ADORNED GRAVES – The Earth Hath Opened Her Mouth
~ 2023 (Musik Wormser) – Stil: Fifty Shades of Metal ~
To those who weep
To those who cry
To those who grieve
Praise to the lord of the stone!
Crom… ich habe noch niemals zu Dir gebetet. Meine Lippen blieben verschlossen. Eines fernen Tages wird man nicht mehr wissen, ob unsere Musik gut oder schlecht war. Man wird sich kaum daran erinnern können, was wir gehört haben… wofür wir gestorben sind. Aber das zählt nicht. Ich weiß, dass bei Dir nur die Objektivität zählt. So sage ich Dir, dass ich alleine für überdurchschnittliche Veröffentlichungen kämpfen werde. Crom, hilf mir bei meinem Review! Und wenn Du mir nicht hilfst… dann zum Teufel mit Dir!
(frei nach ´Conan der Barbar´ – 1982)
Ein neues Album der ADORNED GRAVES ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie was man kriegt. Ausser, daß es von Schachtel zu Schachtel immer edler mundet. Diesmal wurde mit viel Butter confiseriert und jede Praline wurde eigens mit Sahnefüllung versehen. Ich glaube, ich erkenne einen Klassiker, wenn ich einen höre, da brauche ich keine 20 Jahre zu warten. Und ich belasse es bei diesem Wort, sonst müsste ich im Vergleich zu gelben Langweileralben bis 16,66 hoch gehen. Nein, keine Punkte außer der Höchstwertung, denn was auf diesem Album musikalisch passiert, ist im Vergleich zum ohnehin exzellenten Vorgänger ein weiterer Quantensprung. Ein Metalporno.
Es war ein weiter Weg für die Hand des Todes aus den Tiefen des Grabes – dem Maul des Haies entronnen, dem Flusse gefolgt bis sich schließlich das Maul der Erde selbst geöffnet hat. Macht es doch einfach wie ich und rundet den Betrag auf, den ihr beim Erscheinen des überteuertsten gelben Doppelalbums aller Zeiten gespart habt und kauft so viele ADORNED GRAVES CDs wie ihr dafür bekommt. Ihr werdet es nicht bereuen.
We are all pilgrims who travel their path
We belong to heaven but return to dust
Looking for someone to guide our way
Looking for fortunes plan
Looking for someone to guide our way
Looking for someone to abide
Schon auf der ersten EP blitzten bei dem fetten Thrash mit räudigen Vocals einige vielversprechende Ideen durch. Der Opener von ´Out Of The Deep´ sorgte danach mit seiner unerwarteten Epik und cleanem Gesang erstmal für offene Münder in Feld, Wald und Wiese. Der Thrash wurde feinsinniger und ruhige, epische Momente, ein wenig Avantgardismus als auch Doom hielten Einzug und erweiterten den musikalischen Kosmos, was mit ´Being Towards A River´ bereits noch einmal auf ein gigantischeres Level gehoben wurde
Für das aktuelle Werk müsste ich neue Superlative erfinden, da mein Kopf bereits nach dem ersten Hördurchgang unentwegt kreist, ich nach dem zweiten mit Karin so aufgeputscht war, daß ich kaum einschlafen konnte und morgens eine Stunde früher raus musste. Da hilft nur: Gedanken sortieren und hart strukturieren statt sich in Gelaber zu verlieren:
KAPITEL EINS: Die Band
Wormser: Lead- und Rhythmusgitarre, der Allroundvirtuose
Lupus: ein mysteriöser Geselle, der jedoch wunderbare Basslinien ersinnt
Cailen: Rhythmusgitarre, Gesang, das irrsinnige Genie hinter dem Großteil der Songs
Deafon: der wilde Schlagzeuger, der derbe Thrashvocals und Brutalität ins Spiel bringt
KAPITEL ZWEI: Die Lieder
Epitaph I: Der Begriff „Epik“ wird neu definiert und alle Underground Kings des Genres schauen beschämt nach unten oder huldigen ihren neuen Stilmitbewerbern. Die wunderbare Ruth Börner-Staub (SOULBURNER) nimmt euch erneut mit auf eine Reise in die Sphären der Glücksseligkeit.
