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MORTAJAS – Mortajas II

~ 2023 (Sun & Moon Records) – Stil: Doom Metal ~


5 Songs in 42 Minuten. Prog oder Doom? Chilenische Band auf rumänischem Label? Nach wie vor, Prog oder Doom? Der schlürfende Kriechgang des ersten Songs ´Myiedo Y Dolor´, epische Leadgitarren, beschwörende Gesangslinien und schwerfällig wogende Riffs mit Walzencharakter sagen dann alles.

MORTAJAS sind eine weitere wirklich gute Doomband, Doom Metal sogar, die uns 2023 serviert wird. Vom Label kenne ich die italienischen Horrormetaller GARGOYLE, die wirklich schocken. Jetzt testen wir mal weiter. BLACK OATH haben dort auch Veröffentlichungen. Also Doom, Horror und Black Metal-Label. Spricht für kultige Angelegenheiten.

Die MORTAJAS aus Chile haben neben dem klassischen Doom noch einen Hang zu heroischem Heavy Metal, sind also gar nicht so direkt einzuordnen, außer dass sie gute Musik machen. Die mittelschnell wogenden Heavy Metal-Anteile des Openers leben den Geist des 80er Heavy Metal, in eher spanisch mutterländischer Weise. Der Doom ist dunkel und monströs, grantig und kochend heiss. Eindeutig keine Stonerelemente oder sonstiger Trendschrott dabei. Das Gatekeeping könnte aber auch einen Abnutzungseffekt hervorrufen.

Trotz Gesangsdarbietung in Muttersprache, was dem Ganzen einen guten Schub mehr Mystik in der Aura verleiht, ist das hier Musik, die man all die Jahre oft gehört hat. Angefangen bei CANDLEMASS 1986. Aber dann kann ich es gleich sein lassen, mir neue Musik zu kaufen. Moderner Scheiss ist meist seelenlos und melodiearm bzw. reizlos im Melodienbereich. Traditionell im Metal nach altem Rezept frisch zu kochen macht was her, MORTAJAS verstehen technisch auch ihr Handwerk. Sie haben betörende Melodiebögen, die man kennt und immer wieder hören mag. Seit 30 Jahren kennt man viele Riffs und Harmonien. Allein der mittelhohe, volle Gesang des Heldentenors ist so charismatisch, dass hier der Wiedererkennungswert eine größere Ausprägung erhält.

Und so holt mich ´Las Palabras Del Silencio´ als zweiter Song auch wieder irgendwie ab. Die Darbietung ist sehr emotional, auch mal exaltierter. Und wenn dann die ruhigen, atmosphärisch tiefen Passagen in Grabesstimmung zwischengeschoben werden, dann rührt das schon im Herzen an. Selbiges haben bei mir GARGANTUAN BLADE, NINE ALTARS und SPIRITUAL VOID dieses Jahr bereits geschafft, muss ich mir da noch die chilenische Variante geben?

Weiterhören. ´Bajo Un Nuevo Sol´, schlürfkriecherisch walzt es über Deine Seele und plättet sie. Das ist tiefstes Doomklischee, aber mir bleibt ja nichts übrig, als mit Doomklischees um mich zu werfen. Irgendwann spielt hier nur noch der Bass verzerrt und einsam vor sich hin, aber schon bald steigt die Band ein und beschert uns eine vom Klavier begleitete wunderbare Passage voller Leidenschaft mit inbrünstig geschmetterten Gesängen und höchst intensiven Gitarrenharmonien. Und dann kurz ein A-Capella-Moment, bevor die Band in einen Andenfolkmetal ausbricht. Hier hat sie mich erwischt. Auch wenn das alles wohl schon mal gemacht worden ist, die irrsinnig liebevolle Art der Darbietung lässt mich zerfließen.

Und mein Geld ist weg. Aber gut angelegt.

Balladesk geht es nach dieser Megahymne weiter. Eher zurückhaltend, dunkel, melancholisch kommt ´Perdido En Un Mar´ und es fühlt sich richtig so an, als wäre man im Meer verlorengegangen. Irgendwann setzen auch wieder klassische Doomläufe ein. Die Gesangslinien sind allerdings wieder sehr emotional aufgewühlt, wenngleich monotoner als beim Stück zuvor.

Ein Bekannter würde jetzt sagen, dass es ja nicht auf die absolute Neuartigkeit ankäme, solange die Musik einen emotionalen Hochgenuss darstellt. Damit kann ich sehr gut leben. Aber mein Geld, ich wollte doch sparen…

Der Chef darf mir einfach keinen Doom Metal mehr schicken. Ich gerate meist immer in einen Kaufrausch.

Auch der Schlusspunkt ist grandios gesetzt und die Pianoläufe zur Doommetal Epik haben Ausdruck von beinahe gespenstischer Verloren- und Vergessenheit. Und so schwelgt man in dem schwerfällig dahinwalzenden Strom der Melodien, der aber machtvoll brodelt und sinistere Bilder in die Seele brennt, die man mit den realen Augen nicht erblickt. Dieses Stück ist so trist und verloren, trostlos und von Qual erfüllt, daß es einem das Herz zerbrechen möchte.

Aber solche Musik braucht Zeit zu wirken. Nicht nebenbei hören. Zurückgelehnt, ohne Licht, die Augen geschlossen, lässt es sich am besten auf diese Musik einlassen und zu ihr wachträumen. Man sollte aber schon emotional gefestigt sein. Sonst bringt einen dieses Album ins Grab.

9 Punkte, weil fast zu klassisch. Einen Bonuspunkt denken wir uns ob des Genusses wegen.

 

https://sunandmoonrecords.bandcamp.com/album/mortajas-ii
https://www.facebook.com/mortajasdoom


(VÖ: 18.10.2023)