CROWN LANDS – Fearless
~ 2023 (Universal Music Canada) – Stil: CROWN LANDS/RUSH ~
Gut Ding will Weile haben. Wie schon Meister Peter Gabriel sagte, braucht man für manche Sachen etwas mehr Zeit. Selten hatte ich so viel Respekt und innere Zurückhaltung bei einem Musikaufsätzchen wie hier um beiden Bands gerecht zu werden – sprich: Das unsterbliche Andenken an RUSH nicht zu beschmutzen und die Band CROWN LANDS vor jeglichen Plagiatsvorwürfen zu verteidigen. Der König ist in Rente, lange lebe der König. Da Charles jetzt offiziell das Zepter hat, müssen auch die königlichen Lande endlich zu Ehren kommen – wären sie doch ohne mein zeitliches Versäumnis bereits die Monatsherrlichkeit März geworden… und mehr.
Dieses Meisterwerk beginnt mit einem Meisterwerk. Dieser Opener – verzeiht mir die folgende niedere Linguistik – fickt euch direkt weg. In 18 Minuten und 23 Sekunden zeigen CROWN LANDS eindrucksvoll, was an RUSH in den 70ern so aufregend war. In diesem einen Song steckt schon alles von ´Fly By Night´ über ´Caress Of Steel´, ´2112´, ´A Farewell to Kings´ und ´Hemispheres´ bis zu den frühen 80ern mit ´Permanent Waves´ und ´Moving Pictures´. Und jetzt ihr. Unglaublich, aber wahr. Wer jetzt schon motzt: Selber hören, Fresse halten.
“Paaaah, die klingen ja 1:1 wie RUSH” – höre ich manche nun entrüstet. Maul, Paul. Erstmal muss man sowas kompositorisch als auch technisch können und zum Zweiten kommen CROWN LANDS aus Kanada, also wenn das jemand darf, dann diese beiden. Hä? Ja, richtig gelesen, Cody Bowles (Gesang & Schlagzeug) und Kevin Comeau (Gitarre, Bass, Keyboard) unterbieten ihre Vorbilder sogar um eine Person in einer MANTAR-Formation. Außerdem beginnt ab etwa Minute 10 einer der geilsten ELOY – Parts, den selbst der eingefleischteste Sammler nicht in seiner teuersten Sammlung finden kann (´Planets´ & ´Time To Turn´ Ära). Danach kommt das zum Tragen, was diese Beiden ausmacht: CROWN LANDS selbst. Ein eigenes Universum, welches Vorbilder hat, aber im Hier und Jetzt spielt.
Wie auch schon bei Geddy Lee werden sich an dem hohen, messerscharfen Organ von Cody mal wieder die Geister scheiden, aber das ist mir herzlich egal, denn das, was hier geboten wird, ist das Beste, was die drei alten Götter seit weit vor ´Roll The Bones´ nicht mehr gemacht haben. Da lasse ich gar nicht mit mir diskutieren, von anderen Bands gibt es unzählige Klone, die abgefeiert werden (wäre ja toll, wenn jemand sich an AC/DC drantrauen würde – mmpfh!) und auf diesem Level einer unvergleichlichen Legende nachzueifern, ist wohl nicht das Übelste, was man machen kann, zumal auch jede Menge andere Einflüsse in ´Fearless´ stecken. Schon ´Dreamer Of The Dawn´ – der zwar immer noch im Kosmos des kanadischen Dreiers träumt – wirft dir einen hymnischen Refrain vor die Füße, den deine Lieblingsband dramaturgisch schon lange nicht mehr so umsetzen konnte, geschweige denn Keyboardsounds, die man seit den goldenen 80ern so nicht mehr gehört hat.
Und weiter geht’s mit ´The Shadow´ – einer kleinen Intro-Erinnerung an MANOWAR – bevor sie ausgewimpt waren – dem wiederum die emotionalsten Gesangslinien folgen, die man sich nur entfernt vorstellen kann. TRIUMPH lassen grüssen und könnten vielleicht durch ihre kanadischen Landsleute die späte Würdigung erfahren, die sie ein Leben lang verdient haben. Gesetzt den Fall, dass CROWN LANDS die gefeierten Weltstars werden, die sie eigentlich schon sind.
