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JASON BIELER & THE BARON VON BIELSKI ORCHESTRA – Postcards From The Asylum

~ 2023 (Baron Von Bielski Records) – Stil: Rock ~


Rauch hängt in der Luft und wird sich auch nicht so schnell verziehen. Ohne einen Luftzug haftet er regelrecht an der Decke, von einem Winkel hinüber zu den anderen. Erst wenn sich in einigen Stunden wieder die Portale öffnen, kann durch alle Gänge frische Luft in die Katakomben eindringen.

Die graue Bühne mit ihrem dunkelroten Vorhang ist allerdings trotz aller Rauchschwaden von allen Plätzen aus noch zu erblicken. Das Licht im Saal geht aus, die Vorhänge huschen zur Seite und geben den Blick auf JASON BIELER & THE BARON VON BIELSKI ORCHESTRA frei.

 

 

Die aktuellen Songs von ´Postcards From The Asylum´ stehen auf dem Programm, die zeitgemäßen für den drohenden Weltuntergang waren bereits auf dem Vorgänger, dem ersten Album des THE BARON VON BIELSKI ORCHESTRA unter dem Titel ´Songs For The Apocalypse´ zu hören.

Ein großes Ereignis und ein echtes Fest für alle Liebhaber von JASON BIELER, die ihn seit Anfang der Neunzigerjahre bei seiner famosen Gruppe SAIGON KICK und bei seinen Solo-Veröffentlichungen verfolgen. Doch von SAIGON KICK ist trotz einer Wiedervereinigung nichts mehr zu hören, obwohl sie mit ihren ersten Werken nicht nur Geschichte geschrieben haben, sondern sich aufgrund ihrer Einzigartigkeit allein mit wenigen Gruppen wie LILLIAN AXE, WARRIOR SOUL oder GALACTIC COWBOYS von der Qualität her messen lassen mussten.

Jason Bieler hat allerdings seither nichts von seinem Talent als Sänger und Gitarrist, vor allem als Komponist eingebüßt. Auch sein neuestes Projekt mit dem BARON VON BIELSKI ORCHESTRA ist eines der vielseitigsten und mitreißendsten im Rock und Metal.

 

 

Der alte Exzentriker kommt nach zwei Jahren mit seinem vierten Solo-Album und seinem zweiten mit dem BARON VON BIELSKI ORCHESTRA auf die Bühne und präsentiert mit ´Postcards From The Asylum´ seinen alternativen Hardrock, der direkt aus den Neunzigerjahren in die Gegenwart transferiert wurde.

Alle seine Markenzeichen sind vorhanden, seine populärverdächtigen Melodien und seine ineinandergreifenden Harmoniegesänge, harte und sanfte, intelligente und durcheinander wirbelnde Klänge sowie sein Erfindungsreichtum, aus Pop, Prog, Rock und Metal eine perfekt ausgearbeitete, gerne theatralische Komposition zu entfachen.

Diese 15 neuen Kompositionen sind ein wahrer Ohrenschmaus und bestehen für den Genussmenschen ausschließlich aus Ohrwürmern. Denn es gibt auch geistreiche Musikgruppen zwischen den extremen Gegenstücken GUNS N’ ROSES und FANTÔMAS.

 

 

Als das erste Lied ertönt wird der Rauch von den wallenden Vorhängen etwas zur Seite geschoben. Aus dem Hintergrund erschallt klassische Musik aus einem alten Radio. Die Saiten sind tiefergestimmt, denn die Achtzigerjahre sind auch in den Zwanzigerjahren des laufenden Jahrhunderts längst vorbei. Doch spätestens der im Versatz gesungene Refrain des hektisch hereinfallenden und letztlich mit einer eingängigen Harmonie gesegneten ´Bombay´ wirft alle Zuhörer um.

Äußerst harmonisch wird auch zum rhythmisch fuchtelnden Schlageinsatz von ´Numb´ sowie im weiteren Verlauf zu den dunklen Percussion-Schlägen von ´Sweet Eliza´ oder der tiefergelegten Grundstimmung von ´Feels Just Like Love´ gesungen. Da schadet es auch nicht, dass die Synthesizer manchmal bedrohlich wie ein Orchester sekundenweise im Hintergrund hereinfallen, denn ein Rocker mit Glam-Glamour wie ´Heathens´ könnte auch einem gelifteten Alice Cooper munden.

Wenige fiepende Synth-Einsprengsel lassen ´9981 Darkness´ gleichsam nicht nach 1980 oder 2020 klingen. Dagegen könnte ein von der Akustikgitarre und den himmlischen Gesängen angetriebenes Stück wie ´Mexico´ über Drogen, Sex und Mauern nicht erst in den Neunzigerjahren zu einem der Hits des Jahres erkoren worden sein. Dieselbe Ehre hätte ebenso ´Birds Of Prey´ mit seinen Klavierklängen zuteil werden können, in den Tagen von GUNS N’ ROSES und BON JOVI.

 

 

Im weiteren Fortgang schlägt nochmal das mächtige ´The Depths´ die Saiten derart düster wie dereinst DAYS OF THE NEW an. Gänzlich anders schallen hingegen die ´Flying Monkeys´ mit Marco Minneman am Schlagzeug von der Bühne, gar feudal progressiv wie einst KING CRIMSON. Noch verrückter wird in ´Sic Riff´ zu den heulenden Sirenen des Weltuntergangs ein dementsprechend metallisch abgefahrenes Riff ausgepackt, natürlich mit ordentlich Noise und Gitarren von Andee Blacksugar (KMFDM, BLACK SUGAR TRANSMISSION).

Die bemerkenswerten Gesänge schüttet das Orchestra aus seinem ergiebigen Füllhorn eigentlich fortlaufend, aber insbesondere nochmals zu ´Beneath The Waves´ und ´Deep Blue´ mit seinem lang gezogenen Refrain sowie seinem minimalen Hauch von RUSH aus. Erlesen ist dergleichen ´Bear Sedatives´ in seinem überbordenden Hardrock über depressive Dinosaurier.

Zum letzten Song ´Human´ setzt sich Jason Bieler nochmals mit seiner Gitarre auf den Barhocker, indessen die Geräusche und Trommelschläge aus dem Hintergrund Gesang und Song abermals emporheben. Die Vorstellung scheint vorbei. Der Applaus ist groß und will scheinbar niemals enden.

Endlich verkaufen JASON BIELER & THE BARON VON BIELSKI ORCHESTRA nach vielen Wochen des Wartens an den Ständen am Ausgang das gute Stück auch auf Vinyl. Und der Rauch verzieht sich beim Postkartenwedeln auf dem Weg nach Houston.

(9,5 Punkte)

 

https://www.facebook.com/jasonbielermusic
https://jasonbieler.bandcamp.com/album/postcards-from-the-asylum

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