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V/A – SOUND & ACTION – German Hardrock & Heavy Metal Rarities Volume 3

~ 2023 (Golden Core/ZYX) – Stil: Anthologie ~


Zum mittlerweile dritten Mal beehren uns die Herren Butz und Neudert mit einer Unterrichtslektion in Sachen der Geschichte harter Gitarrenmusik in Deutschland. Das Material scheint ihnen nicht auszugehen. Wenngleich es scheinbar auch schwieriger geworden ist, die Genehmigung zu bekommen, Songs zu benutzen. Manche der Musiker scheinen ihre alten Sachen nicht mehr veröffentlicht sehen. Bei anderen Acts sind keine Verantwortlichen mehr zu finden. Trotzdem sind die zwei CDs tatsächlich wieder randvoll mit spannenden Zeugnissen teutonischer Musizierkunst bestückt.

Da auf alle einzugehen, das verbietet schon die schiere Masse von zweimal 75 Minuten respektive 33 Songs. Manche Songs stammen von Alben, zum Teil gar unveröffentlichten. Es finden sich ein paar Single-Tracks oder Demoaufnahmen. Sogar noch unveröffentlichte Lieder sind zu entdecken.

Schon die ersten fünf Stücke sind tatsächlich echte Perlen. Auf Nummer drei stehen etwa CZAKAN. ´Stand And Deliver´ ist die B-Seite einer Single von 1990 und nicht auf dem kürzlich erfolgten Re-Release des Debüt-Album ´State Of Confusion´ zu finden. Dafür hat das Quintett nach gut 30 Jahren wieder zusammengefunden und kürzlich ein zweites, ´UnReal´ betiteltes Album veröffentlicht. Nun scharren sie mit den Hufen, um ihre lang unterbrochene Karriere fortzuführen.

Nach diesem melodischen Ausflug findet sich mit ABRAXAS bockstarker Power Metal, deren 1989 entstandenes ´Taken By The Past´ den Rezensenten irgendwie ziemlich an die grandiosen Briten SATAN erinnert. Danach folgt mit den verspäteten Krautrockern IRIS und ihrem treibenden ´Kernphysik´ eine deutschsprachige Nummer. Nicht nur musikalisch ein echter Knaller, amüsiert mich vor allem das grandiose textliche Konzept. Ich bin sicher nicht der einzige, der sich auf die Wiederveröffentlichung deren Albums von 1981 freut, auf dem sie 70er Prog und Kraut mit härteren Klängen verbinden und irgendwie eine Verwandtschaft zu FAITHFUL BREATH aufweist.

Darauf folgt mit CRONOS TITAN und deren unveröffentlichtem ´We Don’t Care´ der erste Ausflug in Thrash-Gefilde. Die ausgewählte Musik auf diesem Doppel-Album deckt somit wieder eine ziemlich weite stilistische Range innerhalb der metallischen Gefilde ab. Hörbeispiele könnte man noch viele nennen. MON AMOUR aus Schwäbisch Gmünd etwa, die sich nicht scheuten, eine mittelalterliche klingende Melodie zu nutzen. Nicht erst heute, schon 1988 war die Westpfalz ein Hort der Kreativität, wie LIQUID SKY mit ihrem Single-Tack ´Mystery´ beweisen. Mit einem Longtrack zwischen Doom und Psychedelia glänzen ARAKIS. Deren ´In A Gothic Rhyme´ entstammt ihrem 87er Demo.

Auch auf CD 2 reihen sich Hits aneinander. Für Fans von MEKONG DELTA dürften SHIT FOR BRAINS aus der Region Darmstadt mit ´Playing Gods´ eine Entdeckung sein. Als IVANHOE aus Ulm 1984 begannen, war ihr Sänger Erwin Häcker erst 16 Jahre alt. Für jeden Auftritt brauchte er noch die schriftliche Genehmigung seiner Eltern. Dieses junge Alter hört man ihm auf der Hymne ´At Midnight´ ganz klar nicht an. In eher speedigen Gefilden rüpelten FINAL PROPHECY mit ihren Demo-Song ´Golgotha (Pray For Forgiveness)´. Lange vor MEKONG DELTA arbeiteten sich die Prog Metaller von TAINTED RYCH an Mussogskis “Bilder einer Ausstellung” ab, wie ´License To Kill´ auf grandiose Art zeigt.

Mindestens ein Musiker von SINUS dürfte heute relativ recht bekannt sein. Gitarrist Holger Ziegler, der heute nicht nur bei ABANDONED, GIRFFIN oder ROXXCALIBUR (hier sogar zusammen mit Neudi) spielt, machte in dieser Band seine ersten Schritte. ´Mirror Of Madness´ zeigt, dass aus dieser Band sicher auch Großes hätte werden können. Allerdings auch sie ging den Weg fast aller hier vertretenen Bands. Aas irgendwelchen Gründen ist das Projekt gescheitert. Aber viele der beteiligten Musiker sind heute noch aktiv.

Der Ehrenpreis für den peinlichsten Bandnamen geht an ANALEX. Zwei der Mitglieder gründeten später SHIT FOR BRAINS. Aber, es ist festzuhalten, nicht immer sagt der Bandname etwas über die Qualität der Musik. Glücklicherweise auch bei ANALEX, die mit ´Blood Money´ ziemlich fesselnden Thrash liefern, der nicht immer rast, dafür durchgehend überzeugt. Der Abschluß, X96 mit einem gerade einmal 44-sekündigen Ausbruch, ist der mittlerweile fast obligatorische Gruß an die Grindcore-Fraktion unter den Hörern. Und schwupps, wie im Fluge, sind gut 150 Minuten auch schon wieder vergangen.

150 Minuten, die ziemlich durchgehend Spass machen. Da sollte doch für jeden was dabei sein. Zum Entdecken, zum (je nach regionaler Herkunft) Wiederentdecken, zum Genießen. Vielleicht auch zum Weitertragen, damit bald jeder weiß, wie gut die deutsche Szene in Wahrheit war. Ganz klar ist auch, hier sollte man sich eine physikalische Ausgabe sichern, damit man auch in den Genuß der Bandvorstellungen im Booklet kommt. Ansonsten hat man nur die halbe Ernte eingefahren.

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