Pilgim’s Path: So hätte sich wohl jeder OMEN nach 1987 gewünscht. Einige bekommen Tränen in die Augen und denken daran, was aus PHARAOH (R.I.P. Tim Aymar) noch hätte werden können, wenn nun Herbie Langhans (FIREWIND, RADIANT, BEYOND THE BRIDGE, AVANTASIA Live, ex-VOODOO CIRCLE) das Mikro übernimmt. “The new Voice of Rock” beeindruckt diesmal ungewohnt ungestüm in ungewohntem Terrain Power Metal, das er (natürlich) ebenfalls beherrscht. Wahnsinn.
The Lost Track: drei Sekunden Ruhe, um das bisher Gehörte zu verarbeiten und sich für das Kommende zu sammeln.
Progenitors: die metallische Progressivität der ganz frühen FATES WARNING kopuliert das Kamasutra mit CANDLEMASS durch und neben Cailen veredelt Kobi Farhi (OPHANED LAND) das Kind mit seiner samtigen Stimme.
Like our Grandsires we quest and we roam
Through water soil rocks wind and storm
We stumble, fall down and rise up again
In waters deserts wind and in rain
We sail down the rivers cross barren lands
Valley Of Achor: Mit dem legendären Dale Thompson (BRIDE) am Mikro gelingt ADORNED GRAVES ihre ureigene Umsetzung von dem, was MANILLA ROAD und CIRITH UNGOL einst als Kauzmetal definierten. Ich bin mir sicher, dass der unvergessene Mark “The Shark” Shelton höchst angetan wäre und auch Jarvis Leatherby nach dem Song die Band gerne als Vorgruppe hätte, egal ob für den Nachtdämon oder den Pass der Spinne.
Son Of Soil: Falls nun jemand denkt, die Thrashroots wären ein für allemal Geschichte, stürmt der wilde Deafon mit seiner Komposition durch die Membranen. Von ihm auch selbst dargeboten legt dieser knallharte Brecher nahe, dass Deafon Mitte der 80er in einem Altenessener Proberaum bei einer Band namens KREATOR aufwuchs. Eine der abwechslungsreichsten Thrashgranaten überhaupt!
Beyond The Silence: Verdammt noch eins, es gibt ihn doch… den Männerdoom mit einer Rockstimme, die heutzutage bei PRAYING MANTIS (an dieser Stelle erneut mein verzweifelter Aufruf, doch bitte diese Kultband endlich in die Metal Archives aufzunehmen!!) aktiv ist, AYREON schon veredelte und gefühlt 66,6 Coverbands am Laufen hat. John Jaycee Cuijpers ist einer der wenigen, der mit DIO und RAINBOW live überzeugen kann. Da wären wir dann beim Thema: Dieser Song ist das persönliche ´Heaven And Hell´ von ADORNED GRAVES und zeigt allen Melodic-Stadiondoomern wie’s richtig gemacht wird. Dieses Epos wäre in der Tony Martin-Phase von BLACK SABBATH ein Übersong gewesen!
On A White Pale Hill: Ha! Noch einmal in die eigene bisherige Vergangenheit zurückgeblickt und diesmal mit einem Titel, der auf wunderbarste Weise TRIPTYFROST mit TYPE O VORE und TIAMAT verbindet. Was ein Brett! Schönste Dunkelheit in tiefster Traurigkeit mit fettestem Metall geschmiedet, während Cailen sich mit Simon Bibby (SEVENTH ANGEL, THY LISTLESS HEART) am Mikro battlet.