Dieser Song ist schlichtweg zum Niederknien und würde – wenn jemand ein Festival namens „Keep It True“ oder so ähnlich erfinden würde, jede noch so geile Metalband auf dem Gefühls-Sektor wegblasen, vor allem viele Bands, die mit „M“ anfangen. Boah. Spritzen. Für ebendiese Fanbase wird das Tempo mit ´Right Way Back´ fein angezogen – bitte nur nicht enttäuscht sein, wenn im Refrain die 80er RUSH auf OZZY treffen, nachdem euch Robert Plant mäßige Luftschiffakrobatik bis dahin gebracht hat. Unvergleichbar. Energetisch. Perfekt.
Danach folgt ein Höhepunkt der ´Moving Pictures´, den es so nie gab. Spätestens jetzt folgt die abermalige Drehung des Lautstärkereglers nach rechts, selbst wenn dies „11“ bedeuten sollte. Wenn die wahren Könige jemals einen ´Tom Sawyer´-Part 2 geschrieben hätten, er hätte wohl ´Context: Fearless Pt.I´ heißen können. Isch genn verrickt… wie der Saarländer so zu sagen pflegt. Ich gehe mit.
Der Beginn der ´Reflections´ öffnet zudem das Portal zum MARILLION-Universum, doch auch hier bleiben CROWN LANDS im weiteren Verlauf ihren musikalischen Vorbildern treu. Gut so. Ein Steve Howe (YES, ASIA, GTR) mäßiges Gitarrenspiel (‘Penny’) findet man nicht an jeder Ecke, die ‘Lady Of The Lake’ tanzt lasziv vor dem Besten, was OZZY & ROBERT PLANT nie gemacht haben. ´Stairway To Heaven´ war gestern.
Und die gefühlvolle, von Piano eingeleitete Ballade ´Citadel´ inklusive Piano und Western-Noir-Feeling gab’s auch nie von RUSH. Ein weiterer Jahrhundertsong, von dem alle meine unehelichen Kinder ihren Enkeln noch erzählen werden. Null RUSH, falls jemand die Eigenständigkeit dieser Band noch bezweifelt. Begeisterung. Gänsehaut. Tränen in den Augen eines echten Mannes, der weniger Muskeln hat, aber mehr Glaubwürdigkeit vertritt als jeder noch so dicke Metalking. Wimps and Posers leave the Review.
Wer die 70er Hochphase des kanadischen Jahrhundert-Dreiers vergöttert, wird das Duo CROWN LANDS lieben. Wer nicht, hat – mit Verlaub – keinerlei fundierten als auch emotionalen Bezug zu guter Musik.
Jahreswertung.
facebook.com/crownlandsmusic
www.crownlandsmusic
crownlandsmusic.bandcamp
P.S.: Wer das Vinyl irgendwo auftreiben kann (ohne kanadische Versandkosten) melde sich bitte bei mir, ich bin auch dieses eine Mal bereit, die 30er Grenze zu sprengen. Vielleicht sogar 40. Besser als gelb. (Gelb ist Trumpf. In Dänemark, zwischen den Grenzen. – Dein M.)
P.S.: Wer die CD irgendwo auftreiben kann (ohne kanadische Versandkosten) melde sich bitte bei mir, ich bin auch dieses eine Mal bereit, eine unwürdige Compact Disc zu ersteigern.
P.S.: Wer sich berufen fühlt, die Tonträger zu importieren, melde sich bitte bei der Band und dann bei mir. So muss es wohl vor ’89 im Osten unseres wunderbaren Landes gewesen sein (vergebt mit bitte, meine lieben Ostfreunde).
P.S.: Wer mitkriegt, wann und wo die beiden live musizieren, melde sich bitte bei mir, denn das könnte mit GEOFF TATE und THRESHOLD das Konzert des Jahres werden.