MONIKA ROSCHER BIGBAND – Witchy Activities And The Maple Death
~ 2023 (Zenna Records) – Stil: Alternative/Jazz/Rock ~
Die 2011 von Monika Roscher gegründete Bigband wandert zwar auf den Spuren des Jazz, vernachlässigt allerdings die prägenden Elemente der Swing-Ära auszubauen, und springt auch immer wieder in die Fußstapfen experimenteller Rockmusik, zwischen Artrock, Psychedelic Rock und Mathrock sowie Chamber Pop und Kammermusik. Eine erstaunliche “Prog Big Band zwischen Math-Jazz, Avant-Pop und Electronica”, wie es die Band umschreibt.
Der Nu-Jazz der MONIKA ROSCHER BIGBAND bleibt somit gänzlich jeglicher Erwartungshaltung gegenüber fern. Die fränkische Gitarristin und Sängerin führt als Bandleaderin die Musik konsequent in allerlei avantgardistische Grenzbereiche zwischen Rock und Jazz. Dabei tönen alle Kompositionen ihres dritten Werkes ausgesprochen stimmig und für alle Altersgruppen von Musikenthusiasten äußerst ansprechend.
In niemals allzu großer Dissonanz baut die MONIKA ROSCHER BIGBAND ein intensives Spannungsfeld auf, das sich scheinbar in jedem Moment entladen kann. Sowohl die kräftigen Bläsereinheiten als auch die stämmigen Percussions und Trommeln tragen zu diesem mit Nachdruck bei. Die Stimme von Monika Roscher erklingt vor diesem riesigen Ensemble in feinfühliger Zurückhaltung und bewahrt sich eine gewisse Reserviertheit, nicht eigenmächtig exaltiert wie etwa Anja Plaschg oder Björk zu wirken.
Die 39-jährige Bandleaderin lenkt die Gemeinschaft in ihre angeborene, fragile Introvertiertheit, während das gesamte Orchester die dunkle Sinfonik in aller Extrovertiertheit entrollt. Der sich hierbei öffnende Schauplatz ist von einem hohen Maß an Eigenständigkeit errichtet. Vor allem lässt die MONIKA ROSCHER BIGBAND in ihrer einmaligen Art keinerlei direkte Verwandtschaften erkennen, weder zu Formationen wie JAGA JAZZIST oder THANK YOU SCIENTIST. Eventuell könnte eine Komposition wie ´Firebird´ an ARCADE FIRE mit großem Orchester und ´Starlight Nightcrash´ an Joanna Newsom mit großem Ensemble erinnern.
Die ´8 Prinzessinnen´ fesseln dagegen zu Beginn mit einer Stimmung, die sich von Minute zu Minute in ihren insgesamt neun immer intensiver aufbaut. Selbst der Gesang entfaltet sich mehr und mehr aus seiner anfänglichen Verfremdung. Letztlich erschallen über diesen Soundschichten, die zu einem gewissen Grad eine französische Atmosphäre erzeugen, die schräg aufbrechenden Soli von Sebastian Nagler am Saxofon und Alistair Duncan an der Posaune.
Der ´Firebird´ wird von Cello, von Electronica und den Bläsern in Flammen gesetzt, wohingegen der Gesang allesamt an die Hand nimmt und Josef Reßle am Piano ein kleines Solo zugesteht. Hektisch agiert der Gesang im zwölfminütigen und sechsteiligen Epos ´Witches Brew´. Doch diese Rastlosigkeit wohnt ebenso den Instrumenten inne, von denen insbesondere Angela Avetisyan an der Trompete hervorsticht. Zwischendurch spielen sich Flöten und Klavier zur Electronica in den Vordergrund, lassen etwas Besinnung einkehren, leichte orientalische Klänge und Julian Schunter sich solistisch auszeichnen, ehe die Dramaturgie nochmals zur Beschleunigung ansetzt.
Den coolen Groove bietet ´Creatures Of Dawn´ zum marschierenden Bass- und Percussion-Einsatz auf und lässt die gezupften Saiten tanzen sowie Felix Blum und John-Dennis Renken an den Trompeten brillieren. Die Lässigkeit eines ´Queen Of Spades´ wird allerdings erst durch den Gesang gekonnt betont, die bedrohliche Stimmung eines ´Starlight Nightcrash´ und die schier unheimliche sowie theatralische eines ´A Taste Of The Apocalypse´ sogar jeweils von einem Gitarrensolo durch Monika Roscher gekrönt.
Die bisweilen vorherrschende Schwerelosigkeit des Sounds der MONIKA ROSCHER BIGBAND strahlt allzeit ´The Leading Expert Of Loneliness´ aus, samt einem Trompeten-Solo von Vincent Eberle, und die Spannung nochmals aus der unverschlüsselten Komposition ´Direct Connection´, samt Jan Kiesewetter am Sopransaxofon. Der weit über einstündige Ausflug durch den musikalischen Himmelsraum endet schließlich mit dem nach und nach einen Schritt zulegenden Trip durch ´Unbewegte Sternenmeere´, der sogar ausnahmsweise auf Deutsch vorgetragen wird und neuerlich ein verträumtes Gitarrensolo herausschlägt.
Außerordentlich klassikerverdächtig.
(9 Punkte)