefgreifend, und insbesondere Sängerin Cathy Lucas scheint stark von dem klaren, seltsam ruhigen Temperament einer Laetitia Sadier oder Trish Keenan beeinflusst zu sein, nur dass ´Afternoon X´ eben keine bloße Indie Pop-Reminiszenz vermittelt, sondern noch viel weiter in die Vergangenheit blicken lässt – CAN oder Scott Walker lassen hier immer wieder grüßen.

Mittlerweile als Trio aufgestellt, kontrastieren die Briten hauchdünne Klänge mit phasenweise sogar metallischer Härte, ein expansiver Ansatz, der sowohl konzentriert wie auch zusammenhängend wirkt.

 

 

Im Gegensatz zu den früheren Alben ist Bandleaderin Lucas nun die einzige Sängerin, was die Klangpalette deutlich vereinheitlicht, und sie zeigt sich dabei auf eine distanzierte Weise überwiegend cool und direkt, was beispielsweise bei Stücken wie ´Lotus Eater´ und ´Lazy Garden´ so klingt, als wäre sie in ihren eigenen Tagträumen gefangen.

Die Eröffnungsnoten des Titelsongs sind dann eine atemberaubende Rauschflut, eine Intensität des Halls, die sich anfühlt, als würden Bilder erst heranzoomen und danach wieder unscharf werden. Die frei geformte Elektronik schmilzt hier um eine fast rockige Rhythmuskonstruktion, und die verschwommenen Klänge werden dabei zum ersten Mal von härteren, mechanischeren Klängen zerquetscht.

Die interessantesten Momente entstehen jedoch, wenn VANISHING TWIN ihre Melodien in mehrteilige Erzählungen verwandeln, wie etwa bei ´Marbles´, wo ein sich wiederholendes Gitarrenriff und die täuschend hübschen Synthesizer eine finstere Kakophonie erzeugen. Wenn dann der mehrspurige Gesang auf die Akustikgitarren gelegt wird, entsteht schließlich eine eindringliche, aber seltsam entspannende Monotonie.

Beim achtminütigen ´The Down Below´ münden dann dissonante Passagen mit Keyboardgeräuschen in Jazz-inspirierte Percussion und Gitarren, und Lucas flüstert „Revelation, Revelation, it’s all Revelation“, während der Song in einen gruseligen neuen Abschnitt übergeht.

Der Kontrast der Töne zieht sich jedenfalls wie ein übergeordnetes Thema durch das gesamte Album, und im Vergleich zu den Vorgängerwerken gewinnt man den Eindruck, als sei es gleichzeitig üppiger produziert, aber auch sparsamer arrangiert.

´Afternoon X´ besitzt insofern selbst in seiner seltsamsten und düstersten Form eine beruhigende Wirkung, und die relaxten Grooves lassen von Anfang bis Ende nie nach, ebenso wenig wie Lucas‘ glockenklares Organ.

(8 Punkte)

 

https://www.facebook.com/Vanishingtwinmusic


Pic: Arthur Sajas

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