Depression:
This is where it ends unfinished
Music fades unsung
We never sing our song again
All is blank and bare
Wind Over Glen: Never say never. Wir sind alle unendlich dankbar, dass Wormser – der jahrzehntelange Veteran von CAPTAIN WESTIBLE bei den Kultcombos THE END OF MUSIC und MURDER SHE WROTE nicht wirklich ernst gemacht hat mit seiner Aussage: “Kää Meddl mehr!” Der Mann, der jahrelang seine Ideen für unzählige Soloalben gesammelt hat, lebt sich nun instrumental aus und macht dabei umso deutlicher, wie langweilig andere Gitarren auf gel(… ZENSUR…) sein können. Dies wird der Soundtrack sein, bei dem ich mit meiner einzig wahren Liebe Karin bei Stonehenge ganz ganz alleine zu zweit einen fulminanten Sonnenuntergang erleben werde. Danke.
Vaults And Caverns: Und nochmal schön auf die Zwölf – diesmal mit Chris Ackermann (MARTYR, BETRAYAL) als Fronter. Es ist als ob ihr eine Armlänge vor Tom G. Warrior steht, der euch auf seine ureigene Weise anbrüllt, während der unvergessene Martin Eric Ain (R.I.P.) euch von hinten andonnert. Ich muss fast vor Rührung weinen.
Lord Of The Stone: So muss es klingen, wenn Psychopaten-Doom von einem abartig fiese-kauzigen Jon Oliva (SAVATAGE) interpretiert wird. Zäh wie Lava mäandert dieser von Jordan Cutajar (NOMAD SON) grossartig interpretierte Track durch die Untiefen deiner Seele und zeigt dir deine inneren Dämonen auf wunderbare Weise. Gegen Ende mutiert die Flora und Fauna des Tracks unglaublicherweise gar in den Garten Eden der legendären SAVIOUR MACHINE!
Epitaph II: So episch wie das Werk begonnen hat geht es zu Ende. Diesmal erleben wir mit Colin Hendras (WYTCH HAZEL) wunderschön warmer Stimme eine packende, sanfte Atmosphäre, wie sie KING CRIMSON einst mit ´Court Of The Crimson King´ präsentiert haben. Schaltet nicht sofort ab, bleibt vor den Speakers sitzen, denn das Ende ist nicht gleich das Ende…
KAPITEL DREI: Klare Worte
Aufgrund des amokhaften Namedroppings fühle ich mich schon wie ein tollwütiger Schimpanse auf LSD, aber vergebt mir, ich bin ein Wurm, der verzweifelt versucht seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Also hülle ich mich langsam in Schweigen und empfehle euch ´ The Earth Hath Opened Her Mouth´ für sich selbst sprechen zu lassen.
Denn wäre es in den 80ern veröffentlicht worden, wäre es ein Maßstab für die Musik der kommenden Jahrzehnte geworden und man würde es in einem Atemzug mit Werken wie ´Night On Bröcken´, ´Warning Of Danger´, ´Epicus Doomicus Metallicus´, ´Crystal Logic´, ´King Of The Dead´, ´Pleasure To Kill´und ´Into The Pandemonium´ nennen. Nur eben alles auf einem Album.
Dennoch ist es ein homogener Musikgenuss geworden, der zu jeder Zeit überrascht, begeistert und dessen stilistische Vielfalt aus 40 Jahren Metalgeschichte (ausser dem, was den True- und Oldschooler seit den 90ern abgenervt hat) in absehbarer Zeit wohl kaum übertroffen werden kann. Wer Musik mag, wird dieses Album vergöttern. Wie eine Schachtel Pralinen. Oder einen High-End-Porno. Klassiker
Acceptance
Remember me in my grave
When you’re in kingdom thine
Remember me in my grave
Before the music dies
P.S.: Ihr beeilt euch besser mit der Bestellung über die Homepage, denn es wurde in Eigenproduktion nur eine kleine Auflage in Auftrag gegeben und es ist fraglich, ob es eine zweite geben wird, wenn das Teil erstmal in sämtlichen Streamingdiensten bereit steht. Also: Be quick or be dead.