ORNETTE COLEMAN – The Shape Of Jazz To Come
~ 1959/2013 (Atlantic/ORG Music) – Stil: Avantgarde/Free Jazz ~
Bevor Ornette Coleman mit einem Doppel-Quartett und dem Album ´Free Jazz: A Collective Improvisation´ ein neues Genre namens Free Jazz kreiert, veröffentlicht der Jazz-Saxofonist 1959 sein großes Meisterwerk ´The Shape Of Jazz To Come´. Gerade weil das Werk eine radikale, anfangs arg beäugte Abkehr von den Traditionen des Jazz einleitet und mit seiner freien Improvisation in der Avantgarde ankommt, wächst es innerhalb der folgenden Jahre zu einem der wichtigsten Klassiker der Musikgeschichte heran.
Sein zweites Studioalbum nimmt Ornette Coleman am 22. Mai 1959 mit Produzent Nesuhi Ertegün, der ihm auch den neuen Plattenvertrag mit “Atlantic Records” vermittelt, in den “Radio Recorders” von Los Angeles auf.
Erstmals sind neben Don Cherry (Kornett), der Ornette Coleman 1956 trifft und genauso atmet und fühlt, auch Charlie Haden (Kontrabass), der sich von den gewöhnlichen und nur begleitenden Basslinien verabschiedet und seinen eigenen musikalischen, gar melodischen Beitrag leistet, und der gänzlich frei auftretende Billy Higgins (Schlagzeug), die künftig ebenso zu seinem klassischen Quartett gehören werden, involviert.
Diese Band-Zusammensetzung löst sich von konventionellen und traditionellen Strukturen und bricht infolgedessen alle Regeln des bislang gültigen Harmonieverständnisses. Selten wird sich ein besseres Musikverständnis aufgrund Flexibilität und harmonischer Kontrapunkte finden als innerhalb dieses Quartetts.
Ornette Coleman revolutioniert mit ´The Shape Of Jazz To Come´ den Jazz wie er seit den Vierzigerjahren bekannt ist. Diese Musik ist anno 1959 absolut neu und originell, sie ist hochgradig frei und fühlt sich auch so an.
Dieses einmalige Fabelwerk beginnt mit der wahrscheinlich bekanntesten Komposition von Ornette Coleman, die den Status eines Standards inne hat. ´Lonely Woman´ ist die sehnsüchtig wimmernde Ballade mit einem schnellen Schlagzeug, das Altsaxofon und Kornett mit ihrem langsamen Motiv ausmanövrieren. Der nächste Höhepunkt folgt mit ´Eventually´, einer unglaublich wahnsinnig wuselnden und extravaganten Schönheit, mit einem dreitönigen Lick von Ornette Coleman. Das sanfte ´Peace´ ist hingegen mit neun Minuten die längste Komposition und bietet einige interessante Unterredungen, etwa zwischen Kornett und dem sehr präsenten Kontrabass, aber auch eine Exkursion des geradezu allein voranschreitenden Kontrabasses.
Die Rückseite des Werkes verschafft zuerst dem ursprünglich angedachten Titelstück ´Focus On Sanity´ Raum für mehrere Fanfaren-Motive und Geschwindigkeitswendungen. Ein Kontrabass-Solo wird schlagartig von einem aufgeregten Saxofon-Solo abberufen, kämpft sich jedoch erneut in den Mittelpunkt des Geschehens, in dem ebenso das Schlagzeug seine Aufmerksamkeit beanspruchen mag, ehe Fanfaren das Lied beenden. In nicht aufzuhaltender Ruhelosigkeit spielen Saxofon als auch Bass in ´Congeniality´, benannt als Gefühlsausdruck gegenüber dem Publikum, ihre Motive durch, während das finale ´Chronology´ ebenso beharrlich den Rausch des Augenblicks genießt und zum stürmischen Kontrabass eine Melodie zum Besten gibt, die doch gar nicht so weit vom Bepop entfernt ist.
Free the music, free mankind, free jazz.
(Klassiker)
Die aktuell feinste Pressung von ´The Shape Of Jazz To Come´ ist die 2013er von “ORG Music”, Doppel-180g-Vinyl, 12″, 45 RPM, eine High-Fidelity-Aufnahme, übertragen von den Masterbändern mit einem R.1.A.A. Resultat.
Der in der Regel völlig herausragende Klang soll allerdings bei einzelnen Pressungen durch hörbare Füllgeräusche etwas erschüttert werden. Das Gatefold ist überdurchschnittlich kräftig, aber nicht außergewöhnlich in Glanz oder Schwere, wie etwa bei heutigen “Tone Poet”-Pressungen.
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