ELOY – Silent Cries And Mighty Echoes
~ 1979 (Electrola) – Stil: Progressive Rock, Artrock ~
Es soll ja wirklich ahnungslose Zeitgenossen geben, die ELOY trotz der letzten Trilogie immer noch nicht kennen oder einfach bislang keinen intellektuellen Zugang erlangt haben. Macht nix, wichtiger ist: Lasst das neue Zeuch erstmal und fangt hiermit an. Sofort.
Wer danach noch keine Schnappatmung hat, braucht mit dem Thema nicht weiterzumachen. ACHTUNG: bei allen Anderen wird möglicherweise eine unbewusste Abhängigkeit entstehen, wie sie mir vor vielen Jahre wiederfahren ist und ich so lange wie der letzte Junkie von Plattenladen zu Plattenladen gepilgert bin, bis ich alles hatte und bei jedem einzelnen Werk ein neues Hochgefühl erlebt habe, das mich dazu bewegte, die Dosis ELOY am Tag stetig zu erhöhen. Aber das nur am Rande.
Dabei hat es das alte Hannoveraner Schlachtschiff um Frank Bornemann euch allen so einfach gemacht. Die Hippies bekamen ´Eloy´, ´Inside´ und ´Floating´, die Konzept- und Symphoniefreaks vor den drei aktuellen Werken ´Power And The Passion´, ´Dawn´ und ´Ocean´, die Progrocker ´Colours´, ´Planets´ und ´Time To Turn´, Kinder der keyboardsoundorientierten 80er schnappten sich ´Performance´ und ´Metromania´, experimentierfreudige Synthdrumfans labten sich an der ´Ra´, die Hardrocker bangten zu ´Destination´ und die Wiedergutmachung als auch das Geschenk an Fans aller Epochen waren das famose Doppel ´The Tides Return Forever´ und ´Ocean 2 – The Answer´ als Abschluss des letzten Jahrtausends, bis alle Hoffnung auf ein weiteres Werk verloren schien, der ´Visionary´ jedoch elf Jahre später die Geister erneut verzückte.
Also werde ich von Allroundern stets gefragt, was wohl der beste Einstieg in das Schaffen der “deutschen PINK FLOYD plus X” sei? Meine Antwort klingt wie epische Musik und ist es auch:
Silent Cries And Mighty Echoes
Diese Platte vereinte als damaliger Höhepunkt der Kreativität und den musikalischen Fertigkeiten der Band alle bisherigen Phasen, alle Stärken und die eigentliche Essenz von ELOY auf knapp 45 Minuten mit einer harmonischen Eingängigkeit trotz ausgefeilter Longtracks. Kraftvoll, druckvoll, gefühlvoll, episch, bombastisch – musikalischer Schönklang in Vollendung.
Eine persönliche Bedeutung hat diese Scheibe für mich neben der Güte der Songs deshalb, da ich nach einer dreimonatigen Alkoholabstinenz feierlich an Sylvester (irgendwann Anfang der 90er – schon traurig, daß man einmal nüchtern war und doch das exakte Jahr vergessen hat) zum elfenhaften Frauengesang beim zweiten Teil des 15-minütigen Jahrtausendsongs ´The Apocalypse´ feierlich wieder den ersten und auch besten Schluck Bier meines Lebens genossen habe.
Doch abgesehen davon schwebt man beim ´Astral Entrance´ vom ´Master Of Sensation´ sogleich zu einem der sphärischsten Gitarrenrocktracks aller Zeiten in ungeahnte Dimensionen. Ach, ich vergass: als langweiliger Biertrinker und damaliger Nichtraucher machte ich dabei zuvor meine beste Jointerfahrung in Form eines langsam zuföhnenden Tees, wobei mir erstmals im Leben die tragende Kraft virtuosen Bassspiels bewusst wurde. Aber auch das nur am Rande (oder als Empfehlung?).
Auch die zweite Seite ist ein Paradebeispiel deutscher Klang- und Liedkunst. Dieses Songtrio kann genausowenig auseinandergerissen werden wie eine ´Operation Mindcrime´.
Wer dieses Album nicht wenigstens einmal gehört hat, hat sein Leben trotz Haus, Baum, Buch, Jacht und siebenköpfger Kinderschar verwirkt.
ELOY waren damals:
Frank Bornemann – alle Gitarren und Stimmen (ausser Elfengesang)
Detlev Schmidtchen – alle Tasten
Klaus-Peter Matziol – Bass, Moog Pedal, Effektgitarre, Backings
Jürgen Rosenthal – Schlagwerk
… und natürlich nicht zu vergessen der unvergleichliche Elfengesang von Brigitte Witt !