VIRGIN STEELE – The Passion Of Dionysus
~ 2023 (Steamhammer) – Stil: Classic/Epic Metal ~
David DeFeis und seine Band VIRGIN STEELE waren ab ihrem zweiten Album ´Guardians Of The Flame´ 1983 verlässliche Größen im Metal-Geschehen. Mit ´Noble Savage´ und dem zweiteiligen ´The Marriage Of Heaven And Hell´ gelangen der Band sogar wahre Meisterwerke. Auch wenn Genie und Wahnsinn doch immer beieinander lagen. Nimmt man nur ´Noble Savage´ als Beispiel: Mit dem Titelsong und ´The Angel Of Light´ gab es leuchtende Vorbilder des US und epischen Metal, mit ´We Rule The Night´ eine der besten Headbanger-Hymnen. Aber mit ´Rock Me´ auch einen Titel, der nur schwer erträglich war. Aber die Gewinnersongs waren in der klaren Mehrheit. Und auch live machte David mit seinen Schwertern und seiner Band eine gute Figur.
Nach ´Invictus´ 1998 verlor ich ihn so langsam aus den Augen. Später hörte man gar schlimme Dinge über seine Alben, weshalb ich lieber einen Sicherheitsabstand hielt. Nun habe ich versucht, bei ´The Passion Of Dionysus´ ohne Vorurteile in das Hörerlebnis zu gehen. Die meisten Songs sind lang, sehr lang, teilweise über 12 Minuten. Beim Opener ´The Gethsemane Effect´ fällt zunächst der suboptimale kratzige Gitarrensound auf. Insgesamt zündet der Song nicht so richtig. ´You’ll Never See The Sun Again´ beginnt episch mit Davids charakteristischen Gesang. Bei Stimme ist er noch ziemlich gut, nervt – wie früher – in den zu hohen Lagen. Was hier gefällt ist der Schwerpunkt auf seinem Klavierspiel. Es gibt auch für die ersten fünf Minuten viele Ideen, dann geht der rote Faden etwas verloren, aber insgesamt ein ganz guter Song.
Die nächsten beiden Songs bleiben nicht so gut im Gedächtnis, ´The Ritual Of Descent´ ist mit über 12 Minuten zu lange, um spannend zu bleiben. Auch harten Metal kann VIRGIN STEELE noch bieten. ´Spiritual Warfare´ kommt als solider Banger rüber, aber auch im zweiten Teil verliert sich der Song im Durcheinander. Die Gitarren klingen irgendwie metallisch dumpf, obwohl Davids Dauerbegleiter Edward Pursino viele gitarristische Hymnen in seinem Musikerleben geschaffen hat.
´Black Earth & Blood´ ist einmal recht kurz und dann auch konsistenter. Der Titelsong ist teilweise eine schöne Ballade, aber teilweise gesanglich zu affektiert und etwas mehr instrumentale Pausen hätten den Song spannender gemacht. Auch ´To Bind & Kill A God´ beginnt ganz gut mit Chören und richtigen Riffs, kann aber die Spannung wieder nicht ganz halten, gehört aber sicher zu den stärksten Songs auf dem Album. Die beiden letzten Songs sind ganz okay, aber zu lange (ich wiederhole mich, ich weiß). Früher hat David auch viele Ideen in die Songs gesteckt und trotzdem waren es eingängige Hymnen.
Insgesamt ist mir zu viel in die meisten Songs gepackt und David hätte sich beim Gesang hin und wieder etwas zurücknehmen können. Die Gitarren sind über die komplette Spielzeit suboptimal produziert, die ganze Produktion ist nicht so richtig zwingend.
Das ist jetzt kein Schrott, aber die Zeit ist einfach weitergeschritten und für 77 Minuten reichen die Ideen von David heute einfach nicht mehr aus. Kompliziert heißt nicht immer anspruchsvoll oder progressiv. Hätte die Band die besten Ideen auf 40 Minuten gebündelt, überflüssige Längen und Windungen rausgestrichen, dann wäre eine höhere Wertung sicher möglich. Denn originell ist die Musik und der Gesang von David nach wie vor und es wurde viel Kompositionsarbeit in die Songs gesteckt. Aber teilweise ist das sehr, sehr anstrengend. Und viele Songs leiden unter dem Dauergesang, ohne dass eine klare Struktur erkennbar wäre. Mit viel Wohlwollen und dank der historischen Verdienste…
(6,25 Punkte)
(VÖ: 30.06.2023)